von Kristoffer Leitgeb, am 06.11.2015
Biographie
Die Tatsache, dass seit den 90ern der sogenannte Post-Rock in vieler Munde ist, hat im Gegensatz zu anderen Genres mit selbigem Präfix nie aussagen wollen, dass der Rock irgendwann einmal nicht da war. Nein, er hat nie aufgehört zu existieren und wurde angeblich bereits mehrmals nach einem Herzstillstand wieder reanimiert. Und doch quälen ihn Probleme, ganz einfach, weil Rock nach alter Prägung und Interpretation bestenfalls noch von ehemaligen Rampensäuen wie AC/DC gelebt wird, sicher aber weniger von der jungen Generation. Nicht nur gibt's dort keinen Sex und keine Drugs mehr, auch das Dreckige, das Ehrliche, das Impulsive am Rock 'n' Roll ist abhanden gekommen. Dass das gerade von Wien aus geändert werden soll, überrascht sicherlich, ein frischer Fünferpack an Musikern macht es aber anscheinend möglich.
Dieser Fünferpack, angeführt von Michael Marco Fitzthum oder doch lieber Marco Michael Wanda, benannte sich dann auch sogleich nach einer legendären Zuhälterin, die es in der Hauptstadt der 70er zur Lokalberühmtheit gebracht hat. Dass das erst 2012 passierte, man also sicher nicht mehr als Teenie-Band durchgehen konnte, liegt wohl vor allem an Wandas Idee, dass auch die eigenen Gedanken und musikalischen Ambitionen erst zu reifen hatten, mit Lebenserfahrungen und -weisheiten unterfüttert werden mussten, um am Ende ein Aroma wie guter Wein zu entwickeln. Denn dann ging's ganz schnell, Zufallsbegegnungen und Elitepartner halfen, Lederjacken wurden zur Mitgliedsbedingung.
Eine Imagefrage quasi, immerhin tanzt die Band durchwegs auf dem Drahtseil zwischen einer gewollt einfachen und verständlichen Ehrlichkeit hüben, dem Erhalt des Rockerdaseins und allem, was dazu gehört, andererseits. Deswegen wird geraucht und getrunken bis zum Umfallen, die Lederjacke nur ungern abgelegt und das Drumherumreden, das große Erklären und Elaborieren am besten gleich abgeschafft.
Damit blieb man fast komplett unbekannt, bis mit dem Debüt "Amore" 2014 eine Art der zufälligen, unerwarteten Explosion passiert ist, wie sie dieses Land Jahrzehnte nicht erlebt hat. Bieten wollte man 'Popmusik mit Amore', in langweiligeren Formulierungen wurde das zum poppigen Mix aus Indie-Sound mit ungefiltertem Rock 'n' Roll-Charme. Die Hits waren trotz aller Überraschung quasi vorbestimmt, immerhin frönen die meisten Tracks einer simplen Eingängigkeit, die ihresgleichen zu oft in farb- und charakterlosen Gefilden findet. Dem beugt man vor, klingt die Band doch dank offensichtlicher Nähe zu Falco und dem Nino aus Wien nach dem archetypischen Bild des Wieners. Damit holte man sich hierzulande Platin und zwei Amadeus Awards, machte Bologna für viele zur Single des Jahres, verließ die Charts auch über ein Jahr nicht mehr. In Deutschland dauerte es nicht viel länger und Locations waren prall gefüllt, ausgebucht und das Publikum der immer wieder aufs Neue aufopferungsvollen Performance der Band vollkommen hin und weg.
Bergab war von da an nicht mehr möglich. Nur elf Monate lang brauchte man, bis die zweite LP fertig gezimmert war und die Charts stürmen durfte. Und "Bussi" stürmte, an die Spitze in Österreich, in die Top 10 der Schweiz und Deutschlands. Man nützte allerdings auch den erarbeiteten Hype gekonnt aus, was insbesondere dadurch ermöglicht wurde, dass die neuen Tracks zum großen Teil schon vor Veröffentlichung des Debüts da waren, nur damals nicht ausgewählt wurden. Neu ist nur Bussi Baby, das es - auch mit ein bisschen von den Medien heraufbeschworenem Video-Skandal dank Journalistin Ronja von Rönne als Protagonistin - auf Platz 3 schaffte. Die Neuerfindung des Rades ließ man aber auch dort bleiben, man singt immer noch lebensnah von Frauen, Alkohol und diesmal auch ein paar Drogen zwischendurch, gibt sich dabei ernster und rockiger. Und Wanda steht noch immer am Mikro und krächzt sich unverkennbar zu einer Melange aus süffisanter Arroganz und unkaschierter Schwächen. Wetten, dass die Band auch in den nächsten Jahren obenauf sein werden, sind da kein großes Risiko.
Wertung: Musikalisch können die Wiener mit ihrer eigenwilligen Mischung aus rockiger Verrohtheit und ultimativ chartfreundlichem Pop-Appeal auf ungefährliche und lockere Art punkten. Dass man für das Komplettprogramm dann aber im Vordergrund den Selbstdarsteller mit seinen gelebten Alkohol- und Liebesexzessen braucht, trübt das Bild doch merklich.
Hörprobe #1: Auseinandergehen Ist Schwer -
Leadsingle des Albums "Amore"
Hörprobe #2: Bussi Baby -
Leadsingle der LP "Bussi"