The Vines - Vision Valley

 

Vision Valley

 

The Vines

Veröffentlichungsdatum: 01.04.2006

 

Rating: 5.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 13.09.2019


Vorteilhafte Kürze als mäßiger Trumpf zwischen psychedelischer Fadesse und gezügelter Zügellosigkeit.

 

Fünf Jahre, acht Monate und einen Tag hat es gedauert, bis man sich in diesen digitalen Landen wieder einmal einer australischen Band erinnert, die kurzzeitig viele Rockkritiker des anbrechenden Jahrtausends verzückt hat. Gründe für diese eklatant große Zeitspanne lassen sich einige finden, zwei sind allerdings überdeutlich: Erstens hat sich der Status der Vines als vermeintliche Rockhoffnungsträger, die sie bei dem einen oder anderen Kritiker eingenommen haben, außerhalb des Outback nur sehr begrenzt auf die konsumierende Masse übertragen. Und zum zweiten haben selbst diese wackeligen Ehren nur ein Album überdauert. "Highly Evolved" kam, fand Anklang und manch Ehrung, landete einen Hit und ging wieder. Doch irgendwie kam nichts nach, was in Verbindung mit Frontmann Craig Nicholls oder genauer dessen erratischen Performances für wenig gute Presse gesorgt hat. Zwar wurde irgendwann diagnostiziert, dass Nicholls seine verbalen und Equipment vernichtenden Ausbrüche als Autist nur bedingt unter Kontrolle hatte, Bandmitglieder oder Erfolg hat das trotzdem nicht zurückgebracht. Mit "Vision Valley" bekommt man einen guten Eindruck, warum das durchaus legitim erscheint, auch wenn es zu einem Höhepunkt in der Karriere der Band reicht.

 

Diesen bekommt man hier nicht in Form eines Songs serviert, wie das insbesondere am Debüt der Fall war. Dort hatte man ja an der wirklich großartigen Front Get Free und effektiv sonst nichts, außer man ist generös genug, auch noch Highly Evolved diesen Status zuzugestehen. Hier bekommt man gleich gar keinen in alle Ewigkeit mitreißenden Song. Damit sind die Erwartungen gleich einmal passend justiert, was die Band nicht daran hindert, mit dem besten Track zu starten. Anysound ist in dieser Hinsicht das, was man von den Vines kennt und mag. Nämlich kurzer, knackiger Garage Rock mit dezentem Grunge-Anstrich. Also etwas, das klanglich zwischen Nirvana, den Foo Fighters und den Strokes landet, dabei Nicholls als Schmalsspur-Cobain etabliert, textlich wenig bis gar nichts aussagen will und dabei musikalisch poliert genug klingt, um im Fall der Fälle auch auf einer LP von Green Day nicht deplatziert zu wirken. Womöglich klingt das unvorteilhaft, es funktioniert aber schlicht und einfach, wenn der Main Riff so zündet wie beim Opener, die Drums geschmeidig mitspielen und die Claps nicht allzu irritierend laut sind. Dann hat man nämlich einfach etwas, das stark rockt.

 

Und dieses Album ist ein Sieg auf der Ebene, als dass es die Band wohl so fokussiert auf diese Stärke zeigt, wie sie nie sonst war. Das hat naturgemäß Vor- und Nachteile, weil man nicht davon reden kann, dass die Kompositionen oder auch die Produktion nuanciert und variantenreich genug wären, um auch nur eine halbe Stunde gewinnbringend zu füllen. Aber immerhin kann man sich mit Songs wie Don't Listen To The Radio, Fuk Yeh, dem dröhnenden Dope Train oder Futuretarded durchaus anfreunden. Melodisch überzeugt nur letzteres so wirklich, aber zumindest ist da genug Energie drinnen, um Nicholls' latent schläfrigen Gesang nicht irritierend wirken zu lassen und vor allem die Musik vor dem Schicksal ähnlicher Lethargie zu bewahren. Vielleicht kann man das auch übertreiben, zumindest ist Dope Train mit seinen rauen Riffwänden kurz davor, zu viel des Lärms und zu wenig der spürbaren Melodik zu sein. Andererseits fühlen sich da zumindest die lockeren Strophen und auch das langgezogene Outro wie eine willkommene Abwechslung von der vollen Dröhnung an. Was natürlich einzugestehen ist, ist die Tatsache, dass man mit so ziemlich inhaltsleerem Alternative Rock der kompromissloseren Art auch im vorteilhaften Zwei-Minuten-Format kaum eine ganze LP füllen kann. Möglich, dass einfach nur Nicholls' Art der Präsentation den Tiefgang der Texte verschleiert, andererseits kommt man in langsameren Minuten nicht auf die Idee, plötzlich die gebotenen Zeilen für ihre Qualität zu schätzen. Insofern ist es eine Zwickmühle, weil selbst diese halbe Stunde an Musik mit Gross Out einen Song hat, dessen schmerzhafte undefinierte Durchschnittlichkeit zeigt, dass die Vines jetzt nicht gerade Großmeister des High-Speed-Rock sind und ein bisschen an Varianten arbeiten sollten.

