Wir Sind Helden - Bring Mich Nach Hause

 

Bring Mich Nach Hause

 

Wir Sind Helden

Veröffentlichungsdatum: 27.08.2010

 

Rating: 7 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 11.09.2013


Weniger Synthie, dafür umso mehr Pop und, man mag es kaum glauben, charakterliche Reife.

 

Ist es nicht schön zu sehen, wenn die Kinder langsam erwachsen werden? Drei Jahre Pause waren für die Band rund um Judith Holofernes genug, um sich so weit von Tönen à la Gekommen Um Zu Bleiben zu entfernen, dass man ihnen fast schon Altersweisheit ankreiden will.

 

Dabei sind die ja gar nicht so alt. Aber es genügt wohl auch, wenn in der Zwischenzeit zwei Leute in der Band Kinder bekommen, damit die Mischung aus jugendlicher Frische und kindischem Blödsinn früherer Tage langsam verschwindet. Doch um nicht unfair zu sein, die ernsten Momente gab's auch schon auf den Vorgängern (Darf Ich Das Behalten bleibt da in positivster Erinnerung). Trotzdem, vor allem die musikalische Entwicklung, weg vom bekannten Keyboard-Sound hin zu klassischeren Instrumenten wie Akkordeon und Streichern, imponiert eindeutig. An alte Tage erinnern stilmäßig die wenigsten Tracks. Am ehesten noch die Single 23.55: Alles Auf Anfang, die am ehesten den schrägen Humor und insbesondere die Energie vergangener Nummern ausstrahlt. Ansonsten dominieren die Balladen: Mal im etwas lauteren Stil, wie mit dem Opener Alles, der etwas an Wenn Es Passiert erinnert, oder etwas ruhiger wie beim Klavier-dominierten Titelsong und auch ganz, ganz ruhig im Akustik-Song Nichts, Was Wir Tun Könnten, der als großartiger Albumabschluss dient. Der Rest ordnet sich da irgendwo dazwischen ein.

 

Textlich zeigt sich manches verbessert. Denn die Band schafft es den schräg-witzigen Ton zu behalten, gleichzeitig aber auf authentische Art Themen wie Tod (Nichts, Was Wir Tun Könnten und Meine Freundin War Im Koma Und Alles, Was Sie Mir Gebracht Hat, War Dieses Lausige T-Shirt; danke für diesen Titel) das etwas andere Beziehungsende in Die Ballade Von Wolfgang Und Brigitte oder das freiwillig unfreiwillige Alleinsein (Kreise) zu besingen. Und das geht die meiste Zeit auf. Auch wenn einem ab und an nicht so ganz klar ist, was einem denn da eigentlich gesagt werden will. Vor allem die Singles Alles und Bring Mich Nach Hause bleiben da eine kleine Erklärung schuldig, trotzdem, gut klingt’s auch da. Und in der Mitte mischt sich dann doch ein wenig Altbekanntes hinein. Das skurrile Dramatiker mit nettem Witz über Pseudo-Beziehungsproblemchen. Alles Auf Anfang, das trotz Akkordeon auf den alten LPs einen Platz gefunden hätte. Oder Die Träume Anderer Leute, alles hat den Helden-Stempel aufgedrückt und ist trotzdem genug anders, um nicht alt zu klingen.

 

Bei aller Freude über den Grund-Sound wird's bei näherer Betrachtung dann aber doch etwas problematisch. Denn vor allem am oberen Ende wird das eine enge Geschichte. Selbst der Album-Favorit, Kreise, schummelt sich nicht in luftigste Höhen, hat seine Stärke vor allem im Text, weniger in der Musik. So gut sich Alles hört, so wenig hängt er im Ohr. So sympathisch skurril Was Uns Beiden Gehört und Dramatiker sind, so anstrengend können sie sein. So emotional Nichts, Was Wir Tun Könnten wirkt, so unspektakulär erscheint er irgendwann. Da fehlt also überall ein Stück auf den großen Zehner als Rating. Aber da sind wir eindeutig im überdurchschnittlichen Bereich.

 

Das ist dann weniger der Fall, wenn es zu Flucht In Ketten geht. Eigentlich der Einzige, der da etwas enttäuschend ist, klingt das Ganze doch ziemlich fad und plätschert vier Minuten etwas geplagt dahin. Ähnlich schwierig ist Die Ballade Von Wolfgang Und Brigitte, bei der einem ab der Hälfte doch etwas die Luft für den Song ausgeht.

 

Aber man kann mehr als zufrieden sein mit dem, was da geboten wird. Es erwarten einen ruhigere, blöd gesagt, nachdenklichere Minuten, musikalisch etwas 'erdiger' mit Akkordeon wo früher Synthesizer waren und Klavier wo früher das Keyboard zu hören war. Trotz Stilbruch ist "Bring Mich Nach Hause" aber um nichts schwächer als die drei Vorgänger, ganz im Gegenteil, sympathischer waren einem die Deutschen noch nicht.

 


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