The Pogues - Rum, Sodomy & The Lash

 

Rum, Sodomy & The Lash

 

The Pogues

Veröffentlichungsdatum: 05.08.1985

 

Rating: 8 / 10

von Daniel Krislaty & Mathias Haden, 21.02.2015


Fokussiert und zielgenau, wie man es von einer keltischen Lagerfeuerpartie gar nicht erwartet hätte.

 

Dass die Pogues aber eben kein beliebiger Zusammenwurf von Traditionalisten am Lagerfeuer, sondern vielmehr eine Gruppe von akribischen Visionären sind, scheint mit Blick auf die bereits zu Release bärtige Agenda des Albums streitbar. Klar, Musikengland befand sich Mitte der 80er Jahre in fester Synthpop-Hand und eine Trademark wie Fairport Convention sah sich schon lange abgelöst, doch tut man Rum, Sodomy & The Lash mit einem bloßen Verweis auf die ungewöhnliche Zeit der ersten Pressung gewiss Unrecht. Mit ihrem zweiten Studiowerk beschreiten die Pogues einen ungepflasterten Weg auf den Spuren der Geister heimatlicher Vergangenheit und finden auf der Suche auch die eigene Faszination für amerikanische Folklore.

 

Diese Verbundenheit lässt sich sogar musikalisch am Cover des von Kleeblatt übersäten und dem frommen Iren unersetzbaren Dirty Old Town greifen, wenn Mundharmonika und Banjo im Intro Rednecks auf der anderen Seite des Atlantiks aufgeregt mitschnippen lassen, bevor die prominente Tin Whistle wie so oft im Laufe des Albums das Grün einer schottischen Landschaft fühlbar macht. Eines ist aber gewiss; egal ob die heitere Tavernennummer The Sick Bed of Cuchuliann mit wilden Streichern zum Auftakt oder der instrumentale Einschub Wild Cats of Kilkenny, der für eine tolle Geschichte nicht einmal Worte zu verschwenden braucht, die Protagonisten der Pogues treffen jeden ihrer fließenden Einsätze scheinbar mühelos, als wäre der wilde Jam das Natürlichste überhaupt.

 

Der charismatische und stets zumindest angetrunken wirkende Sänger Shane MacGowan widmet seiner wahren Liebe, Sally MacLennane, den gleichnamigen Track – klingt doch eigentlich ganz nett. Dass Sally MacLennane jedoch eine Biermarke ist und das Lied die vielen eigenen Saufgelage einiger ausschweifender Trinkwettbewerbe und deren Rituale aus den frühen 80ern reflektiert, steht dem schelmischen MacGowan dann schon besser zu Gesicht. 'Back to the US' heißt es mit dem Outtake A Pistol For Paddy Garcia und Jesse James, die sich beide dem guten alten Wilden Westen verschreiben. Während ersteres eher an Ennio Morricones Begleitungen für Spaghetti Western erinnert, hält Jesse James eher umsichtig und daher womöglich unspektakulär an den traditionellen Formen einiger vorangegangenen Versionen fest.

 

Mit dem zerrenden A Pair Brown Eyes legt MacGowan seine Fähigkeiten als Songwriter eindrucksvoll offen. Entgegen der idyllischen Melodie der Komposition mit einem beherrschenden Akkordeon kontert er aus der Perspektive eines Veteranen, der über den niederschmetternden Horror des Krieges erzählt, mit ausgebrannter Ironie. Der Schlusspunkt, The Band Played Waltzing Matilda, führt die Pogues abermals in den Schrecken eines Schützengrabens, lenkt die Geschicke der Band jedoch zu einem einheitlich pessimistischen Ausblick mit elegischem Horngebläse als Ausklang.

 

Die eindeutig gut geschmierte Maschinerie des Instrumentenarsenals bildet bestimmt die Wirbelsäule des Albums. Zu hochwertigem Folk gehört bekanntlich aber nicht nur Form, sondern auch Inhalt, der hier weite Kreise zieht. Zwischen Coverversionen und eigenen Zeilen verbirgt sich die Band auf Rum, Sodomy & The Lash bestimmt hinter keinen verschleierten, bedeutungsschwangeren Botschaften, sondern sensibilisiert lieber für eigene Geschichte und macht keinen Hehl daraus, Alkohol und Tavernen voll gut zu finden.

