MusicManiac Top 10

MusicManiac Top 10 - Die besten Alben 2015

Ach du liebe Zeit, schon wieder ein Jährchen vorbei. Mit verhältnismäßig wenig Krach endet ein Annus voll von Wutbürgern, Gutmenschen, ewigen Flüchtlingsdebatten und dem üblichen Kulturpessimismus. Ach ja, Musik gab es natürlich auch. Neue Musik; neue Musik, die älter klingt als ihre Vorbilder; alte Musik, die neuverpackt, neuremastert oder neuentdeckt das trübe Licht der Plattenladen erblicken durfte - und selbstverständlich auch richtig gute Musik. Von neuen Hoffnungen, alten Helden und dem ganzen Gesocks zwischen diesen Extremen. Wir von MusicManiac haben uns dies jedenfalls zum Anlass genommen, uns in rege Diskussionsrunden zu stürzen und erstmals unsere Lieblinge eines Jahrgangs vorzustellen. Erst flogen Stühle durch die Luft, dann wurden Tränen zusammen vergossen und schließlich Kompromisse eingegangen. Auf das Resultat sind wir jedenfalls richtig stolz und präsentieren es nun in aller Ehrfurcht - hier die Top 10 von 2015!

erstellt am: 09.01.2016


 

10.

 

Quite A Feelin'

 

Barna Howard

Barna Howard - Quite A Feelin'

M: Das beste Country-Album kam im letzten Jahr weder aus Texas, noch aus Tennessee, sondern aus Portland, Oregon. Zum neuen Star der Szene wird es Barna Howard wohl auch deshalb nicht bringen, zudem braucht er - neben besserer Promotion - auch erst mal einen Wikipediaartikel. Seine zweite LP weiß nichtsdestotrotz richtig zu gefallen, mit seinen persönlichen Texten, feinstem Fingerpicking und ordentlichem, niemals ins Kitschige abdriftendem Country-Appeal legte der Singer-Songwriter die Weichen für eine Karriere, die noch viel Gutes verspricht!

 

Überragender Track: Bitter Side Of Blue


 

9.

Courtney Barnett - Sometimes I Sit And Think And Sometimes I Just Sit

D: Powervoll und rotzfrech. Egal ob der sleazy Gesang, die aufwirbelnden Gitarrenriffs oder der tongue-in-cheek Gedankenstrom, wenn Courtney Barnett dann einmal nicht bloß sitzt, sondern tatsächlich auch denkt. Dass das wilde Görchen aber auch ruhiger, fast schon anmutend kann, zeigt sie u.a. in einem der stärksten Momente des Albums, Depreston. Über volle Spielzeit stellt sich vor allem das wohlwollende Verdikt ein, dass man es mit einer köstlichen Songwriterin auf einem mehr als erquicklichem Rockalbum mit beachtlichem Tiefgang zu tun hat.

 

Überragender Track: Kim's Caravan


 

8.

 

Currents

 

Tame Impala

Tame Impala - Currents

D: Die Psychedelic-Rocker aus Down Under folgen dem Trend, kreative Ergüsse in Anlehnung an 80s-Synth- bzw. Dance-Pop wirken zu lassen. Dadurch weichen Gitarren in den Hintergrund und machen Platz für ein etwas einheitliches Klangmuster aus Kevin Parkers umherschwirrenden Stimmen im elektrisch aufgeladenen Raum aus verdumpften Discohooks und verschwimmenden Keyboardakzenten. Opener Let It Happen hält dabei mit seinen acht transzendeten Minuten verträumtem Beat-Shuffle als überragendes Beispiel für Parkers Ideenreichtum her. Zusätzlich kramt er mehr als einmal erfolgreich in seiner Trickkiste und präsentiert trotz der einheitlichen musikalischen Codierung einen durchwegs abwechslungsreichen Geräuscheschmaus.

 

Überragender Track: Let It Happen


 

7.

