von Kristoffer Leitgeb, 19.10.2019
Ein spannungsarmer Schritt auf dem unabwendbaren Weg in die Versenkung.
Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn beim Release eines Albums die primäre Reaktion, die einer Band entgegenschlägt, hauptsächlich nach "Was, die gibt's auch noch?" klingt. Was könnte das anderes sein als die Verbalisierung der Irrelevanz und musikalischen Unscheinbarkeit, des Mangels an hinterlassenen Eindrücken und Interesse weckenden Facetten? Es gibt Hinweise darauf, dass Two Door Cinema Club mittlerweile an genau diesem Punkt angekommen sind. Das nordirische Trio gehört auch zu jener Gruppe Bands, die nur sehr kurz, natürlich mit ihrem Debüt, wirkliches Rampenlicht genießen durften und danach auch deswegen abgesackt sind, weil sie schon ursprünglich reichlich spät auf den Popularitätszug eines Genres aufgesprungen sind. Der Indie-Pop war Anfang des Jahrtausends am Erblühen und hat das Jahrzehnt über oft genug ein verdammt großes Publikum gefunden, irgendwann war es dann aber auch vorbei. Wenn man dann erst 2010 zur Party kommt, wird es etwas eng mit dem nachhaltigen Erfolg. Und doch sind die Gründe dafür, dass die Band abseits ihrer gut besuchten Touren kaum noch wahrgenommen wird, definitiv zuallererst auf ihren Alben zu suchen.
"False Alarm" heißt das neueste, einen Trend bestätigende Ding. Einerseits setzt es den Weg fort, der Alex Tremble und seine Mitmusikanten weg vom Indie-Pop und hin zu einem synthetisierten Electropop führt, andererseits ist es auch ein weiterer Schritt in Richtung blasser Bedeutungslosigkeit, fernab eines wirklich erinnerungswürdigen Auftritts. Wobei die vierte LP der Band auf einer Ebene eigentlich doch ehrenwerter ist als der Vorgänger "Gameshow", dessen zusammengestückelter, funkiger Disco-Pop ein deutliches Absacken der Songqualität bedeutet hat. Hier ist man etwas klüger unterwegs, lässt die Songs zumindest nicht so steril, so abgesondert von den Vorzügen der Band und so undurchdacht wirken. Man könnte also beinahe den Eindruck bekommen, dass hier wirklich Verbesserungen gelungen sind, zumal man mit dem einen oder anderen Song wirklich erfolgreich neues Terrain betritt. Nur ist ähnliches vereinzelt auch drei Jahre früher gelungen und darüber hinaus verhindert ein geschmeidigerer, besser ausgeformter Sound nicht, dass man zumindest genauso langweilt.
Ultimativ ist nämlich genau das das große Problem dieses Albums, das sich schon mit dem einleitenden Once einer faden, kantenlosen Mäßigkeit hingibt, deren Melange aus wuchtigen, überproduzierten Drums, hellen Synths und ungefährlichen Riffs absolut nichts hergibt, das einem im Gedächtnis bleiben oder auch nur in der Gegenwart gefallen könnte. Und wenn man mit etwas beginnt, das wie ein Outtake der Outtakes eines früheren Albums - hier definitiv "Beacon" - klingt, ist man auf einem unguten Weg. Der wird, blickt man auf die Tracklist als Ganzes, auch kompromisslos unbeeindruckend fortgesetzt. Das heißt nun nicht, dass man gar nichts hören würde, nur ist die zwischen lahmem R&B und Chipmunk-Vocals steckende Schlafwagennummer Think kein Beispiel eines positiven Eindrucks, genauso wie sich Trembles Falsetto-Stimmchen auch in der finalen, versucht sphärischen Ballade Already Gone so überhaupt nicht in das übermäßig laute und spacig synthetische Setting einfügt. Das Gesamtbild ist ein reichlich nerviges, das es aber immerhin schafft, einem die meiste Zeit fast nicht aufzufallen.