 

So oder so ist aber allgemeingültig, dass mit dem Tempo hier auch die Qualität rapide absinkt. Immerhin hat man es selten damit zu tun, dass von nahezu balladeskem Material die Rede ist, aber dann wird es schnell unfassbar langweilig. Songs wie Vision Valley oder Spaceship zeigen nicht nur eindrucksvoll, dass Nicholls mit seiner einen Tonlage für viel abseits von wütendem Gebrüll über frenetischer Gitarrenarbeit zuständig sein sollte. Sie zeigen auch, dass die einförmige Geradlinigkeit der Songs auch in längerer und deutlich langsamerer Form erhalten bleibt. Nichts an Vision Valley ist ein wirklicher, Abwechslung bietender Akzent, auch nicht die Tatsache, dass die leblos dahintrottenden Gitarrenakkorde irgendwie von Streichern und Klavier begleitet werden. Knappe drei Minuten ist man gefangen in dieser lethargischen, emotionslosen Suppe, die auf unbequeme Art nach Spector'scher Wall of Sound klingt und trotzdem unfassbar monoton wirkt. Spaceship könnte man jetzt anderes zugutehalten, was aber nur daran liegt, dass nach dem akustischen, mit Keyboard verstärkten Beginn irgendwann ein endloser, zwischen Blues Rock und Grunge schwimmender Instrumentalpart, der nicht wirklich etwas mitbringt, das Atmosphäre oder Stimmung transportieren könnte. Das kann man vielleicht folgerichtig nennen, weil auch der mit spärlichem Text ausgestattete Rest des Songs dank Nicholls' mieser Vorstellung jeglicher Emotion fernbleibt. In jedem Fall hilft es nicht wirklich.

Insofern gewinnt man im Laufe der Tracklist zumindest die Erkenntnis, dass die beschwingt-lockere Gangart von Candy Daze anscheinend das Tempo-Minimum für die Band darstellen sollte, um einen dauerhaft zu überzeugen. Gleichzeitig muss man sagen, dass es gern öfter so klingen dürfte wie in diesem Fall, denn das kann dank der starken Rhythm Section schon einiges. So viel sogar, dass nicht einmal die eingestreuten Orgelklänge stören.

 

All das führt einen nur nirgendwohin. Außer irgendwann an das Ende von "Vision Valley" und damit an einem Punkt, wo man nach etwas mehr als einer halben Stunde Musik definitiv sagen kann, man hätte genug. Nicht von allem, was hier geboten wird, aber vom äußerst durchwachsenen und in so ziemlich keinem Moment irgendwie beeindruckenden Gesamtpaket. Trotzdem kommt die dritte LP der Vines mit dem eingebauten Vorteil einer kurzen Laufzeit und damit verbunden einem relativen Fokus der Band auf ihre Stärken. Nachdem diese limitiert sind und man sich trotz allem nicht von ungemütlich klingenden, zwischen Pop und psychedelischen Anwandlungen oszillierenden Schläfersongs verabschieden will, ergibt das nichtsdestoweniger ein bescheidenes Urteil. "Vision Valley" ist ordentlich, oft genug ziemlich gut sogar. Aber mäßig bis gar nicht originell und selbst in den besten Minuten eigentlich auf keiner denkbaren Ebene vollends überzeugend. Und weil das alles beim dritten Anlauf trotz angezogener Schrauben auf Produktionsebene so ziemlich genau so klingt, wie es das auch davor getan hat, tun sich nicht wirklich deutliche Wege für Verbesserungen auf. Es ist, wie es ist, sagte einmal ein Ex-Bundeskanzler. Und die Vines sind die Vines sind die Vines. Das sind sie auf Biegen und Brechen oder zumindest ohne erkennbaren Willen von Veränderung, was einen vermuten lässt, dass das Mittelmaß der Plafond ihres Wirkens sein könnte.

 

Anspiel-Tipps:

Anysound

Candy Daze

- Futuretarded


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