von Kristoffer Leitgeb, 18.07.2020
Der paradoxe Holzweg der streichelweichen Band mit dem einen Song.
Hey, kennt ihr uns noch? Wir waren die mit dem Hit damals, der so irgendwie gut zum Anhören und trotzdem nervtötend war. Vor allem, weil er oft genug gekauft wurde und ihn deswegen alle immer überall hören mussten. War nicht unsere Schuld. Ok, vielleicht schon, weil wir sonst nicht so viel anzubieten hatten, aber wir haben es versucht. Das Glück ist eben ein Vogerl und wir nicht flugtauglich und überhaupt war das dann nicht so leicht mit dem ganzen Druck und dass die Leute auf einmal erwartet haben, dass wir auch mal was Interessantes machen. So läuft das nicht! Na, auf alle Fälle ist das jetzt 20 Jahre her und wir möchten ein bisschen feiern mit denen, die sich noch dran erinnern. Lust drauf?
Na, aber sowieso! Feiern geht immer. Wer seids ihr nochmal? Ah ja, Wheatus. Glorreiches Exemplar des One-Hit-Wonder-Daseins, wo ein Rückblick auf den Moment im Rampenlicht ein bisschen was von einer archäologischen Ausgrabung hat. Voll faszinierend, dass das überhaupt mal da war. Fast wie Schulterpolster, nur dass die länger beliebt waren. Wheatus haben es dagegen nicht wirklich über vielleicht ein halbes Jahr hinausgebracht, in denen man sich ihrer erinnert hätte. Und das trotz eine self-titled Albums, das eigentlich allen den Bandnamen in Ewigkeit hätte einhämmern können. Dafür wär dann aber wohl doch ein bisschen mehr nötig gewesen als ein visueller Autounfall als Cover Artwork.
Die LP wagt sich aber an dieses Mehr einfach nicht wirklich heran. Dieses Urteil kann paradoxerweise nicht als vernichtet gewertet werden, weil das vorherrschende Merkmal dieser Band und Ihrer Musik schlicht die Harmlosigkeit ist, nicht sonderliche Missklänge. Auf die damals immer noch stattliche Welle des Pop-Punk und Power Pop aufgesprungen, sind die US-Amerikaner, die ausgerechnet in ihrer Heimat nie so etwas wie nennenswerten Erfolg hatten, eindeutig näher an der sanften Natur des gitarrenverstärkten Pop, ohne dass wirkliche Punkigkeit jemals zu spüren wäre. Daran ändert kein Power Chord und kein oberflächlich krachender Riff der Welt etwas. Teenage Dirtbag, dieser einsame, unheimlich eingängige Lichtblick am blassen Wheatus-Himmel, ist ja dafür das beste Beispiel. Ja, da ist schon ein bisschen Nachdruck da an der Gitarrenfront, von Kanten bereinigt ist die aber trotzdem, sodass man sich auch in den stockenden Riffs des Refrains eher gemächlich gibt. Ändert nichts daran, dass das bisschen rockende Härte der Band unwahrscheinlich gut tut und die Hook einfach ein Traum ist, den auch eine nervige Stimme nicht wirklich untergraben kann. Apropos Stimme: Die Dame in der Bridge ist tatsächlich auch Frontmann Brandon B. Brown. Ein Hoch auf die Stimmmanipulation! So oder so funktioniert da einfach sehr viel.
Könnte man das noch über irgendeinen anderen Song hier sagen, wäre das Schicksal der Band womöglich ein anderes gewesen. Blöderweise marschieren die übrigen Tracks klanglich in eine sehr ähnliche, letztlich aber noch harmlosere Richtung, ohne dass sie mit Melodien ähnlicher Qualität ausgestattet wären oder es nur annähernd so wirken würde, als würde die Band genauso alles hineinschmeißen, was sie hat. Stattdessen gewinnt man den Eindruck, dass Browns leidenschaftliche Performance in Teenage Dirtbag, dessen markanter Riff und die gut ausbalancierte, dem Zeitgeist verschriebene Mischung aus lauten und leisen Passagen zu viel des Guten in einem Song waren. Für den Rest bleibt wenig übrig. Der Minor Hit A Little Respect ist selbst für ein Malen-nach-Zahlen-Cover des 80er-Hits einfalls- und eindruckslos, erlaubt sich zwar nichts, was einen abschrecken würde, aber eben auch nichts, woran man sich erinnern könnte. Da hilft es auch nicht, dass Browns Stimme zwar prinzipiell markant ist, er dann aber doch selten bis nie etwas macht, um sich aus der schläfrigen Soundsuppe der Band herauszuheben. Eher versinkt er darin, sodass man selbst ganz ordentlichen Vorstellungen wie denen von Sunshine vorwerfen muss, dass ihre Harmlosigkeit einen fast dazu zwingt, alles zu vergessen, was sich in den drei Minuten alles nicht abspielt. Da hilft auch kein bisschen Banjo der Welt, das man bemüht neben die gemächliche Drums und E-Gitarren-Einlage stellt.
