The White Stripes - Icky Thump

 

Icky Thump

 

The White Stripes

Veröffentlichungsdatum: 15.06.2007

 

Rating: 6.5 / 10

von Mathias Haden, 28.10.2017


Mit roherem Sound findet der rot-weiß-schwarze Wahnsinn ein Ende.

 

In Nashville haben schon viele Musiker ihr großes Glück gefunden. Zwar ist die Hauptstadt von Tennessee eher dafür bekannt, talentierten Goldkehlchen den Traum vom Country-Superstardom zu ermöglichen, doch brachten die einzigartigen Aufnahmebedingungen der Country-Metropole auch Künstlern aus den unterschiedlichsten Sparten immer wieder Inspiration. Jack White hatte die meiste Zeit als charismatischer Leader seiner zweiköpfigen White Stripes mit Country zwar noch nicht so viel am Hut, doch war sein Interesse an der Musik seiner geliebten Vereinigten Staaten in jedem Gitarrenriff spürbar. 2004, ein Jahr nach dem Welterfolg mit Elephant, produzierte er Van Lear Rose von Loretta Lynn und brachte die "First Lady of Country" damit wieder auf die Landkarte. Für Icky Thump, das schließlich die letzte LP mit seiner vormaligen Gattin Meg White bleiben würde, dockte der Gitarren-Magier dann 2007 selbst in Nashville an.

 

Auch diese Scheibe ist ganz wo anders in der amerikanischen Tradition verwurzelt. Statt heulender Pedal-Steel dröhnen die Gitarren und atmen wieder vermehrt jene Blues-Luft, die schon die Anfänge der Karriere bestimmt hatte. Generell wurde das sechste Studioalbum in weniger als zehn Jahren als eine Art Rückkehr zu den ursprünglichen Tugenden der White Stripes gefeiert. Mehr Garagen-Feeling, mehr Punk-Vibe und vor allem wieder rohere, angriffigere Riffs. Hört sich erst einmal gut an, tönt auch äußerst ansprechend. An die aufpolierte Produktion und das selbstgefällige Geraunze des Vorgängers Get Behind Me Satan erinnert hier tatsächlich wenig, auch das nicht selten Kitschfaktor garantierende Klavier ist in der Heimat Detroit geblieben. Exzentrische Spielereien finden sich allerdings nach wie vor, so schunkelt das überraschend starke Prickly Thorn, But Sweetly Worn zu einem stampfenden Drumbeat, akustischen Gitarren und Dudelsack, lässt Jack auf 50er-Cover Conquest einen Kampfschrei los, der in seiner Skurrilität nur von der begleitenden Trompete übertroffen wird. Dem Dudelsack begegnet man dann noch einmal im nicht minder bizarren St. Andrew (This Battle Is In The Air), das einmal mehr Meg ins Spoken-Word-Gefecht entsendet. Gelegentlich übertreiben die beiden es, wie am gefeierten Rag And Bone, das die ehemaligen Eheleute inmitten drückender Gitarrenwände und charmanten Laut/Leise-Kontrasten in einem unnötigen, unspannenden Dialog wiederfindet.

 

Generell wirkt Jack wie so oft seit seiner Krönung als größter Gitarrist seit Hendrix etwas zu überdreht in seiner Darbietung. Auch abgesehen vom Conquest-Hahnenschrei mimt er nicht selten den selbstgerechten Gockel, krächzt, hyperventiliert und vergisst gelegentlich die Musik zugunsten einer kleinen Showeinlage. Nichts neues eigentlich. Die größte Überraschung, die Icky Thump zweifellos liefert, ist aber ohnehin wohl, dass Meg sich über die Jahre allen Unkenrufen zum Trotz zu einer verlässlichen Drummerin gemausert hat, die ihr Drumkit songdienlich bedient. Nicht zuletzt ihr ist es also zu verdanken, dass kraftvolle Stücke wie der Titeltrack, 300 M.P.H. Torrential Outpour Blues a.k.a. die Rettung des Rock 'n' Roll oder der breitbeinige Catch Hell Blues nicht nur mit effekthaschendem Gitarrengeblöke aufwarten müssen, sondern auch ordentlich Nachdruck erzeugen. Der andere Erfolgsgarant ist der rohe, nicht geglättete Sound, dank dem das Duo wieder so wirkt, als hätte es auch wirklich Spaß an dem, was es macht. Zwar nimmt man dem Perfektionisten Jack nicht ganz ab, dass das Album insgesamt relativ spontan und flott eingespielt wurde, doch ist der unbeschönigte Charme seiner trockenen Riffs wie jener von You Don't Know What Love Is (You Just Do As You're Told) keineswegs von der Hand zu weisen. Zuweilen kann auch das nerven, wenn hinter einem rabiaten Jam wie Bone Broke praktisch kein brauchbarer Song vorhanden ist, aber lieber einmal ehrlich und auf die Nuss! Während sich die LP dann ganz gemächlich seinem Schlusspunkt nähert, holt Jack, wohl in Kenntnis der monotonen Natur seines angeberischen Gitarrengeschrammels, eine Orgel ins Boot. Ein nettes kleines Gimmick, das über unspektakuläre Tunes nicht hinwegtäuscht, aber zumindest kurzzeitig für Ablenkung sorgt.

 

 

Am Ende einer letztlich doch um eine Handvoll Minuten zu langen Reise durch Blues- und Punk-beeinflussten White'schen Rock mit Garagen-Charme und erdiger Rohheit gibt es zwar einerseits mit "Well, you can't take the effect and make it the cause" eine nicht ganz so beeindruckende Weisheit auf den Weg, andererseits aber nach dem ambivalenten Get Behind Me Satan und dessen omnipräsenter Marimba einen versöhnlichen Abschluss einer insgesamt doch reichlich überbewerteten Laufbahn. Icky Thump beginnt stark, verliert sich im Mittelteil in genreübergreifenden Experimenten und kehrt dann zu schablonenhaftem Blues-Rock mit der Lizenz zum Langweilen zurück. Jack White hat in Nashville wohl tatsächlich sein Glück gefunden, ist gut drauf und überdreht wie immer, während Ex-Frau Meg nicht mehr so wirkt, als wäre sie überwiegend darum bemüht, die Snare Drum zu treffen. Wie so oft bei den White Stripes steckt auch in der letzten LP mehr im Drumherum, als in den Songs an sich, in dieser organischen Gangart hätte es aber gerne noch ein bisschen weiter gehen können. Was nicht bedeuten soll, dass mir die beiden rot-weiß-schwarzen Lackaffen in irgendeiner Form fehlen würden.

 


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