von Kristoffer Leitgeb, 07.03.2019
Großteils spannungsarme Solidität im bedeutungsschwanger melancholischen Indie Folk.
Es gibt sehr unterschiedliche Wege, um zu einem Album zu kommen, das als passabel durchgeht. Die interessanteste wäre, ein eklektisches Sammelsurium an Songs anzubieten, das gerade genug Fehlgriffe und Treffer vermengt, dass ein solides Ganzes, aber dann doch nicht mehr herauskommt. Das kommt schon einmal vor, wenn sich das Ausmaß der Ambitionen nicht so ganz mit dem der Fähigkeiten deckt und dementsprechend eine Lücke klafft, wo sonst der Begriff der Beständigkeit stehen sollte. Auf der anderen Seite gibt es auch die LPs, die einfach deswegen ordentlich sind, weil sie ordentlich sind. Die können bei genauerer Betrachtung nicht wahnsinnig viel, aber gerade genug, um einem zu beweisen, dass starke Songs eine Möglichkeit sind, auch wenn tunlichst davon abgesehen wird, diese zu oft auszuschöpfen. Entsprechend klingt das zwar so ziemlich immer schmerzfrei und angenehm, aber auch fernab der eigentlich erwarteten Entlohnung für die Aufmerksamkeit beim Zuhören. Und trotz hohem Ansehen in Dublin und bei manch Untergrund-Fans fällt "Fitzcarraldo" in genau diese Kategorie.
Das liegt hauptsächlich daran, dass sich auf dem Album eine zwar relativ frühe, allerdings trotzdem verdammt nach musikalischer Standardisierung klingende Form des Indie Folk breitmacht. Die Frames klingen hier so, wie man es in diesem Genre eben tut. Nicht mehr, nicht weniger, vielleicht abgesehen von der Tatsache, dass Glen Hansards Gefühl für starke Melodien ein paar Jahre später auf "Dance The Devil..." um ein Vielfaches präsenter sein sollte als hier. Ergo ist dieses Album keines von der Sorte, das langsam dahinfließt und dabei womöglich hypnotische Qualitäten entwickelt, es trottet viel eher dahin. Schuld daran könnte sein, dass zwar auf instrumentaler Ebene durchaus mit Gefühl für stimmungsvolle Nuancierung gearbeitet wird und die jaulenden Bluesriffs entsprechend stimmig mit Violineinsätzen und Hansards Gesang vermengt werden, gleichzeitig aber zu viel zu formlos wirkt. Songs wie Evergreen oder Denounced haben diesbezüglich wenig anzubieten. Es sind schleppende Akkordabfolgen, die sich über einen leidenschaftlich gesungenen Refrain und die starke Produktion, die für ein ideales Gleichgewicht auf musikalischer Ebene sorgt, einigermaßen rehabilitieren. Gleichzeitig findet sich da jedoch wenig, an das man sich zurückerinnern könnte oder sollte. Die Texte zu banal und zwar archetypisch weinerlich, aber doch von etwas steriler Qualität, die Instrumentalpassagen stark, aber ohne tieferen Sinn, die Stimmung gedrückt, aber irgendwie unnahbar.
Man käme zu Beginn des Albums allerdings nicht auf die Idee, dass sich die Band so oft so unaufregend präsentieren würde. Gut, vielleicht doch, der erste Dreierpack an Songs präsentiert sich aber trotzdem dynamischer, eingängiger und melodischer als der Großteil der übrigen Tracks. Das kann natürlich auch damit zu tun haben, dass man im Opener Revelate noch eher mit trockenem Alt Rock begrüßt wird, an der Gitarre hell dahingeschrammelt wird, wenn nicht gerade die Rhythm Section alles alleine übernimmt. Trotz mäßiger Geschwindigkeit ergibt sich daraus der nötige Nachdruck, der auch Hansards albumumspannend ausbaufähige Stimme weit besser unterstützt. Während das etwas ist, das auch Angel At My Table mitbringt, belegt der Titeltrack früh genug, dass ein folkigerer Zugang durchaus stark klingen kann, wenn Violinist Colm Mac Con Iomaire - Gratulation zu diesem Namen - eine tragendere Rolle spielt und die Akustikgitarre den gesamten Song über stark akzentuiert. Überzeugender noch als dieses Aufeinandertreffen von Akustik-Passagen und erratischen Ausbrüchen an der E-Gitarre erweist sich nur der Albumabschluss, Your Face, und dessen zerbrechlicher Klang. Die eröffnenden Akkorde haben trotz Unterstützung durch die Violine etwas vom verlorenen Purismus der ruhigsten Minuten von Jeff Buckley und während Hansard gesanglich nie in dessen Nähe kommt, ist es trotzdem ein gefühlvoller, atmosphärischer Abschluss, der vor allem als Duett mit Noreen O'Donnell vereinnahmt.
