von Kristoffer Leitgeb, 22.05.2021
Ein dahinschwebender, majestätischer Traum sollte es sein. Es wurde schwerer, synthetischer Pathos.
Die Killers haben einen schwierigen Stand. Hier in unserem Miniatur-Musik-Mekka, aber seit geraumer Zeit auch in der restlichen Welt, die den penetranten Klängen der Mannen aus Las Vegas zwar wohlwollend gegenüberstand, aber abgesehen von vereinzelten Ausreißern nie die Skepsis gegenüber der kitschbeladenen Übersteigerung der Band ablegen konnte. Aber vor allem hier bei uns. Nun ist es aber so, dass plötzlich die restliche (Kritiker-)Welt ein bisschen zu jubeln begonnen hatte, als Brandon Flowers und die Seinen im Corona-Jahr mit einer neuen LP antanzten. Endlich mal wieder eine vollendete musikalische Vision sollte es sein, majestätisch, aber von geschmackvoller Größe, ein bisschen Pomp in Maßen, der sich geschmeidiger und wohltemperierter denn je präsentierte. Die Bestenlisten durfte man plötzlich wieder von innen sehen, wie es selbst dem auf der Höhe des Indie Rock veröffentlichten Debüt "Hot Fuss" nicht vergönnt war. Da heißt es, aufzuhorchen und gespannt zu lauschen. Letztlich aber mit der Konsequenz, dass man sich auch bei "Imploding The Mirage" wieder mal in nahezu gleichem Maße angetan zeigt und von der verfehlten Übersteigerung ermüdet abwendet.
Dabei sind die Vorzeichen ja eigentlich wirklich gute. Das unfassbar herausragende Cover Artwork, ein Gemälde des US-Amerikaners Thomas Blackshear, ist nicht nur einer der besten visuellen Eindrücke seit sehr, sehr langer Zeit, die einem ein Album beschert hat, es sollte auch Inspiration für die dazugehörige Musik sein. Und so sollte laut Brandon Flowers alles im Einklang mit der vollendeten Harmonie und Bildgewalt des Artworks sein, wurde alles Komponierte einem entsprechenden Eignungstest unterzogen. Folgerichtig ist auch kein Platz für die altbekannten, plakativen Hook-Monster früherer Tage, die zwar Radio Airplay erzwingen konnten, aber unweigerlich anstrengend und kitschig anmuteten. Doch daraus speist sich auch der Urkonflikt des Albums. Ist es nämlich primär mit der Mission entstanden, ein zwar mächtiges, durchdringendes, aber eben auch geschlossenes und geschmeidiges Ganzes zu ergeben, kennt man die Killers eigentlich eher als eine Band, deren Lebensversicherung ihre starken Hooks, die gewinnenden Refrains und daraus resultierenden Ohrwürmer sind. Auf dieser Ebene kann oder will sich die Band hier nur ein einziges Mal beweisen und liefert damit, eigentlich erwartbar, auch gleich den besten Song ab. Caution gibt sich zwar genauso wie die übrigens Songs auch dem beinahe pastoralen Anklang hin, startet mit im Hintergrund verfallenen Vocals und sphärischen Synthesizern. Doch es ist der vergleichsweise lockere, pop-rockige Sound des übrigens Songs, der vor allem überzeugt, einem genauso in den glatten Strophen mit dem reduzierten Paarlauf von Drums und Bass gefällt wie in den plötzlichen Ausbrüchen der Refrains, in denen glitzernde Synths alles dominieren. Da fühlt sich Brandon Flowers am wohlsten, überzeugt mit seinem melodramatischen Gesang, der in dieser Umgebung eben nicht über die Stränge schlagen kann, sondern sich im Rahmen des verträglichen Pathos hält und eine der stimmigsten Killers-Nummern überhaupt ergibt.
