Will Smith - Big Willie Style

 

Big Willie Style

 

Will Smith

Veröffentlichungsdatum: 25.11.1997

 

Rating: 5.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 18.05.2016


Das kantenlose Album, eine Kunst für sich.

 

Religionskritik ist in. Genauso wie Waveboards, Beyoncé oder Nationalismus. Im Gegensatz zu denen hat die Religionskritik für mich aber den Vorteil, dass ich damit auch mal in sein darf - yay, me. Mit den von imaginärer höchster Stelle legitimierten Märchenliebhabern hab ich es ja seit ehedem nicht so, ein bisserl Kritik an zehn Geboten - warum überhaupt nur zehn? -, 72 Jungfrauen oder Gottheiten mit vier Armen ist also keine Kunst. Trotzdem hier ein ungewohntes Plädoyer FÜR Religionen, sie sind nämlich noch weit weniger geistesarm als so manche Sekte. Scientology zum Beispiel, ein Armutszeugnis für den menschlichen Intellekt. Sci-Fi, Mystery und Esoterik vermengt und schön verpackt, schon kommt eine Lebensphilosophie heraus. Will Smith mag die übrigens. Allerdings erst seit ein paar Jahren. Davor war er vor allem Film-Star, davor TV-Star und davor Hip-Hopper. Wobei er sein Musikergen irgendwann Ende der 90er wiederentdecken wollte und nochmal eingestiegen ist ins Business. Zum Wohle seines Bankkontos, nicht unbedingt zum Wohle der Musikwelt.

 

Das ist natürlich ein gar leichtes und wirklich fast immer auch ein unfaires Urteil. Er wollte einfach noch einmal ein bisserl Spaß haben im Studio und weil klar war, dass der Typ aus 'Independence Day' und 'Men In Black' ordentlich CDs verkaufen wird, hat man ihm die Gelegenheit dazu gerne gegeben. Schön und gut, soll sein. Smiths Wille Songs aufzunehmen korreliert allerdings nicht wirklich mit seinen musikalischen Ideen. 1997 war eines da, das andere nicht. Originell oder anziehend auf einer anderen Ebene ist wenig, stattdessen folgt die LP vollkommen dem etwas merkwürdigen Pop-Rap-Konzept und erlaubt es sich, selbst das noch in geschliffener und einigermaßen seelenloser Form aufzubereiten. Jetzt hat Will Smith die Coolness und auch eine Art von Stil auf seiner Seite, den unmoralisch reichen Draufgänger zu geben fällt ihm also nicht so elendiglich schwer. Man fragt sich aber schon beim Opener Y'all Know, ob man das wirklich hören will. Für einen Menschen im Rampenlicht hat er nämlich echt wenig zu sagen, noch dazu mit einer faden, oft flowfreien Rap-Darbietung, die Leben und Esprit vermissen lässt. Street Cred und große Leidensgeschichten erwartet ja keiner, aber ganz so langweilig müssen die Rhymes nicht daherkommen.

 

Ok, Pop-Rap, das heißt fairerweise, dass die Musik im Mittelpunkt steht. Ich würde auch gern behaupten, die unzähligen Samples aus Soul und Funk, auf denen Smith die LP aufbaut, würden einiges zu cooler Party-Stimmung oder ein paar gechillten Stunden beitragen können. Leider lebt auch die Musik zu selten. Stevie Wonders Ribbon In The Sky verkommen im mäßigen Romantik-Stückerl Chasing Forever zu einer lahmenden Piano-Untermalung, verführt auch den Beat zur Lethargie. It's All Good will mit der genialen Bassline von Disco-Klassiker Good Times überleben, legt sie aber trocken und stellt ihr außer sterilen Claps und unpassenden Scratches quasi nichts mehr zur Seite. So läuft die große Show dann. Besser gesagt, humpelt sie eher dahin. Smith und seine Produzenten wandeln ziellos umher, spielen sich nur sehr konservativ mit dem vielen Material, das sie zur Verfügung haben. Heraus kommt ein allzu zahmes Ganzes, das sich in seiner klanglichen Spärlichkeit und mit dem Fokus auf 70er-Samples sehr dem Old-School-Hip-Hop annähert, aber nie dessen Energie oder Angriffigkeit im Angebot hat.