Unspektakulär ist diese Band also mittlerweile auf bravouröse Art und Weise, mitunter bis zu einem unguten Maß der Ereignislosigkeit. Auch wenn das selten ist, fällt einem auch zu einem Track wie So Many People nicht viel ein, als darin eine viel zu spät gekommene, brustschwache und überladene Wiederaufbereitung der früheren Erfolgsformeln zu sehen. Doch der Mid-Tempo-Synth-Pop ist weniger schmeichelhaft oder gar ein dynamischer Treffer, sondern ein fehlgeleitetes, von Jacknife Lee zu Tode produziertes Soundallerlei ohne erkennbaren Sinn und Zweck.
Über wirkliche textliche Aussagen muss man vor diesem Hintergrund wohl nicht mehr philosophieren. Erkennbare Versuche, sich der Digitalisierung kritisch anzunehmen und ein vages Liedchen von Entfremdung und Hedonismus zu singen, wie es in Talk passiert, machen hier nicht viel aus, sondern gehen in der übertrieben lauten musikalischen Szenerie ziemlich unter. Man ist also bereits auf klangliche Eindrücke reduziert und muss sich daher damit abfinden, dass verdammt wenig wirklich funktioniert. Nachdem ohnehin nur ein Zehnerpack an Songs angeboten wird, beginnt man also an einer Hand abzuzählen und findet neben dem passablen, sonnigen und glitzernden Indie-Pop von Talk das ähnlich gelagerte, die jangelnde Gitarre zurückbringende Satisfaction Guaranteed, dessen nach klischeehaftem 80s-Synth klingende Strophen netterweise verziehen werden. Der trottende Disco-Funk von Nice To See You wäre sogar mit seinem unnötigen Rap-Part von Gast Open Mike Eagle ein Kandidat für mehr, würde sich das Stück nicht über sechs Minuten ziehen, in denen auch die starke Percussion irgendwann ihre Anziehungskraft einbüßt, sodass man auf dem eingängigen Refrain sitzen bleibt.
Spät, aber dann doch, wird man noch mit zwei Songs konfrontiert, für die sich das ganze Trara wirklich lohnt. Dirty Air klingt diesmal im besten Sinne nach etwas, das Two Door Cinema Club zwischen ihren ersten beiden Alben hätten aufnehmen können, holt Trembles Stimme in ungekannte Tiefen, die großartig mit dem hektischen Drumherum harmonieren. Dabei dominiert netterweise die Gitarrenarbeit, genauso wie man den starken Bass zu spüren bekommt, während den Synthesizern neben den hellen Riffs nur eine Nebenrolle zugedacht wird. Das Ergebnis ist vor allem im Pre-Chorus unerwartet aggressiv, dynamisch und mit einer großartigen Hook gesegnet. Etwas weniger naturbelassen ist Satellite, dessen pulsierende Synthesizer und abwechselnd tiefer, elektronisch manipulierter, dann wieder klassische hoher Gesang einen für einmal funktionierenden Retro-Vibe ergeben. Ähnlich wie bei Dirty Air geht auch hier nichts ohne den verdammt eingängigen Refrain, was wiederum nichts an der ganz eigenen Qualität des Aufeinandertreffens von tonlos tiefem Gesang und grellen Synths in den Strophen ändert.
Nur beginnt dann irgendwo die Mathematik anzusetzen. Eine Hälfte der Songs, die man auf "False Alarm" findet, braucht es schlicht und einfach nicht, ohne dass sie sonderlich grausam wären. Nachdem man beim Rest jetzt nicht davon reden kann, dass das alles erstklassige Arbeit wäre, sondern letztlich lediglich zwei Tracks übrig bleiben, für die sich all das wirklich gelohnt hat, kann man nur sehr schwer von einem Erfolg sprechen. Stattdessen steht der vierte Anlauf der Nordiren als ein ziemlich unnötiger da. Im besten Fall bleibt noch das Zugeständnis, dass hier eine Band nach einer neuen Identität und damit nach einer wirklichen Daseinsberechtigung sucht, ohne diese wirklich zu finden. Nachdem man trotzdem lichte Momente findet, sollte man Two Door Cinema Club wohl noch nicht ganz aufgeben, aktuell ist da aber herzlich wenig, das dazu geeignet wäre, einigermaßen Interesse zu wecken.