MusicManiac Top 10

MusicManiac Top 10 - System Of A Down Songs

Man hat es mit Alternative Metal probiert, mit Progressive Metal mit Heavy Metal, Thrash Metal und dem leicht unsinnigen, weil mehr als leicht unspezifischen Terminus Art Metal, irgendwann hat sie dann ganz einfach kurzerhand in den Nu-Metal-Topf geworfen. So wirklich dürfte aber bis heute keiner herausgefunden haben, wie man denn das, was System Of A Down auf ihren Alben aufführen, wirklich nennen soll. Ein unkategorisierbarer Charme umgibt die Band und ein bisschen bekommt man den Verdacht, die relativ exotischen armenischen Wurzeln aller Mitglieder dürften auch die außergewöhnliche Natur der Musik begünstigt haben. So oder so haben es Serj Tankian und seine Kollegen bewerkstelligt, einen mit ihren eklektischen, erratisch-energetischen Exzessen zu faszinieren, in ihren Bann zu ziehen, hin und wieder zu belehren, oft aber primär mit einem Gefühl des unbequemen Beklemmung zurückzulassen. In Summe ergab das den einen oder anderen legendären Moment im Metal der Jahrtausendwende.

 

erstellt am 16.11.2018


10.

 

I-E-A-I-A-I-O

 

Steal This Album!
2002

 

"Steal This Album!" ist zwar beileibe nicht so unzugänglich wie das Debüt der US-Amerikaner, aber dann doch mit ziemlicher Sicherheit das schrägste der fünf SOAD-Alben. Das liegt definitiv zu einem Gutteil an der Entstehungsgeschichte rund um die geleakten Überbleibsel der vorangegangenen Studiosessions. Dementsprechend hat es die LP nie ganz aus dem B-Sides-Eck herausgebracht, scheitert aber definitiv nicht generell an der Qualität der Songs, sondern an der Zerrissenheit. Aber die eine oder andere Großtat findet sich durchaus, unter anderem im drückend hymnischen I-E-A-I-A-I-O, dem es zwar inhaltlich ein wenig an Tiefe mangelt, wenn es auch symptomatisch für die Stärke der Band ist, dass man in dieser Mischung aus kaum verständlichem Wordrap und Buchstaben-Choral einen Seitenhieb auf den KKK erkennen soll. Davon abgesehen macht es Daron Malakians gewohnt starker Gitarrenpart, der sich neben den gewohnt wuchtigen Riffs auch mit einer "Knight Rider"-Hommage im Solo einprägt.

 

9.

 

Prison Song

 

Toxicity
2001

 

Der Prison Song ist ein Albumeinstieg, wie man ihn besser kaum hinbekommen könnte. Dieser erdrückende Stop-and-Go-Riff mit den alles zertrümmenden Drums und Serj Tankians Geflüster, das dann noch dazu in einen tiefen Growl mündet, mit dem ausreichend an den Angst-Schrauben gedreht wird, bevor es wirklich losgeht. Und das wird dann eben auch nicht schlechter. Diese Anklage gegen die Vorliebe fürs Einsperren der Leute in den USA vereint in sich die unerbittliche Härte und Tankians aggressivste Vocals mit technisch anspruchsvoller Arbeit an der Gitarre, kurzen balladesquen Zügen und auch noch einem verschrobenen, rhythmisch in Richtung Polka abdriftenden Ausritt gegen Ende, der dem Ganzen eine groteske Note verleiht. Es ist ein Amalgam all dessen, was System Of A Down über die Jahre ausgemacht hat, verstärkt durch eine ihrer unmittelbarsten Botschaften, die einem schonungslos präsentiert wird.

8.

 

Dreaming

 

Hypnotize
2005

 

Dem Titel zum Trotz und entgegen der latenten Mäßigkeit des rundum zusammengebauten Albums ist Dreaming womöglich der klanglich unangenehmste Track, den die Band je gemacht hat. Eine unfassbar unkoordiniert und chaotisch wirkende Kanonade an härtestmöglichen Drums und dröhnenden Riffs ist die Unterlage für ein aus jeder möglichen Perspektive beklemmendes und albtraumhaftes Stimmengewirr. Da verliert man allein schon wegen der Undurchdringlichkeit des Sounds jede Hoffnung, die noch dazu in den wenig optimistischen Zeilen weiter belastet wird. Dass man dann im Refrain altbekannter, hymnenhafter Dramatik ihren Platz einräumt und zwischendurch ein atmosphärisch ruhiges Duett aus dem Song macht, lässt den Kernpart nur umso unwirklicher und unwirtlicher erscheinen. Man will es jetzt nicht unbedingt hören, einfach weil es eine verdammt ungemütliche Erfahrung ist.