 

The Epic

 

Kamasi Washington

Kamasi Washington - The Epic

D: Unbeschriebenes Blatt my ass. Bevor es zu dem unglaublichen 174-Minuten-Album (!) kam, wirkte Washington bereits bei den Kritikerlieblingen You’re Dead! von Flying Lotus sowie To Pimp a Butterfly von Kendrick Lamar mit, um nur aktuelle Gastauftritte aufzuzählen. Auf diese Halbprominenz in Hip Hop-Gefilden fußend, begibt sich Washington auf eigene losgetretene Pfade und erforscht dabei eine Reihe an Möglichkeiten. So erinnert er periodisch an verschiedene Phasen des Saxophon-Giganten John Coltrane, flirtet mit Soul und Funk, besorgt sich starke R&B-Vocals und flechtet immer wieder Chöre sowie harmonische Streicherkompositionen mit ein. Dramaturgisch macht Washington auch einiges – so dies bei drei Stunden Musik eben möglich ist – richtig, indem er auf eine gesunde Abwechslung der Stile setzt und erholsame Ruhephasen zwischen wilden Sturmläufen installiert.

 

Überragender Track: Re Run Home


 

6.

 

Primrose Green

 

Ryley Walker

Ryley Walker - Primrose Green

M: Schon letztes Jahr sollte der vielseitige Singer-Songwriter aus Illinois mit Debüt-LP All Kinds Of You erste Ausrufezeichen setzen, prompt überbietet er sich mit diesem brillanten Nachfolger und ergänzt seinen organischen Sound um fruchtende Nuancen. Zwischen Van Morrison, Nick Drake und Jeff Buckley; Folk, kosmischen Jazz- und Psychedelic-Tupfern und bluesigen Arrangements brettert der formidable Musiker zudem noch einige unsterbliche Gitarrenlicks hin, dazu besticht auch das Songwriting über die volle Spielzeit. Und dann noch dieses Artwork...


Überragender Track: Primrose Green


 

5.

 

What A Terrible World, What A Beautiful World

 

The Decemberists

The Decemberists - What A Terrible World, What A Beautiful World

M: Was für eine Überraschung, eine MusicManiac-Liste mit den Decemberists. Aber - wie immer - nur gerechtfertigt! Anfangs noch kritisch beäugt, sollten sich die Qualitäten des mittlerweile siebten Studiowerkes schon bald in aller Farbenpracht offenbaren und nachhaltig weiterblühen. Zuerst entschuldigen sie sich für den Umstand, wonach Stagnation in der Bandentwicklung eine eher untergeordnete Rolle zukommt, danach brillieren sie wieder einmal zwischen Folk, Pop und einer Prise Hard-Rock. Geschichten werden zwar weniger erzählt, dafür liefern Barna Howards Nachbarn aus Portland erneut beschwingte Melodien, ordentlich austarierte Arrangements und instrumentale Klasse.

 

Überragender Track: Lake Song


 

4.

 

Art Angels

 

Grimes

Grimes - Art Angels

M: Wenn es irgendein Künstler im vergangenen Jahr erfolgreich zu Wege gebracht hat, die Termini 'Art' und 'Pop' zu vermählen, dann ohne Zweifel Grimes mit ihrer vierten LP. Auf diesem kokettiert die kanadische Exzentrikerin nicht nur als gereifte Songwriterin, sondern auch als respektable Produzentin. Dabei stellt sie ihre Zuneigung für tanzbare 80s Synthie-Tunes genau so unter Beweis, wie ihren unverkennbar charmanten Hang für Extravaganz. Claire Boucher alias Grimes lässt in Chinesisch singen, fegt zu Sailor Moon-esquen Clubbangern über den imaginären Dancefloor und hat dazu einige der unwiderstehlichsten Hooks des Jahres mit im Gepäck. Ein auf angenehm interessante Weise artifizielles Versprechen für die Zukunft und ein Album, das in Sachen Pop-Ästhetik unerreicht blieb.

 

Überragender Track: Kill V. Maim


 

3.

