Liebesgrüße aus dem altehrwürdigen Wien: Die Rettung des heimischen Rock oder doch Austropop in Tot-Weiß-Tot?
Vertraust du anderen Menschen? Was klingt wie der Titel eines Persönlichkeitstests der nächstbesten Teenie-Mädl-Website, ist eine lebensimanente Frage. Studien an über 7 Milliarden Menschen haben nämlich wenig überraschend erwiesen, dass Kommunikation, Handel und alles andere auch ohne ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen einem Wettlauf gegen das Licht gleichkommen. Und doch verlangen Ehrlichkeit und Logik nach dem unweigerlichen Schluss, dass man zwar Leuten vertrauen muss, aber eigentlich fast nie darf, zumindest wenn man im Entferntesten etwas darauf gibt, sicher und nicht verarscht durchs Leben zu gehen. Wo da die goldene Mitte ist - dieses zur Weisheit erhobene, verweichlichte 'also ich weiß jetzt nicht, was soll ich da nehmen' -, die einem aus der Bredouille helfen könnte, kann höchstens der Selbsttest offenbaren, man kann ja den Aussagen keines andern trauen. Stellvertretend für den Rest der Welt werfen aber Wanda mit ihrer Musik die Vertrauensfrage ohnehin auf, denn ob man ihnen glauben darf oder nicht, das sagt einem jetzt das Licht.
Oh, sieht ja keiner, ich helf gleich aus. Also, so wirklich eindeutig ist das eigentlich auch nicht. Eher in Richtung leicht flackernde 30 Watt Birne, kleines gleißendes Augenöffnen, kein zappendüsteres Herumtappen. Vielleicht aber erst noch einmal zurück zum Ursprungsproblem. Wanda sind erfolgreich. So sehr mittlerweile, dass sie zu einem auf musikalischer Ebene landesdefinierenden Phänomen für Österreich geworden sind. Wer in Deutschland nach einer österreichischen Band fragt, wird wohl recht oft den Namen hören, den dereinst auch ein Filmfisch getragen hat. Jetzt führt das dazu, dass die Band überall ist, in den Himmel gelobt wird und einen möglicherweise bald einmal Falco-esquen Status bekommen könnte. Auch die Musik macht das möglich, denn Wanda, das sind noch echte Rocker. Wobei man sich fragt, was echte Rocker eigentlich mit der 'Amore' am Hut haben, warum sie einen Lederjacken-Fetisch pflegen und warum eigentlich der Rock immer das Saufen, Tschicken und die seichte Lebenslust zelebrieren muss. Man sollte wohl Frontmann Marco Michael Wanda fragen, der einem dann was von Natürlichkeit, Ehrlichkeit, Einfachheit und einem Mix aus Spaß und packerlweiser Seelenlast vortragen würde.
Trägt er direkt am Mikro vor, klingt er wie ein Hybrid aus Big Hans Hölzel himself und dem Underground-Helden Nino aus Wien. Natürlich ohne dabei irgendwann die Coolness, Präsenz und Rafinesse von ersterem oder die Doherty-Gedenk-Wurschtigkeit von letzterem zelebrieren zu können. Irgendwie ungriffig also der Herr, der nicht singen kann oder will, dafür mit alkoholgestähltem Organ ins Mikro krächzt, was er sich so zusammenreimt. Und das ist jetzt nicht so gigantisch viel. Eine merkwürdige Art des Simplen - eigentlich doch ein sicherer Sieg beim Rezensenten - tut sich da vor einem auf, die zwar sympathisch wienerische Züge erkennen lässt, mit Titeln wie Stehengelassene Weinflaschen und sehr vielen "Babies" oder kaum garen Depressionsimitationen in den Texten aber etwas hedonistisch Hohles suggeriert, das kaum gefallen kann. Zwischen schwer erträglicher Lebensfreude, Dandytum und Spirituosen bleibt natürlich vor allem viel Platz für die Liebe, die aber auch in x-facher Ausführung wenig emotionale Berührungspunkte herzustellen vermag. Da hilft es natürlich, wenn die unverhohlene Verschrobenheit zelebriert wird, so wie das mit dem halben Inzest-Stückerl Bologna oder dem passend direkten, aber nicht humorlosen Anflehen der gerade Begehrten in Luzia passiert. Kehrt dagegen der Ernst ein, fragt man sich ein bisserl, ob Frontmann Wanda überhaupt weiß, was Ernst ist. Selbst beim resignierenden Schmachten kommt man kaum über ein "Wannst b'soffen wirst, red'st immer nur von ihr" hinaus, daran vorbei schon gar nicht. Lediglich das stark interpretierte Bleib Wo Du Warst schafft es dank guter Gesangsdarbietung auch mit lyrischem Minimalismus emotional zu punkten.
