The Vines - Highly Evolved

 

Highly Evolved

 

The Vines

Veröffentlichungsdatum: 14.07.2002

 

Rating: 4.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 12.01.2014


Die Vines als Retter des Rock? Das Genre hat wirklich ein Problem.

 

Es gibt Momente im Leben eines Musikers, da ist gerade der große Erfolg ein Anlass für Zweifel und Ärger. Da wäre die altbekannte Geschichte von Falco, der bei der Nachricht von Platz 1 in den USA mit Rock Me Amadeus der einzige Anwesende war, der nicht mit Jubelstürmen reagierte. Oder aber Kurt Cobain, dessen plötzlicher Sprung zum Weltstar mit Smells Like Teen Spirit nur ein weiterer Baustein für seinen Selbstmord war. Und dann hätten wir da Craig Nicholls, den manischen Frontmann der Vines. Was hat der wohl gedacht, als ihn Kritiker ausgerechnet als neuen Cobain bezeichnet haben und seine Band mit 'Beatles meets Nirvana' beschrieben wurde?

 

Ich hab keine Ahnung, aber so ganz geheuer dürfte ihm die Sache wohl nicht gewesen sein. Als dann auch noch das Rolling Stone die Australier zu Rettern des Rock geadelt hatte, musste man selbst als Garage Rock-Sympathisant irgendwie stutzig werden. Und das mit Fug und Recht. Sooft nämlich auch Zweifel am Geisteszustand von so manchem 'Musikkritiker' aufkommen, sobald irgendjemand glaubt, man könnte erfolgreich die Musik der Beatles und von Nirvana verbinden, ist es mit Toleranz vorbei. Wäre aber auch nicht so schlimm, würde die vielgelobte Musik dann wenigstens annähernd das angestrebte Niveau erreichen.

 

Das spielt's aber nicht. Denn die Australier tun sich wirklich schwer. Opener Highly Evolved bringt trotzdem zumindest so ungefähr das, was man von einem Cobain-Klon erwarten kann. Röhrende Riffs, simple Beats und mühsamen Gesang, der tatsächlich in den Sphären von Mr. Grunge angesiedelt ist. Und: Es hört sich ganz gut. Vor allem, weil das Ganze mit eineinhalb Minuten kurz und knackig daherkommt. Ähnlich, eigentlich sogar noch besser, schaut's mit Erfolgssingle Get Free aus, deren Punk-Riff kombiniert mit Nicholls energiegeladener Performance das einzige Mal die Power durchblicken lässt, die man gerne auf Albumlänge gespürt hätte.

 

Abseits davon findet sich allerdings weniger lobenswertes Material. Zwar bieten Outtathaway und In The Jungle ordentlich runtergespielten Garage Rock, mal im Stil der Hives, mal eher als merkwürdige Psychedelic-/Hard Rock-Kombo, so wirklich ins Schwärmen kommt man aber nicht. Bedingt insbesondere dadurch, dass Vieles, was einem die Jungs bieten, müder wirkt, als man es erwarten würde. Ein Punkt, der zwar erst bei den ruhigeren Songs wirklich ins Gewicht fällt, aber auch die schnellen abseits von Get Free nur wenig zum Leben kommen lässt. Am ehesten gelingt es wohl noch Sunshinin, dessen schräger Riff in Verbindung mit dem simplen Keyboard-Loop und zusätzlichen Percussions musikalisch zumindest etwas ausbricht.

 

Gerade bei den langsameren Nummern findet das allerdings überhaupt nicht statt. Die plagt, wie ohnehin alles, was hier über drei Minuten lang ist, musikalische Monotonie und die Tatsache, dass Nicholls weder stimmlich noch als Songwriter wirklich geeignet scheint für irgendetwas abseits von chaotisch klingendem Garage Rock. So zerstören die ruhigen Momente durchwegs den Fluss des Albums. Egal, ob es das müde, pseudo-psychedelische Country Yard ist, das nach Get Free deplatziert wirkt, oder die unfreiwillig lustige Klavier-Ballade Homesick, die sich direkt vor dem Albumfavoriten breit macht. Am schlimmsten erwischt's aber wohl Mary Jane und 1969, die zusammen auf über zwölf Minuten kommen und einem so das Ende der LP ziemlich versalzen, auch wenn zumindest Letztere kurzzeitig wieder aus dem Halbschlaf aufwacht.

 

Zur Verteidigung der Band könnte man anfügen, dass sie wenigstens mal etwas anderes gemacht hätten. Tja, schade, dass nur kurz vorher die Hives mit monotonem, aber doch ansehnlicherem Garage Rock dahergekommen sind, die White Stripes sich schon vorher als die großen neuen Rockstars verkauft haben und die Blütezeit des Grunge noch nicht zu lange her war, um dessen dreckigen Sound komplett vergessen zu haben. So wirkt "Highly Evolved" dann wie ein Konglomerat aus all dem, versetzt mit einer kleinen Prise Psychedelic-Charme. Auch das wäre grundsätzlich nicht schlecht, wirkt doch allein die Aufzählung der Zutaten durchaus ansprechend. Das Ergebnis ist es aber einfach nicht.

 

Was weniger an den musikalischen Fähigkeiten der Band liegt, sondern wohl eher am Songwriting und dem Auftreten von Nicholls. Denn ab und an, meist nur für wenige Augenblicke, blitzt wirklich der Typ auf, der 1991 die Rock-Welt umgekrempelt hat. Am offensichtlichsten ist das im Titeltrack, aber auch In The Jungle und Ain't No Room stehen irgendwie mit einem Bein in dem Eck. Nur mangelt es Nicholls neben der Fähigkeit, sich auf das zu beschränken, was er wirklich gut rüberbringen kann, vor allem an der depressiven Aura, die Nirvana-Songs erst so anziehend gemacht hat. Stattdessen trifft man mit den Vines eine Band, die wohl vor allem eines macht: Spaß haben. Dürfen sie, man muss ihnen nur nicht unbedingt dabei zuhören.

 

Wenigstens nehmen die Australier aber Abstand davon, einen musikalisch auf irgendeine Art zu quälen. Sie langweilen einen schon immer wieder, aber auf "Highly Evolved" findet sich trotzdem das ein oder andere Lebenszeichen. Dass die Band aber die meiste Zeit ihren großen Vorgängern hinterherhinkt, ist allzu offensichtlich. Etwas schade, denn rund um Get Free und Highly Evolved hätte eine wirklich starke Platte entstehen können, die einem keine Motivationslöcher offenbart. So bleibt viel eher Stückwerk zurück, dass bei Zeiten großes Potenzial erahnen lässt, es aber dann doch nicht umsetzt.

 

Anspiel-Tipps:

- Highly Evolved

- Sunshinin

- Get Free


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