von Kristoffer Leitgeb, 01.08.2020
Warum?
Wird um einen herum gelacht und man kann annehmen, dass man selbst der Auslöser des Gelächters ist, muss man ganz, ganz vorsichtig sein. Weiß man sicher, dass mit einem gelacht wird und nicht über einen? Das ist nicht immer gleich klar und kann für ganz schön ungute Momente sorgen. Die Herren von Weezer sollten wissen, wovon hier die Rede ist. Mittlerweile ist es trotz eines kurzzeitigen Wiederauflebens im vergangenen Jahrzehnt schon ziemlich lange her, dass man die US-Amerikaner wirklich ernst genommen hätte. Oder dass man das überhaupt konnte. Kompliziert wird es dabei nur deswegen, weil wenige so bravourös wie Rivers Cuomo dazu imstande sind, einen im Unklaren darüber zu lassen, ob er nun bewusst alles zu einem Witz macht oder ob er selbst der Witz ist. Niemand wird leugnen, dass es seit langem klar ist, dass die Band sich nur in Maßen selbst ernst nimmt. Das ändert aber wenig daran, dass trotzdem Zweifel an deren Zurechnungsfähigkeit aufkommen und manch Aktion, mitunter ein ganzes Album einfach als so daneben erscheint, dass man eher nicht an eine intendierte Verfehlung glauben kann. Allein schon, weil die Gerierung als ein einziger bandgewordener Scherz irgendwann einmal so bemüht, ausgelatscht und unlustig wirkt, dass das selbst schon wieder unfreiwillig lächerlich ist. So wie die Großtat, nach bereits vier self-titled Alben innerhalb eines Jahres noch zwei nachzuschießen. Und eines der beiden, das hässlich petrolfarbene, ist in sich selbst noch einmal ein witztechnisches Paradoxon der Extraklasse.
Ursprung all dessen ist ein Twitter-Meme, die dortige Aufforderung, die Band solle doch endlich Africa von Toto covern. Gesagt, getan, irgendwann war es dann soweit und die Fangemeinde hatte was zu lachen, ohne dass man sich wegen dieses einen Songs zu viele Gedanken machen musste. Und die Coverversion ist ordentlich geraten. Zwar kann einem keiner außerhalb des sozialmedialen Dunstkreises sagen, warum es sie gibt, weil sie musikalisches Malen-nach-Zahlen ist und also das Original fast unverändert wiedergibt, aber hören lässt sie sich trotzdem ordentlich. Ein bisschen fuzz wurde an den Gitarren draufgepackt, die Sache also ein bisschen abgehärtet, ohne deswegen gleich aus dem Power Pop auszubrechen, während Cuomo wohl bewusst anstrengungslos monoton die Strophen abklappert und lediglich im Refrain gepresst dünn ein wenig mehr hergibt. Soll sein, kann man machen, lässt sich anhören.
Niemand hätte aufgrund dessen aber den riesigen Wunsch gehegt, dass aus dem einmaligen Witzchen ein ganzes Album wird. Das ist dann nämlich so, wie ein erbarmungswürdiger Dolm auf irgendeiner Familienfeier einen ordentlich Schmäh reißt und dann den restlichen Abend damit unentwegt hausieren geht, bis selbst ein pflichtschuldiges Schmunzeln nicht mehr drinnen ist. Sowas will keiner und braucht keiner, ist selten unbequem für alle Beteiligten. Weezer wollten es anscheinend trotzdem so und haben sich daran gemacht, gleich zehn Songs zu covern, die genretechnisch durchaus einiges abklappern, oft genug auch nicht dort angesiedelt sind, wo man die Band vermuten würde, am Ende aber doch nach Einheitsbrei klingen. Das allein ist schon fast wieder im imponierenden Sinne faszinierend, dass die US-Amerikaner es schaffen, alles von Eurythmics' Sweet Dreams bis zu TLC's No Scrubs und Ben E. Kings Stand By Me alle so klingen zu lassen, als kämen sie aus demselben musikalischen Universum. Wenn das Ergebnis dann aber doch durchgehend müde, fad und ideenlos klingt, wird daraus eben nichts, was sich wirklich anzuhören lohnt.
