von Kristoffer Leitgeb, 30.12.2013
Wenn selbst die Mid-Life-Crisis gute Musik bietet, dann läuft irgendwas sehr richtig.
Wein wird besser, je älter er ist. Zumindest glauben wir das. Und wir glauben doch auch alle fest daran, dass unsere 'personal favorites' mit der Zeit immer und immer besser werden. Naja, die Träumer unter den Musik-Fans vielleicht. Der Rest von uns ist sich sehr wohl bewusst, dass es sich mit den meisten Interpreten so verhält wie mit Schimmelkäse (der unattraktivste Vergleich seit Menschengedenken). Er braucht einige Zeit bis er reif ist und sich so wirklich voll entfaltet, aber wenn er über der Zeit ist, dann ist er eben drüber. Da hilft dann nichts mehr. Und so ähnlich läuft's Anfang des Jahrtausends auch mit Kaliforniens liebsten Pop-Punkern, The Offspring. Während "Americana" ein würdiges Ende für das 20. Jahrhundert war, kam mit "Conspiracy Of One" gleich der Tiefpunkt hinterhergeschoben. Drei Jahre später geht's nicht allzu steil bergauf.
Das beginnt schon einmal damit, dass einem Holland & Co nicht mehr als 31 Minuten präsentieren. Manche nennen es punkig, andere eine vor Faulheit stinkende Frechheit. Hier liegt die Antwort wohl in der Mitte, so ganz geheuer ist einem dieser Pseudo-Longplayer damit aber nicht. Wenn dann noch mit Brendan O'Brien der gleiche Produzent wie beim letzten Mal an Bord ist, erwartet man schon keine Rückkehr zu härterem Punk mehr. Und dann bringen die als Opener auch noch Neocon. Wenn Dexter Holland mit seiner schiefen Stimme, unterlegt vom härtestmöglichen, unglaublich störrischen Beat und nebensächlichen Bass- und Gitarren-Spielereien, so etwas wie "We are strong / We are right / We won't be pushed aside" ins Mikro quiekt, dann hat das wenig Sympathisches. Vor allem, weil da kein Punk-Song wartet, sondern eine merkwürdige, träge Hymne mitsamt heulender Masse im Hintergrund.
Scheiße, es geht wieder bergab. Haha, falsch geraten. Denn mit The Noose erwartet einen gleich die Wiedergutmachung. Da stimmt dann fast alles. Aushilfs-Drummer Josh Freese leistet tolle Arbeit, die Bass-Line gehört zu den besten der Band seit langem und Noodles, tja, der ist einfach Noodles und würgt seine Gitarre mal wieder auf beste Art und Weise. Dazu gesellen sich Hollands dann doch wieder sympathische Lyrics, die mit "Well, our souls are all mistaken in the same misguided way / We all end up forsaken, we're just choosing our own way" einen riesigen Schritt in die richtige Richtung machen, verglichen mit Zumutungen wie One Fine Day auf dem Vorgänger.
Gerade solche Songs will man von ihnen. Netterweise bekommt man sie mit Never Gonna Find Me und Lightning Rod dann auch später noch präsentiert. Besonders auffällig dabei ist wieder einmal O'Briens Produktion, die die Drums dermaßen hart und laut macht, dass man den Rest des Songs ab und an nur mehr unterbewusst wahrnimmt. Ein markanter Fehler, wären nicht die Beats und auch das Drumherum von Josh Freese die meiste Zeit auf Top-Niveau - zur Verteidigung von Ron Welty, der hat bis dahin auch nicht schlecht getrommelt. Ansonsten gibt's einen ernsteren Grundton, etwas weniger Pop und so manch gute Zeile aus dem Mund von Dexter Holland.
Während die Band mit solchen Nummern, wie auch mit (Can't Get My) Head Around You, genau den Nerv der Fans trifft, dürften Momente wie The Worst Hangover Ever weniger Freudenschreie auslösen. Denn so dumm der Titel ist, so plump ist dann auch der Song. Während die Band so sehr nach Ska klingt, wie schon lange nicht mehr, machen Hollands grässlicher Gesang und der peinliche Text jede Hoffnung auf weitere positive Töne zunichte. Bedingt auch dadurch, dass sich zwischendurch mit Long Way Home und Race Against Myself auch die härtere Seite nicht immer optimal zeigt. Ersterer bietet in all seiner Stärke eine Monotonie, die an A Million Miles Away erinnert, der Zweite kommt dafür nicht über biederen Mid-Tempo-Rock im mäßigsten Format hinaus.
Dafür, welch Überraschung, gehören die besseren Fun-Tracks zum ersten Mal seit langem wieder zum besten Material. Allen voran der lockere zwischen Folk und Ska tingelnde Pop von Spare Me The Details. Locker, kurzweilig und schon mit der ersten Zeile ("My girlfriend, my dumb donut / Went out to a party just the other night") einen Lacher wert, auch wenn die Story von der auswärts (bei-)schlafenden Freundin nichts Neues ist. Zum anderen die eigentliche Nerv-Nummer der LP, Hit That. Erfolgreiche Single und mit dem harten Refrain samt Top-Riff sicher nichts Schlechtes, dafür aber mit eindeutig übertriebenen Synthie-Sounds in den Strophen, die auch die Aufgeschlossensten irgendwann - spät, aber doch - quälen.
Wenn dann aber wieder ein katastrophal unlustiger Closer in Form des 30er-Jahre-Sounds von When You're In Prison wartet, dann schaut's nicht ganz so rosig aus. Mittlerweile wissen wirklich alle, was man dort nicht mit der Seife machen soll, der Humor ist da schon seit langem draußen.
Und nichtsdestotrotz, selbst diesmal schaffen es die Kalifornier sich im Großen und Ganzen von der guten Seite zu präsentieren. Denn während man doch ab und an besser beraten ist, ein paar Minuten zu überspringen, bleiben einem auch bei der kurzen Laufzeit noch genug Songs, die ihre Zeit mehr als wert waren. Sie scheinen seit dem Millenium nicht mehr so ganz 'on top of the game' zu sein, aber einen Beweis haben sie zumindest erbracht: The Offspring klingen selbst in ihrer Mid-Life-Crisis noch wirklich gut. Wieviele Bands können das schon ehrlich von sich behaupten?