Es ist endlich so weit, der Sommer hält Einzug über Mitteleuropa. Die Ausschnitte werden tiefer, die Röcke kürzer, die Hormone sprudeln wie aus wütenden Geysiren. Grund genug also, unserer liebsten Jahreszeit mit einem adäquaten Beitrag Tribut zu zollen. Unter abertausenden von potenziellen Sonnenschimmern, die jeden sommerlichen Tag bereichern würden, habe ich mir nun jene LPs herausgepickt, die dem heurigen Sommer eine ganz besondere Klangfarbe geben können und unsere Freude an tropischen Temperaturen nur weiter in die Höhe treiben. Also dann, sonniger Spaß beim Entdecken und wieder einmal die Aufforderung, eure liebsten Sommer-LPs zu listen, die ihr derzeit und in den nächsten Wochen noch rauf und runter hört!
10.
Saturdays = Youth
M83
2008
Ein Blick auf das Artwork ihrer fünften LP genügt bereits, um sich in den unbeschwerten Dream-Pop-Sphären der Franzosen zu verlieren. Ganz egal, ob in den hymnenhaften Singles Kim & Jessie und Graveyard Girl, oder bei den träumerischen Ambient-Klanglandschaften vom Highway Of Endless Dreams, M83 fangen den Zauber des Sommers in dieser kompakten Stunde voller schwelgerischer Schönheit und juveniler Unbekümmertheit mustergültig ein. Da schmerzt der Umstand auch nicht so sehr, dass auf Saturdays = Youth nicht jedes einzelne Stücke so recht überzeugen will, denn es ist es vor allem dieses sommerlich vergängliche Ergreif-den-Moment-und-nutze-ihn-Gefühl, das den großen Reiz des Albums ausmacht und ihm für die kommenden Momente unbedingt einen Platz in der Nähe des Plattentellers sichern sollte.
Überragender Track: Kim & Jessie
9.
Getz/Gilberto
Stan Getz & Joao Gilberto
1964
Einmal quer über den Atlantik und ab zu einer der fruchtbarsten Symbiosen, die Nord- und Südamerika je eingegangen sind. Mit ihrem herrlich schwebenden Bossa Nova nahmen der Amerikaner Getz und der Brasilianer Gilberto nicht nur eine der bestverkauften Jazz-LPs aller Zeiten auf und räumten den Grammy für das Album des Jahres ab, sondern empfahlen sich mit ihren zurückgelehnten Arrangements und sanften Melodien für den Soundtrack eines perfekten Sommers. Besonders im einleitenden The Girl From Ipanema, das Gilbertos damaliger Frau Astrud die Tür zu Weltruhm ebnen sollte, brillieren die Musiker und verschmelzen zu einer inspirierenden, hingebungsvoller Einheit. Wer dieses Schmuckstück nicht ohnehin schon in Papas Plattenschrank rumstehen hat, sollte hier rasch reagieren.
Überragender Track: The Girl From Ipanema
8.
Eigentlich bietet sich für diese Liste ja nahezu alles an, was die amerikanischen Pop-Punker seit der Ankunft von Ryan Key in die Läden gebracht haben. Voll von vergänglichen Liebesgeschichten und nostalgischen Erinnerungen umwoben, schmiegen sich die mitreißenden Pop-Melodien und die charakteristische Violine an die berührenden Texte der Band, die irgendwie immer eher in Richtung Vergangenheit abdriften lassen. Diesen Sommer ist es die nunmehr achte LP, die man sich unter keinen Umständen entgehen lassen sollte. Passend zum Artwork bietet das Quartett hier genau jene (herz)wärmenden Qualitäten auf, die Yellowcard ausmachen. Ob im reumütigen Rivertown Blues, im befreienden Always Summer oder in den hellen, sonnigen Riffs vom mächtigen Titeltrack, Southern Air ist eine Bereicherung für jede strahlende Minute einer umwerfenden Jahreszeit.
Überragender Track: Southern Air
7.