7.

 

Know

 

System Of A Down
1998

 

Das Debüt des Quartetts ist schwierig. Jetzt kann man einwenden, es wäre einfach nur eine etwas rohere Variante des durchschlagenden Erfolgs, den "Toxicity" darstellt, aber vielleicht ist es ja gerade der verrohte Charakter, der dem self-titled Album ein wenig die anziehenden Qualitäten nimmt. An die da versammelten Tracks traut man sich weniger heran, sie bleiben auch weniger hängen und graben sich kaum einmal sonderlich ins Gedächtnis ein. Passiert das aber, ist es genauso wenig sonnig, aber genauso überzeugend wie sonst auch. Know ist das beste Beispiel, weil es in dem frenetischen Intro bereits einen Höhepunkt in der Arbeit der Band findet. Da werden die wuchtigen, voluminösen Drums einfach so kompromisslos mit den durchdringenden Riffwänden gepaart, dass man das wilde Geschrei von Tankian schon gar nicht mehr bräuchte, um zu erkennen, dass da gleich so ziemlich alles Greifbare eingerissen wird. Das passiert zumindest in den dröhnenden Refrains, während die Strophen unwiderstehlich dahingaloppieren und so keine Verschnaufpause erlauben.

6.

 

ATWA

 

Toxicity
2001

 

Es geht trotzdem auch anders und ATWA ist ein wunderbares Beispiel dafür. Jetzt ist der Song nicht ohne urplötzliche musikalische Gewaltakte und aggressiver Lautstärkenexplosionen. Aber dominant erscheint einem trotz relativ zurückhaltendem Naturell eher der ruhige Part des Songs, in dem Malakians Gezupfe und der stockende Bass ein eher karges musikalisches Grundgerüst ergeben. An dem richtet sich Tankian aber gekonnt auf und zeigt zur Abwechslung einmal seine Stärken in der Ruhe. Dort liegt durchaus Kraft, zumindest in puncto Ausdrucksstärke, vor allem weil die theatralische Melodik in seiner Stimme einen großartigen Kontrast zu den gesanglichen Wutausbrüchen bietet, die hier die Refrains und so viele andere Songs der Band dominieren.

5.

 

B.Y.O.B.

 

Mezmerize
2005

 

Ich erwarte zwar hier vehemente Gegenstimmen, bleibe aber bei der Ansage, dass Daron Malakian in den High-Speed-Stakkatos und der vollendeten, sporadisch sichtbaren Melodik von B.Y.O.B. seinen feinsten Moment als Gitarrist von System Of A Down erlebt hat. Das heißt jetzt definitiv nicht, dass er damit noch wirklich großartig besser sein könnte als bei den vielen anderen glänzenden Auftritten, die er so hingelegt hat. Aber irgendetwas ist trotzdem außergewöhnlich, sei es Tankians bis zum Heranbrechen der zweiten Hälfte und eigentlich nur von Malakians Schreien selbst beendete Zurückhaltung oder die kristalline Produktion, die die Riffs im bestmöglichen Licht dastehen lässt. Auf alle Fälle ist die Hook zum Niederknien und die Anti-Kriegs-Message fast schon kitschig zynisch in ihrer Präsentation, sodass man sich zwar weniger an die düsteren Anwandlungen vorheriger Alben erinnert fühlt, aber dafür mit die unterhaltsamsten Minuten warten, die die Band je geboten hat.

4.

 

Toxicity

 

Toxicity
2001

 

Auch wenn es dem Titeltrack der zweiten und stärksten SOAD-LP definitiv nicht an Lautstärke und Durchschlagskraft mangelt, könnte man ihn als etwas unscheinbar definieren. Es ist ein bisschen so, als hätte man da versucht, wirklich alle funktionierenden Teile der übrigen Songs so effektiv wie möglich zusammenzupacken und daraus eben einen ähnlich starken Track zu machen. Natürlich gelingt das, Toxicity ist der Inbegriff einer stimmigen Kompositionen und wartet mit Strophen auf, die gesanglich gespenstisch sind, während die Refrains kompromisslos wie eh und je daherkommen und die Bridge ein so wunderbar lautes Solo bietet, dass man daran nur zerschellen kann. Insofern ist das jetzt nicht der Track mit der einen, ins Auge oder Ohr springenden Performance, sondern die ultimative Form der kombinierten Stärken aller Mitglieder der Band. Ein Zufall, dass das ausgerechnet den Titeltrack der LP trifft.

3.

 

A.D.D.

