Man kennt sie als die legitimen Nachfahren der Dubliners und Pogues, als des Pub-Besitzers liebste Hintergrundbeschallung oder auch nur als Flogging Molly. Auf alle Fälle sollte man die US-Amerikaner mit dem irischen Frontmann kennen, wenn man ein wenig Irland in seinem Punk drinnen haben will. Zwar führt kein Weg vorbei an der Feststellung, dass das mit dem Punk seit längerer Zeit nicht mehr die dominante Rolle zu spielen scheint und stattdessen der Folk und gediegener Rock immer wichtiger werden, so oder so hat die Band aber hinlänglich bewiesen, dass mit ihnen an allen für einen ordentlichen Song nötigen Fronten zu rechnen ist. Das heißt politische Texte, wehmütige Erinnerungen an die alte Heimat, meist vom ausgelutschten Kitsch befreite Arrangements und die nötige Energie für eine explosive Umsetzung. Irgendwann sind daraus Top-10-Platzierungen in den USA geworden, von denen man sich mittlerweile wieder verabschiedet hat. Geblieben sind die mächtigen Lieder, die Dave King oft genug geschrieben hat.
erstellt am: 15.12.2018
10.
The Kilburn High Road
The Kilburn High Road ist eher zufällig der ideale Einstieg in diese Liste, weil es ein archetypischer Song der Band ist, wie es wenige andere so eindeutig sind. Entsprechend mangelt es dem Track ein wenig an der speziellen Note, die ihn aus dem Frühwerk der Band wirklich herausstechen lassen könnte. Das gilt allerdings nur so lange, bis man die geniale Hook hört und sich Bridget Regan mit ihrer Tin Whistle vorstellt. Die Dame hat auch ohne jegliche Verwurzelung auf der grünen Insel die hehre Aufgabe, den keltischen Anteil am Sound zu besorgen. Das gelingt eigentlich souverän, hier wie auch sonst fast überall. Dass es hier ohne die Fiddle, dafür eben über die Flöte passiert, schadet nicht, weil es einen etwas leichteren, melodischeren Klang bedeutet, galoppierenden Drums und ordentlichen Riffs zum Trotz.
9.
Saints & Sinners
Die fünfte Studio-LP von Flogging Molly ist nicht unbedingt ihre überzeugendste. Klingt alles etwas zu gleich und schleppend und zerbricht am Vergleich mit vorangegangenen Großtaten. Saints & Sinners ist dieser Befund komplett wurscht und deswegen sorgt der Song mit der Mischung aus Banjo und Akkordeon, die dem klassischen Rock-Line-Up Paroli bietet, für den lebhaftesten Moment der LP. Dass sich der generell weniger lebensbejahende Touch des Albums in drückenden, der Dynamik etwas entrückten Riffs niederschlägt und auch King nicht mit letztem Nachdruck zu singen scheint, stört auf diversen anderen Songs, hier allerdings nicht. Spätestens mit der genial ausgestalteten, kristallklar ertönenden Bridge ist das eine Vorstellung, die volle Aufmerksamkeit verdient und im Finale dann doch noch die nötige Kraft aufbringt, um sich auf Dauer einzubrennen und alle Vorbehalte wegzuwischen.
8.
With A Wonder And A Wild Desire
"Within A Mile Of Home" war ein bisschen der Anfang vom Ende der irisch-amerikanischen Herrlichkeit. Das hat aber weniger damit zu tun, dass sich nichts Großartiges darauf hätte finden lassen. Die Pausen dazwischen und die Minuten der relativen Ruhe und zurückhaltenden Beschwingtheit waren nur zu häufig. With A Wonder And A Wild Desire kommt auf der Tracklist spät, fast zu spät, als dass man es noch mit voller Aufmerksamkeit hören würde. Allerdings ist es so schön zwischen zwei ungebetenen Ruhepausen eingebettet, dass es nach dem für Flogging Molly schon traditionellen, langsamen Akustikintro mit dem nötigen Tempo und genug Nachdruck an der Gitarren- und Drumfront umgehend überzeugt. Wirklich entscheidend ist allerdings erst der großartige Refrain, der nicht nur durch die Violine und das Akkordeon erstrahlt, sondern einfach dank seiner Hook.