 

Eine Ursache dafür könnte allerdings sehr rasch gefunden sein: "Big Willie Style" ist ein Singles-Album, wie es nicht so oft vorkommt. Der langlebigste Hit der LP, Gettin' Jiggy Wit It, steht auch fast zwei Jahrzehnte später noch als Zuegnis dessen da. Ein bisserl die richtigen Funk-Riffs ausgepackt, ein paar markante "Na Na Na" hineingesampelt, ein wenig den alten Hip-Hop-Partner DJ Jazzy Jeff scratchen lassen, schon ist alles an seinem Platz. Wen wundert es, dass auch Will Smith plötzlich wieder im Vollbesitz seiner Kräfte ist, sich nicht nur ordentliche Zeilen von der Seele rappt, sondern sogar noch den richtigen Flow für den locker-sonnigen Party-Track mitbringt? Ein singuläres Ereignis, das aber unweigerlich die Frage aufwirft, warum das Comeback nicht öfter genau so gehandhabt wird. Diese Energie und Lockerheit ist jedenfalls sonst nirgends zu spüren, was beim ähnlich gelagerten Yes Yes Y'all schnell dafür sorgt, dass der Song in die Fadesse abdriftet.
Gut, Miami kann und darf noch als positives Beispiel herhalten, auch wenn man sich für den Text schon damals schämen musste, heute noch ein bissl mehr. Aber im Retro-Key-Sound und in den Streicher-Samples steckt die richtige Pop-Präzision, um mit dem ansteckenden Beat-Bass-Gemisch für entspannte Reaktionen zu sorgen. Und dann wäre da noch der Versuch infinite Coolness zu verkörpern, Men In Black. Dessen Hemmschuh sind die eher sperrigen Einlagen von Gast-Sängerin Coko, die sich zwar stimmlich äußerst geschmeidig gibt, aber den MC aus seinem Element drängen. Der Track ist auf ihn zugeschnitten wie kein anderer hier, sitzt wie ein Maßanzug und darf sich als einziger Track hier freuen, vom relativ luftigen Sound wirklich zu profitieren.

Was gibt's sonst noch? Ah ja, ein paar kleine Schritte in Richtung East-Coast-Sound. Don't Say Nothin' bekommt den gut hin, wartet mit Smiths präzisester Performance und anheimelndem Klavier-Loop auf. Der Verzicht auf gröbere Pop-Allüren hilft, der Refrain wird überhaupt quasi ausgespart, stattdessen bekommen die Stimm-Imitationen aus Smiths erster Hip-Hop-Ära ein kurzes Comeback.

 

Dabei bleibt's aber dann auch. Man wird das Gefühl nicht los, das Comeback war doch nicht so sehr von unglaublicher Freude geprägt. Dafür ist "Big Willie Style" einfach zu trocken, zu freudlos, zu sehr getrimmt auf den Millionenabsatz am Pop-Markt. So fad kann doch Will Smith anno 1997 einfach nicht gewesen sein, dass das rauskommt, wenn er im Studio freie Hand bekommt. Allzu oft sind die Songs uninteressant genug, dass man sich die ziemlich guten Skits herbeisehnt, die immerhin Jamie Foxx' starke, ironische Auftritte zu bieten haben. Das ist kein gutes Zeichen. Die Singles retten ihn, der wenigstens schauspielerisch auf dem Weg zum Höhepunkt war. Musikalisch gilt dagegen: So kommt man nicht in den Himmel. Oder wo immer die Scientologen sonst hin wollen.

 


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