MusicManiac Top 10

MusicManiac Top 10 - Linkin Park Songs

Vielleicht ist es nicht der Lieblingsgedanke des geneigten Musikconnaisseurs und es ist sogar sehr gut möglich, dass man es nach den letzten Jahren kaum für möglich hält, aber Linkin Park gelten noch immer als die erfolgreichste Band des neuen Jahrtausends. Natürlich gilt auch hier, dass man Erfolg nicht mit Qualität gleichzusetzen hat, aber der Status als primus inter pares auf der kommerziellen Ebene der 00er-Jahre garantiert zuallermindest, dass meine Generation und ein paar andere nicht unbeeinflusst von dem Sextett geblieben sind. Und nachdem höchstwahrscheinlich die bedeutendste Schaffensperiode der Band hinter uns liegt, ihre Zukunft nach dem Selbstmord von Frontmann Chester Bennington überhaupt in den Sternen steht, lohnt sich wohl ein Blick zurück. Und der hilft dabei festzustellen, dass die Band mehr drauf hatte als geradlinigsten Nu-Metal und dass sie selbst mit ebendem genug anzufangen wusste, um ein bisschen Klassikermaterial unter die Leute zu bringen.

 

erstellt am: 15.11.2018


10.

 

With You

 

Hybrid Theory
2000

 

Pflichtbewusst steht am Anfang der Anfang und damit das Debüt, das sich so oft verkauft hat, dass man mit den verfügbaren Alben wohl die chinesische Mauer nachbauen könnte. Es wird aber auch der einzige Platz bleiben, den "Hybrid Theory" trotz seines Ausnahmestatus in der Diskographie beanspruchen darf. Das hat jetzt weniger damit zu tun, dass die LP so schwach wäre, sondern eher damit, dass den Songs durch die Bank das gewisse Etwas für einen der vordersten Plätze fehlt. Tatsächlich ist aber die Durchschlagskraft selten so groß gewesen wie damals zum Beginn des 21. Jahrhunderts und da wiederum war sie nirgendwo - abgesehen vielleicht von By Myself - so groß wie bei With You. Der Pre-Chorus ist da so kratzig und wuchtig, dass man sich bei entsprechender Lautstärke fast schon ein wenig unwohl fühlt. Überhaupt ist es so, dass man nach dem stolpernden, von Joe Hahns Scratches genussvoll verunstaltetem Intro nicht wirklich das Gefühl hat, als würde da in puncto Energielevel nachgelassen. Währenddessen darf man Bennington und Shinoda zugestehen, dass sie dem glatten und äußerst geradlinigen Song insofern auf die Sprünge helfen, als dass man deren Paarlauf flüssiger als auf allen übrigen Tracks des Debüts erlebt.

9.

 

White Noise

 

Mall: Music From The Motion Picture
2014

 

Back to the future und damit zu einem Song, der ziemlich untergegangen ist. Zum einen liegt das natürlich daran, dass er nur als Single zum Soundtrack für Joe Hahns ersten Feature-Length-Film veröffentlicht wurde, zum anderen an der mangelnden Anziehungskraft der Band anno 2014. Aber White Noise war ein weiterer, ziemlich beachtlicher Beweis dafür, dass sich Linkin Park in der Phase musikalisch wieder wachgerüttelt und zum harten Rock zurückgefunden haben. Großer Vorteil im aktuellen Jahrzehnt war dabei allerdings, dass die Punk-Wurzeln der Band und das zumindest in Maßen abwechslungsreichere Songwriting durchgekommen sind. White Noise punktet mit dem kernigen Stop & Go-Riff, der nicht als dröhnende Wand alles dominiert, punktet mit dem schnellen Spieluhr-Part, der den Refrain einläutet, bietet auch einen durchdringenden Rückblick auf Benningtons druckvollste Tage. Entsprechend ist da Dynamik ohne Ende, es ist ein bisschen gebrüllte Wut, kein unnötiger Rap-Part - no offense, Mike - und es ist allen voran eine Produktion, die alle Bestandteile im richtigen Moment ins Rampenlicht zerrt.