7.
Crushed (Hostile Nations)
Life Is Good
2017
Es war eine verdammt lange Pause bis zur letzten LP der Band und sogar eine so lange, dass man sich allen Ernstes zu einem Titel wie "Life Is Good" hat hinreißen lassen. Süßlicher Optimismus begegnet einem trotzdem selten, auch wenn die punkigen Tage endgültig gezählt zu sein scheinen und stattdessen der Mid-Tempo-Rock, hauptsächlich in seiner folkigen Variante, das bevorzugte Spielfeld geworden ist. Das sorgt für zeitweilige Schwierigkeiten, aus denen sich aber vor allem Crushed bestmöglich heraushält. Zwar sind auch da dickwandige Power Chords in den Strophen nicht gewünscht, stattdessen regieren dort Military Drums, Regans Doppelrolle als Geigerin und Flötistin und ein trabender Bass. Doch der Refrain reißt spätestens ab Songhälfte in alter Manier an und wartet mit kraftvollen Chants auf, in denen auch King zu alter Stärke zurückfindet. All das ist gut, wird aber erst so richtig denkwürdig durch das geniale Dudelsack-Intro, das die stimmungsvolle Songeröffnung, die die Band so oft geboten hat, einmal unter anderen Vorzeichen aufbereitet.
6.
Man With No Country
Float
2008
Band with some country, könnte man mit Faible für schlechte Wortwitze festhalten. Tatsächlich bricht nämlich auf "Float" endgültig eine gewisse Vorliebe für Johnny Cash durch und manches zeigt Tendenzen, in Richtung Country-Rock abzubiegen. Man With No Country merkt man das trotz prägnantem Akkordeon und Violinklängen deutlich an. Dafür ist tatsächlich weniger das Banjo, sondern eher die Rhythm Section verantwortlich, die sich in den Strophen am erdigen Rock orientiert, um im Refrain erst wieder ein höheres und zusammen mit der Gitarre punkigeres Gesicht zu zeigen. Zwar zügelt man sich da selbst und bleibt dem vollwertigen Arrangement verpflichtet, begräbt also nichts unter dröhnenden Riffs, ordentlich Gas gegeben wird aber trotzdem.
5.
Drunken Lullabies
Drunken Lullabies
2002
Ja, sie haben tatsächlich auch Musikvideos gemacht! Selten genug, selten auch wirklich gute und noch seltener für ihre besten Songs, zumindest beim Titeltrack ihrer zweiten LP ist es allerdings gelungen. Der wird seinem Titel insofern gerecht, als dass es ein Song ist, der nirgendwo besser aufgehoben scheint als in einem Irish Pub. Damals war dementsprechend noch stampfende Lautstärke Trumpf, die Gitarre wurde malträtiert und ihr somit wunderbarste Riffs entlockt, die sich jetzt nicht wirklich für einen Schönheitspreis empfohlen hätten, dafür aber den Boden in Bewegung versetzt haben. So will man das und nur so.
4.
Devil's Dance Floor
Swagger
2000
Als einem der absoluten Fanfavoriten gebührt auch Devil's Dance Floor die Anerkennung, seinem Titel im besten Sinne gerecht zu werden. In Wahrheit ist es ein Dance-Track für Irish Punker und lädt somit weniger in den nächsten Club, sondern eher zum Moshpit ein. Nachdem der aber potenziell schmerzhaft und ganz generell irgendwie dämlich ist, kann man genauso gut mit Irish Dance anfangen, wenn die Drum Sticks und die Tin Whistle den Song eröffnen. Diesem großartigen Intro folgt ein gitarrenlastiges Feuerwerk, in dem Tempo und Energie alles sind, in dem aber trotzdem die verführerisch einfach Melodie nie verloren geht.
