von Kristoffer Leitgeb, 27.11.2015
Bangors Shiny Happy People liefern Indie-Pop für die Sonnenstunden des Lebens.
Und nun zur Weisheit des Tages: In der Sonne ist es wärmer als im Schatten. Bitte, meine Schäfchen, behaltet auch das im Herzen, im Hirn und in der Milz. Sagt es euch beim Aufstehen und Schlafengehen, verinnerlicht es, lebt danach und die besonders Enthusiastischen dürfen sich sogar die Wände mit dem Spruch zukleistern. Um dieser Allegorie allerdings noch die nötige Substanz zu verleihen, sei gesagt, das Leben ist wunderschön, solange einem das Semmerl ja nicht auf die Butterseite fällt, der betrunkene BMW-Kutscher tunlichst erst den Herren hinter einem auf dem Zebrastreifen mitnimmt und die eigenen Glückszahlen beim Lotto, den Euromillionen und dem nächsten Wahrsager-Besuch große materielle Zuwächse verheißen. Und wir alle wissen, dass da für jeden genug vom Kuchen bleibt, immerhin gibt's genug Semmerl, angesoffene Autofahrer und Lottoziehungen. Gehört man trotzdem nicht zu den Erleuchteten - was, mir dämmert's gerade, irgendwie realistisch ist -, hat man eher ein schattiges Plätzchen reserviert. Da ist es an den Musikanten dieser Welt, einen wieder ins rechte Licht zu rücken, also die Sonne scheinen zu lassen. Nordiren haben das offenbar bitter nötig, wie sonst erklärt sich der einem Dauergrinsen gleichende Debütauftritt von Two Door Cinema Club?
Naja, in Bangor weinen die Wolken wahrscheinlich oft genug, dass man sich manchmal wirklich sehr nach Abwechslung sehnt und die dann auf akustischem Wege herbeiführt. Däumchen hoch dafür übrigens, denn wenngleich sich in der Fröhlichkeit eklatante Substanzlosigkeit breit macht, hat das Trio den Jangle-Pop für sich gepachtet, wie es sich nur mehr wenige Indie-Bands trauen würden. Ein paar Klischees winken da nämlich schon ums Eck, wenn um Alex Trimbles ausdrucksstarkes Fistelstimmchen dieser dem Post-Punk entliehene, pochende Bass auf dahinschlitternde, helle Riffs trifft, die sich einer gewissen Hyperaktivität ergeben. Wäre Michael Stipe nicht seit jeher ein ziemlicher Melancholiker vor dem Herrn gewesen, R.E.M. hätten zeitweise ganz ähnlich klingen können. Ein Kompliment, versteht sich. Vielleicht ein gar rosiges, andererseits vermittelt die starke Eröffnung mit drückendem Piano im Hintergrund, tickenden Keyboard-Sounds und fast zum Groove findender Gitarrenarbeit davor genug Qualität, um es nicht gänzlich an den Haaren herbeigezogen wirken zu lassen. Cigarettes In The Theatre wird auch dank einer unglaublich dynamischen Rhythm Section zum ersten kleineren Ausrufezeichen, in dessen Sound sich die 60er, 80er und das neue Jahrtausend nach eigenen Wünschen hineininterpretieren lassen. Was man ihnen eben zugestehen will.
Man wird bald merken, dass solcherlei Beschreibungen eine albumumspannende Gültigkeit haben, anders formuliert: Viel tut sich nicht. Für die zehn Songs hat man sich aus der vollen Farbpalette bestenfalls zwei Farben herausgesucht, mit denen man in Maßen wild herumwerkt. Kein Beinbruch, denn die lockeren Melodien, die starken Basslines und die elektronisch verstärkte Percussion haben ihr Verfallsdatum sicher noch nicht beim zweiten Track erreicht. Auf wirkliche Ausreißer darf man sogar länger warten, denn erst das unverkennbare "Uh-oh Uh-uh-oh" leitet im Intro von I Can Talk die besten Minuten der LP ein. Sogleich findet man sich im schnellsten und fast schon unterschwellige Aggressivität vermittelnden Track wieder, dessen Zeile "Now I can talk, no one, that's all / No one liked you" die einzige markiert, die einem auch im Gedächtnis bleibt. Kann damit zu tun haben, dass das dahinschrammelnde Gitarrenduo und der gesangliche Melodiepatron Trimble für den eingängigsten Refrain des Albums sorgen. Wobei, nein, vielleicht wird das doch eher gestrichen. Undercover Martyn, bisweilen Prunkstück des eigenen Schaffens, widerspricht dem nämlich. Dort schöpft man die Möglichkeiten der simplen Soundformel bestens aus, bringt die überall spürbare Harmonie der Band zum Höhepunkt und lässt die Gitarre winseln, dass es sympathischer kaum ginge. Gepaart mit den von Riffs fast befreiten Strophen ergibt das einen poppigen Volltreffer.
An der Vervielfältigung dessen hapert es aber rundherum doch ordentlich. Two Door Cinema Club, das bedeutet auf "Tourist History" eine Truppe, die sich in einen Rausch des Angenehmen spielt, aber fast nie mehr versucht. Man ist beständig gut, aber vor allem durch das unglaublich gleichförmige Songwriting gehen zuhauf die Varianten aus. Do You Want It All und das fast nachdenkliche This Is The Life sind vor allem gut darin, einem den Titel durch gekonntes Wiederholen auf unnachahmliche Weise näherzubringen, ihn aber auch gleichzeitig bis zur Erschöpfung breitzutreten. Die Musik spielt da mit, bricht nur sehr widerwillig und ohne jede Dynamik aus den immergleichen Akkorden aus. Das führt so weit, dass man bei Eat That Up, It's Good For You, also nach gerade einmal einer halben Stunde, so ziemlich genug hat von dem, was das Debüt zu bieten hat. Danach wird man aber auch nur mehr mit dem in den Surf-Rock abdriftenden Closer behelligt, der sich mit seinem vollgepackten Refrain auch in der Disco-Ära wohl ganz gut geschlagen hätte und das nicht ganz so unverdient, auch wenn die übrige Songausstattung nach Magerkost wirkt.
Für den Musikolymp reicht das nicht. Aber dort kommen so oft Leute hin, die unter mehr oder weniger freiwilligen Umständen früh sterben, dass man sich die Jungs aus dem Norden Irlands dort eh nicht wirklich vorstellen kann. Dafür gibt man sich dann doch zu fröhlich und ausgelassen. Das hat seine guten Seiten, denn aus den zehn Tracks sprüht eine frische Energie, die dem eigentlich so berechenbaren Stil der Band bei passender Gelegenheit ordentlich Auftrieb gibt. Vielleicht ist es auch nur das offensichtlich im Einklang agierende Gespann oder das bis ins letzte Detail glasklare und gut inszenierte musikalische Gewand, wer weiß. Eines ist aber sicher, mit ihrem Debüt sorgen Two Door Cinema Club dafür, dass sie den Satz "No one liked you" nicht allzu oft zu hören bekommen werden.