Der eingeklemmte kreative Gipfel, der Abwechslung und Treffsicherheit gleichermaßen drauf hat.
Sollten es manche hier nicht mehr so ganz im Blick haben, ja, es gibt sie schon noch. Es ist nur nicht ganz eindeutig, wie sehr oder in welcher Form. The Offspring waren sogar offiziell nie ganz
weg, was nichts daran ändert, dass man seit 2012 nicht mehr sonderlich mit musikalischen Neuigkeiten aufgefallen ist - eine mäßige Single, Cover-EP und noch mäßigeren "Sharknado"-Beitrag
ausgenommen -, sondern eher mit nostalgischen Jubiläumsfeierlichkeiten und Albumankündigungen, Verschiebungen, Ankündigungen von Verschiebungen und verschobenen Ankündigungen. Das ist nicht
wirklich viel, wenn man ohnehin am absteigenden Ast ist. Dass man sich neuerdings höllisch unpunkig vom Bassisten trennt und der wegen der Bandfinanzen klagt, passt dahingehend schon ins Bild.
Auf alle Fälle hat man eben Jubiläen gefeiert und das war bei "Smash" sehr ausgiebig, bei "Americana" auch noch ansehnlich, bei einem Album aber ziemlich unterwältigend, was insofern bemerkenswert ist, als dass es dabei ausgerechnet um das beste
Offspring-Produkt aus dieser Zeit geht.
Doch "Ixnay On The Hombre" hat in diesem Dreikampf einen sehr offensichtlichen Nachteil und das ist der der kommerziellen Underperformance. Das Album dazwischen hat weder ein Self Esteem
noch ein Pretty Fly (For A White Guy), was künstlerisch definitiv zu verkraften ist, die Verkaufszahlen aber nicht unberührt lässt. Das kann uns aber egal sein, immerhin hat die Band
hier verdammt viel zu bieten. Denn die vierte LP der Band ist auch ihre bis dahin bei weitem vielfältigste, ohne dabei in puncto Treffsicherheit oder Energielevel Einbußen hinnehmen zu müssen.
Entsprechend startet man nach einem Disclaimer, der freudig einleitet mit:
"So protect your family.
This album contains explicit depictions
Of things which are real.
These real things are commonly known as life.
So, if it sounds sarcastic, don't take it seriously.
If it sounds dangerous,
Do not try this at home or at all.
And if it offends you, just don't listen to it."
so gut es eben geht, nämlich mit The Meaning Of Life. Und das ist einer dieser Songs aus der Kategorie Anreißer für den Albumanfang, die genau das wirklich perfekt
draufhaben. Deswegen marschiert die Band kompromisslos dahin, lässt die dualen Power Chords von Dexter Holland und Noodles sprechen, sorgt für frei galoppierende Drums und predigt den
Nonkonformismus in erfreulich simpler, eingängiger und damit den eigenen Vorzügen entsprechenden Form. Nun war auf den vorangegangenen Punk-Exerzitien damit Tempo, Form und im Groben auch Inhalt
vorgegeben. Dem ist hier nicht wirklich so.
Nein, alsbald beginnt man, die eingebauten Varianten zu zählen. Im ersten Moment etwas ernüchtert, weil Me & My Old Lady als Ausflug in den gemächlicheren
Ska-Punk mit teilweise orientalisch angehauchtem Riff etwas unterwältigend gerät. Zwar überzeugt der harte Riff, Hollands schrille Vocals und die sperrige Hook machen die Sache allerdings etwas
gar unrund. Überhaupt sind die spaßigeren Minuten nicht unbedingt die gewinnbringendsten, was allerdings im Offspring-Universum absolut kein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Deswegen ist die
leichtgewichtige Single I Choose genauso eher ein Track, den man im Vorbeihören mitnimmt, wie der einzige Dorn im Auge, den einem die Band hier serviert, das anstrengend dämlich
Don't Pick It Up, das sich konventionellerem, poppigem Ska-Punk zuwendet, dabei aber mit dem sonnigen Riff nicht ausgleichen kann, dass Holland nur Schwachsinn
singt.
Deswegen ein Hoch auf die andere Seite und die ist netterweise an der einen oder anderen Stelle mehr denn je dem Grunge zugewandt. Einerseits in Form der
erfolgreichen Power-Ballade Gone Away, andererseits mit der Depressionshymne Amazed. Nicht nur dank der starken Drums und Noodles' überzeugendem Auftritt an der Gitarre, vom
starken Riff einmal abgesehen, überzeugt ersterer, der ist vor allem auch dank Dexter Holland ein überzeugender Track. Der findet nämlich plötzlich seine gesanglichen Stärken und sorgt so auch
ohne virtuose Vorstellung für einen emotionalen Auftritt. Sowohl dabei als auch beim schnelleren Amazed hilft die starke Produktion, die Offspring irgendwo zwischen Grunge und
Post-Grunge zurücklassen, geschliffen, etwas und soundtechnisch etwas herumgespielt, allerdings definitiv nicht zu sehr. Und deswegen ist gerade das an Nirvana erinnernde Amazed ein Volltreffer mit genialem Riff und großartig klingenden Gitarrenwänden, die abseits der Strophen und deren prägnantem Bass alles
ummanteln. Und bei Zeilen wie "Yeah if I make it I'd be amazed / Just to find tomorrow" ist dann auch Hollands tonlose, für
seine Verhältnisse tiefe Stimme genau das, was es hier braucht.
Um nun aber doch wieder in etwas gewohnteres Terrain zurückzukommen, auch dort überzeugt die Band eigentlich durchgehend. Am meisten wohl mit dem abschließenden Change The
World, dessen Riff oder besser gesamtes Intro bereits als Hidden Track auf "Smash" zu hören war und der nach länglicher Einleitung zu einer energiegeladenen Ritt, nahe dran an der Eröffnung,
gerät. Und auch sonst sind wir hier an einem Punkt, wo man noch keine Sorgen haben muss, dass Dexter Holland die Ideen dafür ausgehen, was er komponieren soll. Deswegen ist die wunderbar
sarkastische Ode auf den Hass, Cool To Hate, genauso ein Treffer wie Leadsingle All I Want und insbesondere Leave It Behind, dessen hoher Riff in Kombination mit dem
kratzigen Gitarrensound das Beste aus den kurzen, knackigen zwei Minuten macht.
Und mehr verlangt man nicht von einer Band, die hier weiter dem Punk treu bleibt, sich aber allein schon durch die aufwendigere und glattere Produktion mehr Pop und
gleich noch ein paar andere Genres dazuholt. Diese Mischung aus musikalischer Ausbreitung und gleichzeitig verbesserter Treffsicherheit machen "Ixnay On The Hombre" zwar nicht gleich zu einem
Meisterwerk hoher Kunst, aber dann doch zu einem verdammt unterhaltsamen, durchgehend dynamischen, kurzweiligen Ritt, an dem man sehr wenig auszusetzen hat. Damit verbunden ist auch eine selten
zu findende Langlebigkeit, die die LP jedes Mal wieder zu einem großen Vergnügen macht. Und das bedeutet auch, dass man hier den würdigen Gipfel dessen, was dieses Quartett bisher so geschaffen
hat, bewundern darf. Einen, der ein bisschen untergegangen ist, eingequetscht zwischen zwei riesigen Erfolgsalben, der aber deswegen umso mehr Aufmerksamkeit verdient. Jetzt, wo die Band mehr mit
juristischen Streitereien beschäftigt ist als mit neuer Musik, bietet sich das wohl mehr denn je an.