Es gibt also relativ wenig, was hier wirkliche Aufmerksamkeit verdienen würde. Die wenigen energischeren Momente sind es noch am ehesten, die über den ersten Durchlauf hinaus nachwirken können. Und weil die selbst bei nur zehn Songs deutlich in der Unterzahl sind und das spät auftauchende Punk Ass Bitch zwar ein bisschen mehr Gas gibt, aber trotzdem fast schmerzhaft gewöhnlich und akzentlos daherkommt, bleibt es an Hump'Em N' Dump'Em hängen, mittendrin noch einmal aufzuzeigen. Da bekommt man zwar nichts serviert, was man vorher nicht auch schon gehört hätte, die straighte Machart, das hohe Tempo und die Reste möglicher Härte sorgen aber zur Abwechslung für ein paar wirklich kurzweilige Minuten.
Dem Rest hilft keine Mundharmonika, keine ausgefallene Percussion wie das sich wuchtig breit machende Getrommel zu Beginn von Truffles, das an die Eröffnung von Strauss' Also Sprach Zarathustra erinnert, und auch kein kurz angebundenes, verzerrtes Gitarrensolo. Dieses bisschen Beiwerk bringt es nicht weit genug, um diese Songs aus dem Durchschnitt heraus zu hieven, der ihre angestammte Heimat ist. Wheatus klingen dafür zu gewöhnlich, zu vorsichtig und zu weit weg von jeder Aussage, die ein paar Liebeleien und Erzählungen aus dem Leben eines High-School-Nerds übersteigen könnte. Und damit ist man allein schon deswegen an einem unguten Plätzchen, weil Bands wie Fountains Of Wayne oder Weezer ebendieses Terrain damals weit besser beackert haben, textlich und musikalisch Ideenreichtum und Charakter beweisen. Auch wenn sich die New Yorker One-Hit-Wonder-Truppe abseits ihrer eineinhalb Ausreißer immerhin so makellos durchschnittlich präsentiert, dass sie nicht ganz so langweilig wirkt, wie Weezer das auf ihrem Green Album ein Jahr später tun sollten.
Das kann man jetzt aber auch nicht gerade als Adelung werten. "Wheatus" schreit nicht nach solcher Wertschätzung, sondern ist eines der offensichtlichsten Beispiele für eine Band, bei der glasklar ist, warum sie nach ihrem Durchbruch und dem kurzzeitigen Rampenlicht umgehend wieder daraus verschwunden ist. Natürlich kann man sich diese Tracks jederzeit anhören, wird vielleicht ein bisschen mitsummen oder doch mal eine Zeile finden, die ein bisschen Humor offenbart. Im Kern entbehrt diese Geschichte hier aber so dramatisch allen bleibenden Eindrücken, dass man nicht nur von famous ganz weit weg ist, sondern nicht einmal schräg und schwierig genug klingt, um wenigstens infamous zu sein. So sind die US-Amerikaner vielleicht das One-Hit-Wonder, das man am ehesten vergessen hat, und ihr einsamer Erfolg einer, der jedes Mal, wenn er gespielt wird, nach nur einer Frage lechzt: Von wem ist das nochmal? Die Antwort lässt sich leicht finden, allein die Allgegenwart der Frage ist allerdings kein gutes Zeichen für eine Band, die mittlerweile an ihrem sechsten Album arbeitet, es aber in Wahrheit nie über das erste hinausgeschafft hat.