Aber keinen Fehlschluss machen, tatsächlich gibt es eigentlich nichts, was die LP nicht hörbar machen würde. Die Songs gehen großteils runter wie Öl. Allerdings auf einem qualitativen Niveau, das eher einer ambitionierten, gut eingespielten Hochzeitsband gleichkommt. Also es flutscht alles, man kann im Hinterkopf das Original hören, aber eigener Charakter oder sonderliche Schmankerl sind da nicht drinnen. Stattdessen tritt hin und wieder die komplett fehlende Passform der Songs für eine Band wie Weezer zu Tage, sodass der Abstieg von so manch geschätztem Klassiker gewaltig ist. Sweet Dreams entbehrt hier jeglicher Atmosphäre, hat zwar eine prinzipiell nette Kombi aus ein bisschen kratzigen Riffs und den kompromisslos schrillen Retro-Synths, sogar ein herrlich verzerrtes Solo. Nur ist all das eindeutig nicht atmosphärisch oder eindringlich, wie es das Original war, gleichzeitig aber nicht absurd genug, um eine humorvolle Parodie zu ergeben. Ergo ist es dreieinhalbminütige Fadesse, die zwar fähig runtergespielt ist, aber deswegen nicht weniger fad wird. In dieser Tonart passiert Happy Together, das ein bisschen lauter und voller als in der klassischen Turtles-Version ist, genau deswegen aber gewaltig einbüßt. Und genauso ergeht es auch Billie Jean, das ohnehin eine sehr ambitionierte Wahl ist und hier ausschließlich von der genialen Melodie des Originals lebt, mit jeder leblosen Einlage von Cuomo und jedem banalen Riff aber auf das Meisterwerk von Michael Jackson einbüßt.
Die Liste ließe sich noch ein wenig fortsetzen, wird aber an dieser Stelle aus Gründen der Ausgewogenheit abgebrochen. Es gibt nämlich inmitten all dieser langweiligen Durchschnittlichkeit doch auch solide Minuten, die es über den Album-Ursprung, das Cover von Africa, hinaus schaffen. Der einzige wohl wirklich ideal auf die Band zugeschnittene Song ist Take On Me, das mir dank Cuomos zur Abwechslung starker Gesangsperformance und dem bisschen eingestreuten Gitarrenhandwerk sogar eher zusagt als das seit jeher als einigermaßen anstrengend empfundene Original. Von legendärer Großartigkeit ist der Song deswegen noch nicht, aber ein ziemlich cooler, stark intonierter Lichtblick auf dieser LP, der mit zum Besten zählt, was der Band seit "Everything Will Be Alright In The End" gelungen ist. Der andere zumindest unterhaltsame Song, den man findet, illustriert dagegen gut, worauf Weezer in der Gegenwart reduziert sind. Man nimmt sich Black Sabbath zur Brust, covert ausgerechnet deren Paranoid und das - wer hätte es gedacht? - auf Gitarrenebene gar nicht einmal so ungut. Dazu kommt, dass entgegen allen Bandgepflogenheiten auf einmal nicht Cuomo, sondern Gitarrist Brian Bell ans Mikro darf und dabei zumindest in puncto Stimmfarbe näher an Ozzy Osbourne herankommt, als man glauben sollte. Insofern ist es campy, aber tatsächlich mal auf eine Art, die einen zum Schmunzeln bringt und die man sich sogar ganz gern anhört, auch man sie nie extra aufdrehen würde.
In eine ähnliche Kategorie passt dieses Album, das fünfte des Namens "Weezer", eigentlich auch, wenn man nur bedenkt, dass man da den Unterhaltungsfaktor doch gehörig runterschrauben muss. Aber noch einmal zur Betonung: Anhören lässt sich das hier alles problemfrei, selbst die daneben geratenen Versionen oder so etwas wie Mr. Blue Sky. Man würde vielleicht lieber abdrehen, aber man kommt gut damit zurecht. Nur hat man dann ganz einfach eine LP, die Songs beinahe 1 zu 1 abkupfert, darin keinen Humor und keine Ideen bunkert, musikalisch prinzipiell mäßig und ausrechenbar daherkommt und so schlicht und ergreifend nirgendwo eine wirkliche, echte Daseinsberechtigung findet. Diese 10 Songs braucht es nicht und die Zahl derer, die sie sich genuin gerne anhören, wird nur unwesentlich größer sein als die, die in den meisten Fällen auch noch behaupten würde, dass die Songs besser wären als die Originalversionen. Ausschließlich bei einem Track kann in die Richtung argumentiert werden, ansonsten sind es Durchschnittsabpausungen. Gemacht, um einmal angehört, mit Stirnrunzeln und Fragezeichen entgegengenommen und dann doch schleunigst wieder vergessen zu werden. Was bleiben könnte, ist lediglich ein weiteres Puzzleteil in der Lächerlichkeit namens Weezer, die immer und immer wieder die Frage nach dem Warum aufwirft.