8.

 

Don't Stay

 

Meteora
2003

 

In puncto Songwriting ist das hier zwar das Gegenteil von Abwechslungsreichtum, die dröhnenden Riffwände von Don't Stay adeln den Track aber immerhin zum wohl härtesten, den die Band je abgeliefert hat. Sowas funktioniert nur mit der richtigen Hook, mit der passenden Gesangsperformance und dem nötigen Understatement von Shinoda und Hahn, die Jahre später ohnehin noch genug Songs versauen sollten. Und weil ersteres da ist, Bennington altbekannt aufopfernd singt und Shinoda gleich komplett auf rappende Beteiligung pfeift, ist das einfach ein verdammt starker Alt-Metal-Song, der einem allein aufgrund der Wucht ziemlich durch Mark und Bein geht.

7.

 

Guilty All The Same

 

The Hunting Party
2014

 

Wiederum im Jahre 2014 und damit der Ära der musikalischen Wiederauferstehung der Band. Vorbei die Zeiten von Synth-Rock oder postapokalyptischer Elektronik-Dystopie. Stattdessen war gerade die Leadsingle von "The Hunting Party" das Gegenteil alles ausgeschmückten. Also, ja, da sind Military Drums und ein Keyboard drinnen, es rappt plötzlich Rakim und man braucht jetzt nicht unbedingt an Lo-Fi denken, aber das Gebotene ist schnörkel- und so ziemlich kompromisslos. Mehr noch, es ist das wohl am stimmigsten produzierte Stück Metal, das die Band je abgeliefert hat. Denn die Gitarre klingt sphärisch verzerrt, dominiert in ihrer Mehrspurigkeit alles, ohne dabei irgendwie an Dynamik einzubüßen und wird von jeglicher Elektronik nur äußerst peripher unterstützt. Und auch wenn gesanglich da nicht komplett dagegen gehalten werden kann, hat man immer noch genug Instrumentalparts, um ein musikalisches Fest zu genießen. Das beginnt schon mit diesem großartigen Intro, das kurzzeitig tatsächlich nach Lo-Fi-Produktion klingt und sich aus dem heraus in ein drückendes Stakkato entwickelt, nur um nach kurzer Zeit erst wieder in das hier ziemlich griffige Zusammenspiel aus Keys und Drums zu münden.

6.

 

Faint

 

Meteora
2003

 

Unter all den Tracks, die nach Linkin Park klingen, ist Faint womöglich noch der archetypischste. Zwar lässt sich argumentieren, dass diese Ehre In The End und damit dem durchaus charakteristischen Debüthit gebührt und dass wenige der klassischen Nu-Metal-Songs der Band ähnlich gut klingen wie eben dieser hier. Aber die zweite Single von "Meteora" ist einfach der Gipfel dessen, womit man Anfang des Jahrtausends die Charts dominiert hat. Das hat damit zu tun, dass der Beat nirgendwo sonst so großartig ist und sich dementsprechend auch Mike Shinoda hier bestmöglich einfügt und sich in den Strophen mit ihren geloopten Streichern pudelwohl fühlt, während der Übergang in die natürlich lautstark dahinrollenden Refrains reibungsloser nicht sein könnte. Weniger eine Revolution, sondern eher die Perfektion der eigenen Formel, die mit den Celli und Violinen auch noch das gewisse Etwas findet, um wirklich vollkommen zu überzeugen.

5.