Workingman's Dead
Grateful Dead
1970
Wie so vieles, das die sonnigen 60s und 70s im Country-Terrain hervorgebracht hatten, ist auch der Grateful Dead-Ausflug in Americana-Gefilde hervorragend für die Sommermonate geeignet. Während sich im Zuge der Rückbesinnung auf amerikanische Tugenden auch die prominentesten Bands einem countryesken Sound annäherten, mischten auch die Jungs um Jerry Garcia ordentlich mit. Zwischen herrlich beschwingtem Country-Rock und beseelter Ballade balanciert das umtriebige Gespann über schmachtende Pedal Steel-Sounds, quirrlige Banjos und Geschichten, die direkt aus dem wilden Westen überliefert sein könnten. Auch wenn im selben Jahr mit American Beauty der nächste Geniestreich folgte, ist es einfach diese LP, die die sommerliche Hitze richtig transportiert und heuer auf keinen Fall fehlen darf.
Überragender Track: Uncle John's Band
6.
Nicht annähernd seine beste Leistung auf Albumlänge, steht Kaya jedoch für King Bobs entspannteste, lockerste und insgesamt einfach sommerlichste Darbietung. Mit einer Gute-Laune-Hymne wie Sun Is Shining macht bereits das Aufstehen einen Höllenspaß, ganz egal welche Temperaturen da draußen warten mögen, die erfrischenden Bläser geben dem typischen Reggae-Sound eine zusätzliche Ebene der zurückgelehnten Beschallung. Wer sommerliche Gefühle mit jener der Entspannung gleichsetzt, ist in Marleys Diskographie ohnedies gut aufgehoben, mit diesem konsequenten Kleinod bist du aber bestens bedient, wenn Sommer und Sonnenschein dich mal wieder herausfordern, ihnen mit der größtmöglichen Gelassenheit entgegenzutreten.
Überragender Track: Is This Love
5.
Der nächste Ausflug in sommerliche Wohlfühlsphären führt uns nach Schweden, zum schwesterlichen Duo First Aid Kit. Deren zweite LP The Lion's Roar kommt besonders in den späten Sommermonaten, wenn sich der Herbst langsam anbahnt, perfekt zur Geltung. Mit Stücken wie dem berührenden Emmylou Harris-Tributsong oder dem schwungvollen Titeltrack und seinen perfekten Harmoniegesängen entführen die beiden in entfernte, mystische Welten und treffen mit ihrem countryesken Folk-Sound direkt ins Schwarze. Gerade in diesem Jahr, das bislang in Sachen zauberhafter Brisen und umwerfenden Dämmerungen keine Wünsche offen ließ, werden die Söderberg-Schwestern und ihr zweites Album zum Dauerbrenner, versprochen!
Überragender Track: Emmylou
4.
Eines der legendären Alben des Altmeisters der Singer-Songwriter-Schule. Auch hier reicht das Artwork bereits, um sich in imaginären Weiten direkt an der Ernte zu beteiligen. Die zehn Stücke, die der Kanadier mit Harvest präsentiert, verbreiten zwar nicht die optimistische Stimmung, die der Sommer so mit sich bringt, wird in seinen beiden Stücken mit der Unterstützung des London Symphony Orchestra sogar ziemlich dramatisch, transportiert aber nichtsdestotrotz erfrischend sommerliche Vibes. Die Pedal Steel jault, die Harmonika quält sich, während Young einige seiner stärksten Stücke, darunter das vielgeliebte Heart Of Gold, abliefert. Entgegen der Ansicht vieler nicht seine beste LP, aber für den diesjährigen Sommer unverzichtbar!
Überragender Track: Harvest
3.