 

D-Rating: 7.5 / 10

 


Schwungvoller Folk Punk Klassiker, der auch zwanzig Jahre nach dem Erscheinen noch bewegt.

 

Ach herrje. Hier bahnt sich wohl die nächste Episode der trauten Einigkeit auf MusicManiac an. Im Mittelpunkt steht dabei ein Haufen rüder Raufbolde, ohne die das wilde Ensemble von Flogging Molly wohl etwas anders klingen würde. Auf ihrer zweiten LP mischen die Londoner irische Folk-Ästhetik mit britischer Punk-Sensibilität, linsen wie der Kollege bereits beschrieben hat auch über den Atlantik - und über allem thront Albumpate und Produzent Elvis Costello.

 

Dass der hier wie auch ich auf seine Kosten kommt, zeigt schon das humorvolle I'm A Man You Don't Meet Everyday, über das der gute D in seiner Euphorie wohl hinweggesehen hat. Als ob diese zurückgelehnte Ballade in ihrer lockeren Instrumentation nicht schon genug Spaß machen würde, wird für seinen Gesang nicht wie üblich Shane MacGowan, sondern Cait O'Riordan beansprucht - pikanterweise eine Frau! Costello dürfte das Ergebnis gefallen haben, er heiratete die Bandbassistin im folgenden Jahr. Die beeindruckendsten Minuten liefert allerdings zur großen Überraschung das beschwinge Instrumental Wild Cats Of Kilkenny, das ja schon fabelhaft beschrieben wurde. Auch sonst liefern die Briten hier genügend Argumente, die Band jener seiner zahlreichen Nachahmer vorzuziehen. Die Hintergrundgeschichte von Sally MacLennane zu beleuchten war eine tolle Idee, sich von seiner schwungvollen Melodie mitzureißen und sich von seinen lieblichen Akkordeon- und Flötentönen treiben zu lassen, ist auch eine. Ganz egal, ob hier einer Frau, einem Bier oder einem Zehennagel gehuldigt wird, das ist schon verdammt gut. Der englische Klassiker Dirty Old Town gerät unter den Händen von MacGowan zu einer bandeigenen Hymne, auch beim traditionellen Jesse James stellt sich trotz Tin Whistle-Spieler Spider Stacys unvorteilhaftem, aber irgendwie zum Kontext passenden Gesangs der eine oder andere Schenkelklopfer ein.

 

Leider vermag Rum, Sodomy & The Lash - mit oder ohne Beistrich - sein hohes Tempo nicht bis zum Schluss zu halten. Immer wieder gesellen sich Tracks mit fadem Beigeschmack hinzu. Dem fast schon depressiven The Old Main Drag ist textlich nicht viel vorzuwerfen, so richtig in Fahrt will er trotz stimmungsvollem Akkordeon nicht kommen. Auch das traditionelle The Gentleman Soldier will trotz hoher Drehzahl, lieblicher Flötentöne und wilden Drums nicht so recht überzeugen, die unterschiedlichen Stimmlagen, die MacGowan zum besseren Verständnis seiner kurzen Geschichte anwendet sind auch nicht leicht zu schlucken.

 

Dafür gibt es mit dem ebenfalls traditionellen The Band Played Waltzing Matilda eine achtminütige, epische Versöhnung auf jeder Ebene. MacGowan singt unglaublich hingebungsvoll, während die Band für ihn die passend atmosphärische Untermalung legt und schließlich das 'elegische Horngebläse' einsetzt.

 

Man muss nicht gerade ein Redneck sein, um bei Tracks wie Wild Cats Of Kilkenny oder Sally MacLennane die Hemmungen fallen zu lassen und sich in den hypnotischen Melodien, die das zweite Album der Pogues so stark machen, zu verlieren. Wir sind uns über zwei Dinge jedenfalls vollkommen einig:

1. Freunde des irischen Folk Punks oder schlicht guter Musik sollten hier bedenkenlos zugreifen und

2. Wer eine Schwäche für großartige Artworks hat, sollte hier am besten gleich zu Vinyl greifen!

 

M-Rating: 8 / 10

 


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