von Kristoffer Leitgeb, 28.07.2018
Back to the 00s: Unerschrocken poppig, unerträglich kitschig und doch mit hookstarkem Charme.
Wenn Bands Comebacks feiern, die technisch gesehen keine sind, weiß man, dass sie entweder zu viel auf die eigene Mythenbildung geben und deswegen nach zwei Jahren voller Nebenbeschäftigungen von einer Bandpause sprechen oder aber einfach nur qualitativ im Erdboden versunken sind. In die erste Kategorie gehören Kaliber wie Fall Out Boy, die den Comeback-Gedanken immerhin damit rechtfertigen konnten, dass sie mit "Save Rock And Roll" runderneuert und folgerichtig nerviger denn je zurückgekommen sind, um ins Elektronik-Pop-Nirvana zu entschwinden. In der anderen wiederum findet man große Namen wie Bob Dylan oder Neil Young, die nach verlorenen 80ern wieder auferstanden sind. Man könnte dabei auch über Weezer stolpern, die nach zwei legendären Alben und einem tatsächlichen Comeback mit dem Beginn des neuen Jahrtausends immer mehr einer Form des Pop erlegen sind, die schwer zu ertragen war. Die künstlerische Wiedergeburt fand mit "Everything Will Be Alright In The End" statt und währte dieses Mal eigentlich genau ein Album, bis man sich doch wieder der charttauglichen Bequemlichkeit hingeben sollte.
In Wahrheit ist ja das Glück von Rivers Cuomo, seinen Bandkollegen und der mittlerweile jedes Mal wieder recht stattlichen Zahl an Aushilfssongwritern, dass die Erwartungen an Weezer einfach relativ moderat geworden sind. Wunderdinge sehnt schon keiner mehr herbei, stattdessen scheint man sich mit den einfachen Rezepten des Pop-Handwerks zufrieden zu geben, sofern diese einigermaßen richtig gekocht sind. Das wiederum kann Cuomo, weil er sich einerseits darauf versteht, mit seinem Sechssaiter die passenden, leicht eingängigen und vor allem verdaulichen Hooks aus dem Ärmel zu schütteln. Und weil er andererseits die klischeebeladenen Themen, die den Pop beherrschen, immer schon mit dem schrägen Charme eines unsicheren Nerds verarbeitet hat. Problematisch ist allerdings, dass er irgendwann - schätzungsweise vor 10 bis 15 Jahren - so sehr auf den Pop eingestiegen ist, dass der Bandsound kaum noch von dem Begriff Kitsch zu trennen war, während die Texte nur allzu sporadisch gehalt- und gefühlvoll genug waren, um etwas dagegen ausrichten zu können.
War das seit 2014 plötzlich wieder seltener der Fall, scheint man mit "Pacific Daydream" endgültig wieder in altbekannte Muster zurückzufallen. Zwar ist vom Pseudo-Dance aus "Raditude"-Tagen nichts zu hören, stattdessen wird schon versucht, die Gitarre möglichst omnipräsent und vielfältig einzusetzen. Nur sind gleichzeitig die Drums und Riffs so glatt produziert, der Gesang so dominant und der Sound meistens so beatlastig, dass man sich nicht wirklich wohl fühlen will, wenn mit Beach Boys indirekt eines der offensichtlichsten Vorbilder gechannelt wird. Auf dem Vorgänger konnte man Cuomo noch zugutehalten, dass ein authentisches Lebensgefühl vermittelt wird, der leider weichgespülte und allzu friedliche, aber mitunter verführerische, sonnige Optimismus greifbar war. Das neue Schauspiel ist dagegen blutleer und charakterarm, banales Liedgut von der Stange. Irgendwo kommt einem noch Surf Rock entgegen, in kurzen, von im Ansatz röhrenden Riffs geprägten Momenten ist sogar das Denken an den Grunge-infizierten Sound der 90er erlaubt. Der Kern ist aber Power Pop, der sich ein wenig mit R&B und modernen Dance-Allüren einlässt, dabei aber selten anzuecken gedenkt.