 

Steal This Album!
2002

 

Subtilität geht definitiv anders und womöglich ist plumpe Kritik am amerikanischen Geldadel fast schon etwas billig für eine Band, die ihre politischen Ansichten sowieso vom ersten Tag an vor sich hergetragen hat. Aber der Track ist gleichzeitig so wunderbar punkig mit dem dafür perfekten, göttlichen Riff und wirkt so geradlinig wütend, dass man sich von der Zeile "We don't give a fuck about your world / With all your global profits, and all your jeweled pearls" nur mitreißen lassen kann. Wer da nicht sofort mit einstimmt, hat selbst zu viel Geld auf dem Konto und wird mit nassen Fetzen, Teer und Federn erwartet. Ungefähr so freundlich und konsequent engstirnig wirkt der Song, das ist allerdings auch dessen größte Stärke.

2.

 

Streamline

 

Steal This Album!
2002

 

Musikalisch mitunter ähnlich angesiedelt, haben wir hier die Antithese zu allem Politischen, mit dem System Of A Down über die Jahre ihre Songs angereichert haben. Zwar zelebriert man die voluminösen, dem Thrash Metal entlehnten Riffs auch hier zeitweise, allerdings ist aus Tankians Gesang ein wehmütiges Flehen herauszuhören, das sich durch alle Tempo- und Lautstärkenwechsel zieht und den persönlicheren, emotionaleren Aspekt des Songs eindringlich betont. Dabei wird man zwar nie darüber aufgeklärt, für wen Tankian denn nicht da gewesen sein will und von wem er sich verabschieden will, allerdings ist es letztlich gerade der Verzicht auf eine balladesque Aufmachung oder allzu erwartbare Ruhe, die den eigenwilligen und berührenden Charakter des Tracks unermesslich verstärkt. Auch wenn es um Verlust und letztlich ein wenig Selbstmitleid geht, darf also ruhig mit gebotener Härte zu Werke gegangen werden, um dem Ganzen den nötigen Nachdruck zu verleihen. Das geht unter die Haut, wenn es so gemacht wird.

1.

 

Chop Suey!

 

Toxicity
2001

 

Okeeeee, ja, das ist billig, gerade den auf Platz 1 zu hieven. Aber abgesehen davon, dass es neben dem Prison Song und ATWA sicherlich der Track der Band ist, der damals in jungen Jahren am ehesten Eindruck gemacht hat bei mir, der ich kaum ein Wort Englisch verstanden habe, ist es auch mit ausreichenden Sprachkenntnissen ein Trumpf-Ass in der Welt von System Of A Down. Es ist der absolute Gipfel des perfekt orchestrierten Theatralik und der plakativ eingesetzten Melodramatik, mit der sich die Band oft genug gespielt hat. Es ist so nebenbei ein unvergessliches Intro, das den insgesamt harmonischsten SOAD-Song einleitet. Wobei man da die mitunter ausdrucksarm harmonisch gestalteten Arbeiten der letzten beiden Alben bewusst aussparen muss, weil Chop Suey! zwar wunderbar melodisch Atmosphäre aufbauen kann, gleichzeitig aber gegenüber anderen Einträgen in dieser Liste nichts an Intensität einbüßt. Und neben all dem bleibt einem sowieso noch der epochale Refrain mit den Zeilen "I don't think you trust / In my self righteous suicide / I cry when angels deserve to die" als erinnerungswürdigster Moment in der alles andere als schwächelnden Diskographie der US-Amerikaner.

Schlusswort:

Die Chancen stehen wohl ganz gut, dass die Auswahl hier nicht jedermanns Geschmack trifft - als wäre das jemals bei irgendeiner Top-10-Liste anders gewesen. Wie es auch sein mag, bleibt einem, lässt man den Blick über die wenigen Jahre der musikalischen Produktivität von System Of A Down schweifen, nur das Urteil, dass da durchwegs mit einem Höchstmaß an Leidenschaft, Hingabe und Kreativität gearbeitet worden ist. Nachweislich nicht immer mit dem Talent oder dem notwendigen Fokus, um geniale Minuten daraus zu formen. Dann aber wiederum oft genug, um eine solche Liste mit Klassikern anzufüllen, die eine relativ große Bandbreite an Reaktionen hervorrufen kann, einen aber mit ziemlicher Sicherheit nicht komplett kalt lassen wird. Schade einerseits, dass vor über 10 Jahren damit Schluss war, andererseits mehr als löblich, dass man es hat bleiben lassen, bevor die Musik in komplett uninteressante Sphären abgedriftet ist. Und trotz nur fünf Alben bleiben genug Songs wie die hier, die man nicht wirklich skippen kann.

 

K-R-I-S-T-O-F-F-E-R Leitgeb, stromlinienförmiger Liebhaber asiatischen Essens


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