von Mathias Haden, 29.10.2013
Leichter Aufwärtstrend für die angebliche Hoffnung des Rock 'n' Roll.
"Da stolpert man nichtsahnend über eine starke Killers-Hitsingle (wie bei jedem Album) und glaubt natürlich, dass die Band dann doch einmal alles richtig macht und einfach diesen guten Sound auf der ganzen Platte bietet. Und, was ist das Ergebnis? Natürlich liegt man auch beim dritten Mal damit falsch. Wenigstens zu Beginn funktioniert der Sound aber wie immer." Diese Zeilen hat irgendwann einmal mein kompetenter Kollege zusammengedichtet und sie haben durchaus ihren Wahrheitsgehalt. Aber beginnen wir doch mal ganz von vorne.
Las Vegas' prominenteste Band versucht sich auf dem 2008 erschienen Day & Age an ihrem bislang vielseitigsten Projekt. Vorbei die Zeit des Indie-Rock vom Debüt, vorbei der amerikanische Heartland-Rock von Album Nummer 2. Mit dem neuen Album sollte ein neuer Sound gefunden werden, eine merkliche Entwicklung vollzogen werden.
Und das gelingt eigentlich mehr oder weniger. Der Schritt vom biederen Alt Rock des Vorgängers in eine angenehme Zukunft ist getan. Das Ergebnis: Ein an Einflüssen von Synth-Pop bis World Music reichendes Pop-Album, bei dem sowohl Alt und Jung in den Stadien dieser Welt munter mitgröhlen können.
Mit der "starken Hitsingle" meint mein Partner übrigens Lead-Single Human, die mit ihren eingängigen Vibes schon beim ersten Hören einen mehrtägigen Ohrwurm zur Folge hat. Ob die Single wirklich stark ist, darüber lässt sich streiten. Ich persönlich würde sie mit ihrem repetitiven Refrain und dem unsinnigen Text als lästigen Kommerz-Dance-Pop kategorisieren, der Erfolg gibt ihr allerdings Recht. Ansonsten schließe ich mich dem Urteil des "funktionierenden Beginn" aber gerne an. Das solide Losing Touch und besonders das starke Spaceman, das tatsächlich irgendwie untypisch 'spacig' daherkommt, aber überraschenderweise funktioniert und die verbleibenden Narben, die die letzte LP hinterlassen hat, heilen lässt, bilden einen überraschend gelungenen Auftakt. Das natürlich muss nichts heißen. Selbst Vorgänger Sam's Town konnte mit ein paar starken Cuts und einer großartigen Single (When You Were Young) aufwarten.
Diesmal verbirgt sich der beste Song unscheinbar inmitten einer bunten Achterbahnfahrt an merkwürdigen Geschichten. This Is Your Life, das musikalisch irgendwie ein 'U2 vs. Paul Simons Graceland' darstellt, ist nämlich wirklich wunderbar und zeigt, dass die Killers immer wieder für einen tollen Song gut sind. Auch das zurückgelehnte I Can't Stay stößt auf positive Resonanz.
Das war es dann schon mit den positiven Argumenten. Aber keine Angst, wirklich negativ wird es diesmal nicht. An sich kann man der Band nicht zu viel vorwerfen. Obwohl, eigentlich gibt es da schon was: das Songwriting. Die Mehrzahl der 10 Tracks wird nämlich nicht nur von schwachen Textzeilen heimgesucht, einige werden sogar von diesen förmlich dominiert. Als Paradebeispiel und Tiefpunkt dient hier das schwachsinnige Neon Tiger. Mit Frontmann Brandon Flowers übertrieben gehaltenem Gesang, dem unpassenden Keyboardinput und den lächerlichen Zeilen à la
"Run, neon tiger, there's a lot on your mind
They'll strategize and name you
But don't you let 'em tame you
You're far too pure and bold
To suffer the strain of the hangman's hold"
ist man wirklich bemüßigt sich zu fragen, was das nun eigentlich soll. Nein ehrlich, für eine Band die häufig als Hoffnung des Rock 'n' Roll genannt wird, ist das eindeutig zu wenig. Besonders unter dem Umstand, dass es sich hier nicht um einen Tributsong an die Psychedelia-Welle der späten Sixties handelt. Und mit A Dustland Fairytale werfen die Killers eine dermaßen schmalzige, über alle Maßen auf Stadion-Tauglichkeit getrimmte Ballade in den Ring, dass man sich eher an eine Taylor Swift-Kreation als an einen Song einer ach so wichtigen Rockband erinnert.
In Fällen wie diesen ist vollkommen egal, worauf man den Fokus legt. Die Texte sind unspezifisch, kitschig und teilweise auch nur banal. Die Bläser- und Synthie-Hilfen sind wenig überzeugend, wirken oft ziemlich fehl am Platz oder sind schlicht zu sehr auf bombastischen Sound getrimmt. Und die restliche Musik fällt kaum ins Auge. Dazu kommt noch Flowers ohnehin nie sympathische Stimme, die hier endgültig nichts Natürliches mehr an sich hat.
Der Rest schwimmt irgendwo zwischen den Höhen und Tiefen des Albums. Die Produktion ist meistens etwas zu glatt, wie beim ungeliebten Human, aber nicht unerträglich.
Mit Closer Goodnight, Travel Well erhält man zum Schluss noch eines der qualitativ hochwertigeren Stücke, seine in diesen massentauglichen Genre-Gefilden übertriebene Länge kostet dem Eindruck aber doch wertvolle Punkte und lässt es zäh und langatmig wirken.
Day & Age ist mit Sicherheit weder ein Meilenstein der Musikgeschichte noch eines der besten Alben des Jahres. Für die Band allerdings ist es der erhoffte Schritt nach vorne. The Killers sind noch immer einer der überbewertetsten Acts des Jahrzehnts, ohne Frage. Der größte Vorteil des dritten Auftritts der Las Vegas-Truppe ist allerdings die Tatsache, dass mit nur zehn Songs die Anzahl der Fehlgriffe doch reduziert wird. Man kommt aber nicht darüber hinweg, die Band für einzelne Songs zu schätzen. Und auch diesmal gibt es besagte zu finden. Und diese guten Cuts haben es für eine Rockband der Marke 'Mainstream' doch ziemlich in sich. So retten zwei, drei starke und ein paar durchschnittliche Songs, in Kombination mit einem hübschen Cover den Gesamteindruck noch auf eine knapp unterdurchschnittliche Gesamtwertung. Mit mehr Konstanz und besserem Songwriting ist hier genug Luft nach oben!