 

Blackbirds

 

8-Bit Rebellion!
2010

 

Das ist der Moment, an dem wir den Nu-Metal hinter uns lassen und ein wenig die Facetten beleuchten, die die Band selten aber doch gezeigt hat. In Anbetracht dessen, wie hoch die Fehlerquote dabei war, ist es womöglich gut so, dass man das meiste davon nicht exzessiv praktiziert hat, gleichzeitig sind aber ein paar Ausnahmesongs gelungen, die nicht dem Klischee des Linkin-Park-Tracks entsprechen. Blackbirds ist als Bestandteil der bandeigenen "8-Bit Rebellion"-App ein Beitrag aus der dritten Reihe und trotz des Minimalismus oder gerade deswegen unglaublich effektiv. Während phasenweise Shinoda aus dem Hintergrund dazugemischt auf einem kahlen Beat rappt, ist es hauptsächlich eine emotionale Darbietung von Chester Bennington, dem man anfangs abgesehen von untersetzten, dumpfen Synthesizern weniger zur Seite stellt und der damit auch dank der richtigen Zeilen ein bedrückend düsteres und resignatives Bild zeichnet. Entgegen gängiger Annahmen wird das sogar noch verstärkt durch die lauter werdende zweite Hälfte, in der spärliche Gitarreneinsätze und Streicher dazukommen.

4.

 

Given Up

 

Minutes To Midnight
2007

 

That scream! 18 verdammt lange Sekunden hält es Chester Bennington aus, ohne seinen an Intensität schwer zu überbietenden Schrei abbrechen zu müssen. Das ist allein für sich schon bemerkenswert, wäre nicht drumherum ein Song, in dem sowieso schon hauptsächlich geschrien und äußerst druckvoll gesungen wird. Man kann zwar behaupten, dass der Hybrid aus Metal und ein bisschen Garage Rock etwas gar geradlinig und laut daherkommt, doch das kernige Röhren der Gitarren, die galoppierende Bassline und natürlich Benningtons erbarmungsloser Auftritt, das vermengt sich zu einer unfassbar effektiven Form des Frustabbaus. Da ist es gerade hilfreich, dass man erst gar nicht nach großen textlichen Spielereien sucht, sondern sich auf das Wesentliche, also das irgendwo zwischen Verzweiflung und zügelloser Aggressivität herumirrende "Put me out of my misery", konzentriert.

3.

 

Across The Line

 

LP Underground 9.0: Demos
2009

 

Alle Jahre wieder haben Linkin Park ihren treuesten Fans mit den Underground-EPs ein bisschen den Zeitvertreib versüßt und einen Einblick in die Demos gewährt, die es entweder in der Form oder gleich gar nicht auf die Alben geschafft haben. Wer sich an einem Haufen mäßiger Instrumentals, halbgarem Stückwerk und unnötig eingestreuten Livetracks nicht satt hören kann, wird seine Freude haben. Der Rest hat das Problem, dass er kaum so lange durchhalten wird, bis er die wenigen, aber überdeutlich herausstechenden Perlen unter all dem Zeug findet. Die strahlendste davon heißt Across The Line und hätte eigentlich "Minutes To Midnight" gewaltig aufwerten müssen. Denn hier gelingt der Verzicht auf erkennbare rockige Bestandteile zu Anfang verdammt gut, weil die pulsierenden Synthesizer - die aufgebaute Atmosphäre ist allein wegen der begrenzten eingesetzten Mittel bemerkenswert - und den trockenen Beat als ideale Szenerie für die angedeuteten Suizidgeschichten fungieren. Die Intensität dessen lässt sich auch mit anschwellendem Arrangement nicht steigern, auch wenn sich gesanglich erneut ein lange nachhallender Schrei ausgeht und der kurze Ausbruch der Gitarren ideal ins Bild passt.

2.