Das bringt einem schon auch nette Dinge, aber eben von der gemütlichsten Sorte. So ohne jeglichen Nachhall oder wirklich überzeugenden Soundentscheidungen. Any Friends Of Diane's schafft es beispielsweise als teilakustischer Closer, die Leichtigkeit des Vorgängers mitzubringen und einen sogar dezent einzulullen. Gäbe es da nicht diese verstörend glatte Bridge und einen Refrain, der mit zu hartem Beat und unpassenden Synth-Sounds aufwartet, man könnte den Track eigentlich wirklich mögen. An dem Punkt, wo man Songs beinahe wirklich mögen kann, ist aber nicht viel zu holen. La Mancha Screw Up macht sich dank erfinderischer Percussion ein bisschen besser, bringt auch das bessere Gesamtpaket für den konturenarmen Mix der Songs mit. Im Englischen nennt man es glossy, auf Deutsch ist es einfach unbequem, wie sich die aufpolierten, anscheinend bewusst höhepunktslosen Minuten an einem vorüberwälzen. Schlecht ist es nicht, aber komplett unnötig und bei aller erzwungenen klanglichen Harmonie ohne musikalischen Charme.
Ein Glück, dass es schon auch anders geht. So wenig sie auch mit Rock zu tun hat, ist es ausgerechnet die Leadsingle Feels Like Summer, die sich als Elektronik-Pop den leicht schrillen Charakter erlaubt, der einem Weezer-Songs sympathisch macht. Zwar muss man sich an den Minimalismus in den Strophen und den damit verbundenen kargen, wie eine Mischung aus Bubblegum Pop und The xx klingenden Beat gewöhnen. Doch mit dem aufwallenden Getrommel im Pre-Chorus und den diversen gesampelten Soundbits, die das liebgewonnene Falsetto von Cuomo im Refrain umrahmen, erkennt man ein harmonisches Ganzes, das sich bestmöglich von mancher 08/15-Performance drumherum abhebt. In dem Sinne gilt das zwar weniger für Happy Hour, das wiederum darf allerdings als gelungene Wiederaufbereitung der sonnigen Vorgänger-Formel gelten und besteht so trotz merkwürdiger Stadion-Produktion den Langzeittrack als lockerer, dem R&B zugeneigter Sommersong. Mit Opener Mexican Fender als einzigem wirklich wahrnehmbarem Rock-Track und rhythmisch-instrumentellem Zugeständnis an die eigene Schrulligkeit, hätte man die erste Hälfte also sehr schnell als die stärkere herausgefiltert. Gäbe es da nicht Get Right und damit den Haupttreffer der LP, der sich mit galoppierendem Beat und lockerem Strumming zum besten im Angebot befindlichen Refrain hinarbeitet und die zaghaft eingestreuten Percussion- und Elektronik-Bits sowie dem stadiontauglichen Background-Gesang, die hier zusammen alle Tracks mitbestimmen, rundum gut eingebaut bekommen hat.
Das macht die zweite Albumhälfte noch nicht zur stärkeren, verlagert aber die eklatanten Performanceprobleme immer weiter in die Mitte der Tracklist. Dort findet man einen Dreierpack an Songs, der einem nie und nimmer sympathisch wird. Allesamt gehören sie in die Kategorie der unnahbaren, humorlosen, komplett kitschigen Balladen, denen Cuomo anno 2017 keinen Funken des verschrobenen Witzes früher Bandtage mitgeben kann und die dementsprechend in ihrem ausdruckslosen Sound versinken. Der ist per se weniger grausam, wobei man nicht umhin kommt, deutliche Parallelen zu den unnötigeren Kapiteln des 80er-Pop zu sehen, wenn einem die synthetisch wirkenden Refrains von QB Blitz oder Sweet Mary entgegenkommen. Es ist nur so eine nichtssagende Aura, die auf musikalischer Ebene von diesen Tracks ausgeht, während gleichzeitig gesanglich und textlich an schmachtender Romantik und im Studio an der glitzerndsten Soundkulisse gearbeitet wird. Das tut in Maßen weh.
Immer noch nicht wahnsinnig und es bedeutet, dass sich die Band mit "Pacific Daydream" wohl eher ungewollt dem buddhistischen Prinzip der goldenen Mitte und des ewigen Ausgleichs hingibt. Bei einem Zehnerpack an Songs könnte man auf alle Fälle kaum eine gerechtere Aufteilung in starke, durchschnittliche und schwache Tracks finden wie diese. Etwas derartiges hinterlässt immer ein paar Fragezeichen, weil es ja offensichtlich ohne gigantische Veränderungen und mit generell einfachen Mitteln für Rivers Cuomo und Konsorten relativ leicht möglich ist, einen starken Pop-Song hervorzuzaubern, ohne einen unbequemen Schauer zu verursachen. Davon gibt es einfach zu wenig, was den Verdacht aufkommen lässt, die US-Amerikaner wären, zumindest aufs Albumformat bezogen, wieder auf dem Weg in Richtung umfassender Geschmacksverirrung. Für eine Kehrtwende ist es allerdings noch nicht zu spät, die eigene künstlerische Renaissance liegt ja noch nicht weit zurück.