 

Carrie & Lowell

 

Sufjan Stevens

Sufjan Stevens - Carrie & Lowell

D: Oh, der gute alte Sufjan. Opium für die Schlaflosen und Schlafsuchenden zugleich. Wenn sich das hauchzarte Stimmchen auf die nicht minder empfindliche Instrumentierung legt, ist es um mich in liegender Position schnell geschehen. Selbst schuld, denn Stevens magaziniert sein neues ätherisches Werk mit einer Fülle an instrumentalen Nuancen auf, die es erst nach und nach mit Freuden zu entdecken gilt. Textlich geht es ohne Umschweife direkt in die hintersten Kämmerchen Stevens' Kopfes. So unnahbar, dass es schmerzt, erzählt er von seiner drogenabhängigen und bipolaren Mutter, Carrie, die 2012 gestorben ist und ihn niemals akzeptierte sowie von den Zeiten mit seinem Stiefvater, Lowell. It’s not a comedy.

 

Überragender Track: Drawn To The Blood


 

2.

 

Have You In My Wilderness

 

Julia Holter

Julia Holter - Have You In My Wilderness

M: Zugänglichere Musik zu schaffen, ging bislang nur in den wenigsten Fällen auch damit einher, die musikalische Güte in proportionalen Verhältnissen mit nach oben zu ziehen. Julia Holter glückt dies mit Have You In My Wilderness auf ganz besondere Art und Weise. Ohne je von ihrem enigmatischen Erzählcharakter abzuweichen, gelingt ihr trotzdem das Kunststück, ein Fünkchen Pop-Appeal in ihre sperrigen Geschichten einzuschleusen. Holter erzählt vom Regen in Mexiko, von mystischen Traumsequenzen und von Sehnsüchten, setzt ihre Stimme effektiver ein und überrascht mit musikalischem Facettenreichtum, der gemessen an ihren vorherigen Alben zwar als zugänglicher, aber längst nicht als massenkompatibel durchgeht. Dabei reichen doch die paar entzückenden Saxophon-Töne vom großartigen Sea Calls Me Home, um auch die zerrüttetste Familie wieder zu einen. Ach...

 

Überragender Track: Sea Calls Me Home


1.

 

To Pimp A Butterfly

 

Kendrick Lamar

Kendrick Lamar - To Pimp A Butterfly

D: "From a peasant to a prince to a motherfucking king". (Spätestens) das tadellose Konzeptalbum good kid, m.A.A.d city bestätigt mit starken klassischen Beats sowie der chronischen Darstellung des Lebens eines jungen Afroamerikaners in Compton das unleugbare Talent des jungen K. Lamar. 2015 weicht er ein paar Schritte zurück, um sich mit dem größeren Ganzen zu beschäftigen und ein Album für die Ewigkeiten zu schaffen, wie er selbstbewusst sagt. Dabei gelingt Lamar ein unendlich faszinierender Black Music-Hybrid, der einen Strudel aus Hip Hop, Jazz, Funk und Soul erzeugt und diese Ströme jeweils unterschiedlich ineinander schichtet. Hinzu kommen abermals eindrucksvolle Texte, die sich mit der nahen Vergangenheit und der gegenwärtigen Situation der Black Community in den USA auseinandersetzen und ein sehr wandlungsfähiger Rapper, dessen wutentbranntes The Blacker The Berry, wie auch der exzellente Rest der LP, jedes Mal aufs Neue zutiefst aufwühlt.

 

Überragender Track: The Blacker The Berry


Schlusswort:

Es spricht sicherlich für ein Musikjahr, wenn man unmittelbar nach seinem Ende schon nostalgische Gefühle dafür hegt. 2015 geizte nicht mit seinen Reizen, brachte uns fantastischen Pop, zauberhaften Folk und einen neuen König des Rap. Auch wenn es schwieriger als gedacht war, sich auf die zehn essenziellen Veröffentlichungen des Jahres zu einigen, können wir nur noch einmal betonen, wie zufrieden wir mit dem Ergebnis sind. Zu den knapp gescheiterten zählen jedenfalls u.a. Joanna Newsom, Vince Staples und Jamie xx. Damit verabschieden wir uns in der stillen aber berechtigten Hoffnung, 2016 möge genauso gewinnbringend einlaufen. Wie auch immer, Prosit, Prosit und eine Erinnerung an die Kommentarfunktion ein paar Zentimeter weiter unten. Bis bald, eure

 

Daniel Krislaty & Mathias Haden

 


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