 

My<DSMBR

 

Reanimation
2002

 

Zu Zeiten des Debüts hat man sich wohl nicht getraut, einen Song wie My December auf die reguläre Tracklist zu lassen. So eine ruhige Piano-Ballade inmitten der Riffexzesse? Passt nicht wahnsinnig gut, auch wenn sich der Song an und für sich mehr als hören lässt. Allerdings, und das ist besonders bemerkenswert, ist der Remix, den man für "Reanimation" zusammengezimmert hat, weitaus stimmiger. Weil da kein isoliert und eher klobig eingespieltes Klavier dominiert, weil keine verhallenden, deplatziert wirkenden Scratches dazwischenfunken. Tatsächlich passiert viel mehr, weil zwar der Klavierpart reduziert scheint, gleichzeitig aber ein abgehackter Beat und diverse Elektronikspielereien dazukommen, außerdem dank Kelli Ali aus dem Song zeitweise ein Duett wird. Letzteres trägt weniger zum Gelingen bei, überraschenderweise ist es dagegen Benningtons ruhiger Part, der in dem Soundgewirr viel besser zur Geltung kommt und auch weitaus atmosphärischer wirkt als im etwas biederen und fad reduzierten Original. Da ist einfach so viel kontrolliertes Durcheinander rundherum zu hören, dass man die Verlorenheit in Benningtons Stimme noch weit deutlicher heraushört und damit eine ziemlich großartige und reichlich untypische Elektronikballade erhält.

1.

 

Breaking The Habit

 

Meteora
2003

 

Bereits in der Video-Top-10 ganz vorne gelandet und damit anscheinend zum ewigen Ersten verdammt, steht Breaking The Habit noch einmal relativ weit vor den restlichen Songs in dieser Liste. Es ist eine merkwürdige und unfassbar eindringliche Mischung, die den Song ausmacht. Von Shinoda geschrieben und einem früheren, drogensüchtigen Freund gewidmet, gleichzeitig aber inhaltlich Bennington so nahe, dass der ihn live anfangs kaum singen konnte, ist die eindringliche Stärke auf textlicher Ebene schon eindeutig. Gleichzeitig baut sich rundherum ein eigentlich als Instrumental geplantes, ins poppige abdriftende Soundgewand auf, dessen pulsierender Beat und karge Gitarrenzupfer das ideale Grundgerüst für das darauf aufbauende Zusammenspiel aus Streichern und sphärischen Synthesizern, später auch das tief dröhnende Keyboard bieten. Natürlich steckt in all dem ein Hauch Melodramatik, allerdings auch die nötige Direktheit und Ehrlichkeit, sodass man allein der von Bennington gesungenen Zeilen wegen unweigerlich in den Song hineingezogen und von ihm im bedrückendsten Sinne ummantelt wird.

Schlusswort:

Was bleibt noch zu sagen? Vielleicht, dass man Linkin Park jetzt nicht unbedingt wahnsinnig lieb haben muss, dass ein Funken mehr an Anerkennung für das, was die Band über die Jahre abgeliefert hat, aber gar nicht so schlecht wäre. Andererseits muss neben der Kunst auch die Meinung darüber volle Freiheit genießen, also ruhig weitermachen mit der Geringschätzung. Was man aber ohne Ignoranz feststellen muss, ist der für ursprünglich dem Nu-Metal entstiegene Bands alles andere als selbstverständliche Facettenreichtum, den die Band insbesondere in ihren besten Momenten gezeigt hat. Als Genrehopping geht das zwar noch nicht durch, das ehemalige Sextett hat aber genug Wege gefunden, in die Welt hinausgeschrieene Wut genauso gut klingen zu lassen wie von Selbstzerstörung erzählende Balladen und hat sich irgendwann mit dem trockenen Rock und Metal genauso angefreundet wie mit der reinen Elektronik. Dementsprechend ließe sich eine stattliche Liste an Songs zusammenstellen, die durchaus auch hier landen hätten können, für die ist nur nicht genug Platz. Insofern und in der Hoffnung, vielleicht den einen oder anderen gefallenden Song hervorgekramt zu haben ein kurzer, schmerzloser Abschied.

 

Kristoffer Leitgeb, Linkin-Park-Beeinflusster der ersten Stunde


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