3.
Queen Anne's Revenge
Within A Mile Of Home
2004
Hiermit bestätige ich ein nicht ganz intendiertes Muster. Queen Anne's Revenge ist nämlich die natürliche Steigerung der beiden vorangegangenen Einträge. Textlich ist nämlich auch die Erzählung von Blackbeards Schiffchen keine tiefsinnige Angelegenheit, das düstere Sea Shanty mit dem harten, abgehackten Riff und dem ultimativen Stampfer-Beat ist allerdings gleichzeitig eine Offenbarung für alle jene, die Flogging Molly in ihrer kraftvollsten Form erleben wollen, ohne gleich ganz auf den eigenwilligen Touch durch Akkordeon und Violine zu verzichten. Der wirkt allerdings marginalisiert im Vergleich zu vielen anderen Tracks, allein schon weil die übrige Band unerbittlich dahingaloppiert und sich keine Pause gönnt.
2.
Selfish Man
Swagger
2000
Was mit "I don't eat I just devour / Everyone in every hour / All is me, is all I need and that's all that I care" beginnt, kann schon nicht mehr schlecht enden. Und tatsächlich ist
Selfish Man die vollendete Form des Flogging-Molly-Songs und schafft es auf tatsächlich unnachahmliche Weise Bridget Regans elegantes Fiddlespiel mit den treibenden Drums, den kratzigen Riffs und
Dave Kings kernigem, ausdrucksstarkem Gesang zu verbinden. Abstriche muss man folglich nicht die geringsten machen, im Gegenteil ist es ein Genuss, wenn alle Zahnräder so reibungslos ineinander
greifen und noch dazu das Egoisten-Lamento so großartig getextet wirkt.
1.
Black Friday Rule
Swagger
2000
Es gibt aber immer noch diesen einen Song, der besser ist als der beste. Black Friday Rule verdient sich diesen Titel und wenn ich das einmal über einen Siebenminüter sage, dann heißt das einiges. Der Track ist in Wirklichkeit zuallererst eine lyrische Perle, die einen wehmütigen und schmerzhaften Blick auf Dave Kings Vergangenheit darstellt. Zumindest ist das eine der Interpretationen, die neben Gedanken an den tatsächlichen Schwarzen Freitag besteht. Was auch immer dahinter steckt, King porträtiert eine deprimierende Ausweglosigkeit, quasi in einem Leben ohne Zuhause, macht das alles so leidenschaftlich, wie es ihm nur möglich ist. Umso bemerkenswerter ist, dass sich rundum nicht etwas gezwungen atmosphärische Ruhe einstellt, sondern Dennis Casey ohne Unterlass an seiner Gitarre werkt und mehr als ein einwandfreies Solo zum Besten gibt. Auf klangliche Spezialitäten wird dabei verzichtet, was den Song aber nur umso karger und damit emotionaler, letztendlich also umso beeindruckender wirken lässt.
Schlusswort:
Flogging Molly sind cool! Dieses Sextett ist einfach elendiglich gut darin, gleichzeitig unterhaltsam, gedankenreich und musikalisch ziemlich feinsinnig zu arbeiten. Zwei dieser Eigenschaften sind über die Jahre erhalten geblieben, wobei gerade die Unterhaltung heutzutage etwas oft fehlt und im Einklang damit auch das Gespür für die starken Arrangements ein bisschen verloren gegangen zu sein scheint. In den guten, alten Tagen war das noch weit weg und es sind konstant starke Alben entstanden, aus denen man beinahe wahllos Songs herauspicken konnte und man hätte immer eine überzeugende Performance geboten bekommen. Und sowas macht sich mit der coolen Instrumentierung eben schon sehr gut, wohl auch noch in vielen Jahren.
Kristoffer Leitgeb, man with no country and happy with it