Wo das besprochen wäre, bleibt jetzt endlich Platz für die bisher stiefmütterlich behandelte Musik. Sie ist auch eindeutig der 'strong suit' der Band. Man positioniert sich irgendwo dort, wo sich alteingesessener Rock, Indie und Pop treffen und kann sich verständlicherweise nicht ganz entscheiden, welchem man jetzt den Vorzug geben soll. Deswegen holt man sich die Ästhetik von ersterem, den Gitarrensound vom zweiten und ummantelt das Ganze dann mit einer poppigen Produktion, die großen Radiostationen eine Entschuldigung fürs Airplay gibt und die Songs damit zum Muss macht, will man beweisen, dass im heutigen Pop noch nicht alles voller Elektronik ist. Mit den lockeren Riffs und Drums von Bologna, vor allem aber dessen letztlich unwiderstehlichem Falco-Gedenkrefrain beweist man selbiges nämlich ganz ordentlich, ohne dabei nicht zumindest ein ganz klein wenig Grittiness zu behalten. Mit mehr davon klingt's aber zugegebenermaßen noch etwas besser. Da dürfen es dann gerne die bluesigen Gitarren von Auseinandergehen Ist Schwer sein oder auch die starke Rhythm Section von Schickt Mir Die Post, die sich der alten Tage des Rock 'n' Roll erinnert und dahingehend in Lockerheit und Sprunghaftigkeit nur von Highlight Luzia ausgestochen wird.
Man erlaubt sich nicht einmal große Grässlichkeiten, wenn es an die klangliche Ausstaffierung geht. Natürlich kommt man schon früh an einen Punkt, an dem einen das sonnige, oft eher unkantige Dahinspielen wenig beeindruckt, abgesehen von den verfehlten New Wave-Anwandlungen von Kairo Downtown und Easy Baby bleiben die Reibungsflächen aber genauso aus wie unerwartet großartige Entdeckungen.
Womit man eigentlich dem Debüt von Wanda hinlänglich auf den Grund gegangen wäre. "Amore" ist Pop-Rock mit Hitpotenzial, ordentlicher Musik und einer lächerlich-bis-bedenklichen Lebensphilosophie, die sich darin offenbart. Das sorgt einmal ganz sicher dafür, dass auf der LP hier und da von wirklich starkem Material die Rede sein kann. Blöderweise kommt einem aber unweigerlich ein zum Speiben animierender Beigeschmack in die Quere, der sich aus dem Wissen um die Aussagen des Sängers, seine Texte und seine auf Albumlänge schwer verträgliche Gesangsperformance zusammensetzt. Und dann weiß man halt nicht: Wie viel unnötige, leere oder gar irritierende Zeilen sind zu ertragen? Wie viel zur simplen Ehrlichkeit verklärte Selbstdarstellung darf es geben? Vorerst ist von all dem noch nicht zu viel da, um der Band wirklich die Suppe zu versalzen. Aber vertrauen sollte man ihnen vielleicht eher nicht und was lässt das dann für die Zukunft erwarten....