Das war es dann aber auch mit wirklich erwähnenswerten Minuten. Zwar lohnt es sich definitiv, den aggressiveren, gitarrenlastigen Ton von Monument hervorzustreichen, auch wenn dort nicht nur die Riffs im Gedächtnis bleiben, sondern auch eine kurze und äußerst unnötige Elektronik-Passage, in der fast nur der Bass hinter Hansard übrigbleibt. Abgesehen davon ist das Gebotene allerdings musikalische Unscheinbarkeit unterschiedlichen Ausmaßes. Schlimm erwischt es die trägen, emotionslos wirkenden In This Boat Together und Red Chord, letzteres trotz netter Hook mit unwillkommenem melodramatischen Unterton. Genauso wenig hilft es, dass man in Giving It All Away dank entsprechender Bassline kurzzeitig vermutet, die Frames könnten in Richtung Funk-Rock abdriften. Passiert natürlich nicht, dafür ist auch dieser Track zu schleppend und fixiert darauf, in einen einigermaßen energischen Refrain und formfreies Geschredder an der Gitarre zu münden.
Vielleicht ist allerdings der enttäuschende Aspekt des Albums gar nicht so sehr der unterwältigende musikalische, sondern eher die textliche Komponente. Denn ohne Zweifel möchte Hansard seiner melancholischen Ader freien Lauf lassen und ein bisschen der Romantik, auch der Verlorenheit und dem seelischen Schmerz huldigen. Es scheitert nur daran, dass im Verlauf des Albums kaum eine Zeile entsprechend untergebracht wird, dass sie dahingehend zu einem durchdringen würde, was wohl gleichermaßen daran liegt, wie diese formuliert sind und wie sie präsentiert werden. Das soll nicht heißen, dass da nicht mitunter mit erkennbarer Leidenschaft gesungen würde, aber es kommt einfach wenig bis nichts davon an. Die kaum einmal mitreißende Musik tut ihriges, damit sich atmosphärisch so gar nichts ergibt, wenn man erst einmal die ersten drei Songs hinter sich gelassen hat und noch nicht der Closer zu hören ist.
Und das ist ultimativ eine magere Ausbeute. Interessanterweise wird zwar in puncto Emotion und Eingängigkeit ineffektiv, letztlich aber nicht schlecht musiziert, weswegen es trotz allem möglich ist, selbst den Ausbund an Mäßigkeit, den der Mittelbau des Albums darstellt, durchaus OK zu finden. Als Qualitätsmerkmal geht das nicht wirklich durch und auch die spärlichen Fundstücke ausgespielter Stärken sind zahlenmäßig zu wenig, um die LP wirklich gut erscheinen zu lassen. Stattdessen langweilt einen "Fitzcarraldo" viel zu oft, während es einen auf der Gefühlsebene beinahe durchgehend erstaunlich kalt lässt. Für einen anderen Eindruck mangelt es sowohl Hansard als Frontmann als auch der vereinten instrumentalen Front an Prägnanz und Dynamik. Das bedeutet interessanterweise noch nicht, dass das Album wirklich monoton oder einförmig wäre, die Songs, die sich darauf finden, sind es aber abgesehen von durchwachsenen Instrumentalpassagen fast alle. Damit hat man ein auf beeindruckend lahme Art durchschnittliches Album geschaffen, mit dem man kaum einen Blumentopf gewinnen kann.