Irgendwie schaffe ich es ja doch immer, eine Platte mit Gram-Parsons-Beteiligung in diese Disziplin zu schmuggeln. Aber wie könnte man Sweetheart Of The Rodeo, den wunderbaren Auftakt zum Byrds'schen Country-Intermezzo, an dieser Stelle auch ruhigen Gewissens übergehen. Eine LP, die so vollgepackt mit Sommer und Sonnenschein zu sein scheint, voll wärmender Nostalgie in Parsons grandiosem Hickory Wind, beim brutzelnd schmachtenden You Don't Miss Your Water oder im beschwingten Blue Canadian Rockies. Wie abgeklärt der junge GP als Teil der etablierten Folk-Könige auftritt, ist schon beeindruckend, auch der Rest der Truppe zeigt sich von seiner besten Seite auf diesem einflussreichen Stück Weltkulturerbe, das das Rodeo zu dir nach Hause bringt.
Überragender Track: Hickory Wind
2.
Auch wenn einige hier ob des Status der Magical Mystery Tour, die im UK als Doppel-EP und nicht als LP veröffentlicht wurde, die Köpfe schütteln mögen, dieses kleine Schmuckstück steht hier schon ganz richtig. Und das, obwohl sich eigentlich der gute alte Sgt. Pepper als zentrales Stück des Summer of Love und somit als Blaupause jedes Sommeralbums anbieten würde. Aber dieser psychodelische Trip mit seinem epochalen Strawberry Fields Forever, dem liebenswürdigen All You Need Is Love, der Hippie-Hymne schlechthin, oder den zauberhaften Melodien vom Pop-Meisterstück Penny Lane, bietet trotzdem noch eine Ecke mehr behaglicher Güte - da tut es auch wenig zur Sache, dass diese Stücke erst auf der US-Veröffentlichung den Weg aufs Album geschafft haben.
Überragender Track: Penny Lane
1.
Wenn sich jemand die Pole-Position in dieser Kategorie verdient hat, dann die legendären Surf-Popper aus sunny California. Und wie! Eigentlich könnte man ja nahezu jede einzelne LP der Amis an dieser Stelle auf das Siegertreppchen heben, aber Summer Days (And Summer Nights!!) bietet genügend Argumente, sich diese Ehre redlich zu verdienen. Zum einen stellt das Album den Übergang vom Strand-affinen Frühwerk der Gruppe hin zum perfekten Pop der späten 60er hin, zum anderen feiert das herrlich sommerliche Stück heuer seinen 50. Geburtstag. Und was diese LP, deren Cover von ungeschränktem, wolkenlosem Vergnügen am Meer träumen lässt, auch für Vorzüge aufzuweisen hat. Mit sommerlichen Tunes wie Help Me, Rhonda, dem Bandklassiker California Girls oder dem Phil Spector-Hit Then I Kissed Her, deuten die Goldkehlchen wie schon am Vorgänger Today! an, was mit dem nächsten Album Pet Sounds Realität werden sollte: mustergültiger Pop, der in diesem Fall noch die die wärmende Herrlichkeit der Sonne bestens einfängt. Den perfekten Sommer hat man ohnehin nur mit den Beach Boys, diese spezielle LP sollte heuer aber ganz knapp am Plattenteller Platz nehmen und von dort nicht mehr verschwinden.
Überragender Track: Help Me, Rhonda
Schlusswort:
... und schwupps endet eine kleine, aber feine Reise inmitten sommerlicher Hymnen, aufreibender Gefühlen und Wärme verströmender Kunst zwischen Pop, Country und Folk. Freilich könnten an dieser Stelle unzählige anderer passender Alben stehen, zudem habe ich bei der Auswahl nicht die qualitative Güte der Werke in den Fokus gestellt, sondern ihre Wirkung auf den diesjährigen Sommer oder der heißgeliebten Jahreszeit allgemein. Insofern sollte diese Liste weniger als ein in Stein gemeißeltes Ranking dienen, denn als Zusammenstellung fabelhafter sommerlicher Vibes, die das passende Lebensgefühl vermitteln, und natürlich als uneingschränkte Empfehlung - zum Kaufen, zum Hören, zum Genießen. So kann der perfekte Sommer kommen und noch perfekter werden. Mit diesen Worten lege ich den einzigartigen Summer of '15 in eure Hände und verabschiede mich in die wohlverdiente Sommerpause, farethewell folks!
Mathias Haden, Little Mister Sunshine