Der Rest ist ein an gewinnenden Hooks armer, hymnischer Schwall sphärischer Synths und wanddicker Soundkulissen. Die ergeben tatsächlich ein sehr geschlossenes Ganzes, wie man es von der Band bisher nicht gekannt hat. Und es ist ein in Maßen geschmeidiges, das vereinzelt durch die richtige Balance aus majestätischer Traumlandschaft und schlichter stadiongroßer Übersteigerung überzeugt. So ausgerechnet im Opener My Own Soul's Warning und im die LP beschließenden Titeltrack, die für starke erste und letzte Eindrücke sorgen. Selbst hier muss jedoch klar sein, dass die positiven Klänge viel damit zu tun haben, dass beide Songs trotz unheilschwangerer Einleitungen dann doch durch ihre melodiche Up-Tempo-Natur gefallen. Etwaige intelligente textliche Einsichten, sonderliche atmosphärische Kraft oder gar wohltemperierte Zurückhaltung sucht man vergeblich.
Insofern doch wieder alles beim Alten. Die Tatsache, dass die Band aus Las Vegas sich erfolgreich der Mission gewidmet hat, zur Abwechslung mal ein in sich schlüssiges Ganzes als Album zu kreieren und damit diametral der erratischen Natur von Vorgänger "Wonderful Wonderful" zu widersprechen, macht dieses Ganze noch nicht wahnsinnig gut. Und letztlich kann man sich zwar darüber freuen, dass die größten Verbrechen des Kitschs und Schmalzes, die so manche frühere Ballade bedeutet hat, hier keine Nachfolger finden. Gleichzeitig sind die Songs jedoch nicht weniger, sondern eher noch mehr klanglich überladen und qualifizieren sich damit womöglich als majestätisch, überschreiten aber definitiv den Rubicon des Maßhaltens. Ein dröhnender, an schlimmste Springsteen-Momente erinnernder Refrain, eine klangliche Betonwand aus unterschiedlichsten synthetischen Soundeffekten, mal glitzernden, mal sphärisch schwelenden Synths und knüppelharten Drums sind immer drinnen. Und sowas tut dann doch wieder etwas weh, wenn es sich gleichzeitig mit den nutzlosen, störrischen, Pseudo-Funk-Rhythmen von Fire In The Bone paart oder mit merkwürdig karibisch anmutenden Klängen in When The Dreams Run Dry einer gefühlten Endlosigkeit des Pathos entgegenläuft. In solchen Minuten vermisst man jegliche Leichtigkeit, jeden Ansatz eines Sinns für luftige Klänge, die dem Albumcover tatsächlich gerecht würden. Stattdessen ist es zwar spürbare Harmonie, die aus den Arrangements spricht, das Ergebnis ist allerdings eine Art harmonischer Dampframme. Zu viel, zu laut, zu pathetisch und letztlich doch inhaltsleer. Eine Hülle von einem Album, die Emotionen in allzu aufdringlichster Form zu kreieren versucht und so weder im geglätteten, klavierverstärkten Heartland Rock von Lightning Fields mit gesanglicher Unterstützung durch k.d. lang noch in der an alte Tage erinnernden pulsierenden Elektronik von Blowback wirkliche Atmosphäre findet. Eine solche käme einem nur mehr in Maßen in Running Towards A Place und My God in den Sinn.
Es mag also nicht wirklich Jubel aufkommen. Ja, "Imploding The Mirage" ist auf seine Art das stimmigste Album der Killers seit "Hot Fuss". Man spürt in den Arrangements eine Harmonie und eine einende Marschrichtung, die einen musikalischen Sinn und Zweck hinter dem ganzen vermuten lässt und vor allem auch dafür sorgt, dass man nicht bei jedem zweiten oder dritten Track wegen eines unvorhersehbaren Stil- oder atmosphärischen Bruchs zusammenzucken muss. Doch diese Geschlossenheit ist schwierig, sobald es auch die damit verbundene klangliche Ausrichtung ist. Und die macht einem das Leben sicher nicht sonderlich leicht, erinnert an eine synthetisierte Version von "Battle Born", das genauso dem Stadion-Rock, den Reminiszenzen an Springsteen und andere verpflichtet war, dabei aber klanglich trotzdem noch etwas weniger über die Stränge geschlagen hat. "Imploding The Mirage" ist verglichen damit die volle Dröhnung, deswegen tatsächlich majestätisch und schon auch mit einer gewissen Nähe zu dem überwältigenden visuellen Ersteindruck des Albums, gleichzeitig aber von einer bleiernen Schwere durchzogen, weil beinahe alles klanglich über die Stränge schlägt und darunter wenig Substanz offenbart. Die Killers eben, ein ewiges Phänomen.