von Kristoffer Leitgeb, 07.05.2016
Mit der Tradition im Rücken, Gefühl im Händchen und Schlaglöchern dort, wo die Emotionen sitzen.
Hängt ihn, den Heuchler! Also mich, genauer gesagt. Immerhin äußert sich meine vor kurzem selbst beschworene Anti-Faszination für den Indie-Folk diesmal dadurch, dass ich eine Indie-Folk-Band reviewe und lobe. Wie rechtfertigt man sowas, außer mit der Erinnerung an einen Green Day-Song namens Walking Contradiction? Gar nicht wahrscheinlich. Naja, soll so sein, die Iren verdienen ein bisschen Lob. Schon allein deswegen, weil sich unfairerweise fast nie irgendwer außerhalb Irlands für sie interessiert hat, was dazu führt, dass sie dort eine Institution sind, im Rest der Welt aber eigentlich nicht einmal musikalische Randnotiz. Es gibt nun schlechtere Dinge, als in Irland und nur dort beliebt zu sein, man könnte ja auch in Österreich und nur dort beliebt sein. Die Frames haben aber schon genug künstlerische Beweise erbracht, dass die Landesgrenzen nicht ihre eigenen sein sollten, "Dance The Devil..." ist einer davon.
Hauptverantwortlich dafür kann nur einer sein: Glen Hansard. Der Mann, der Jahre später für einen seiner Songs einen Oscar nachgeschmissen bekommen sollte, war schon 1999 unverzichtbar. Er war für die Frames ohnehin immer unverzichtbar, da wird er nicht kurz vor dem Jahrtausendwechsel eine Pause eingelegt haben. Was wären schon Stückerl wie Neath The Beeches oder Plateau ohne sein zerbrechliches, sanftes Stimmchen?! Das Wesen dieser Minuten als verletzlich-ruhige (beinahe)-Akustikübungen lässt zumindest Zweifel aufkommen, ob ohne ihn, seine Texte, seine Ideen auch so viel dabei herausschauen würde. Nach dem Abschied von Sängerin Noreen O'Donnell gilt das mehr denn je. The Frames, das ist ein starker Singer-Songwriter mit der fähigen Band, die ihm die Möglichkeiten für musikalische Abwechslung und wachen Sound gibt. In diesem Sinne verlassen diese Songs den persönlichen Rahmen nicht, werden zum unruhig Ruhigen, zum gerockten Folk oder auch zum gefolkten Rock.
Kein revolutionäres, aber ein überzeugendes Konzept, wie einem schon der Beginn in Form von Perfect Opening Line glaubhaft versichert. Wer die Zeile "Nothing cuts you like the lies
of a friend" als nonchalante Weisheit einbaut, kann nicht falsch liegen. Wer das mit dezenten Akkorden an der Gitarre, kaum wahrnehmbarem Keyboard und plötzlich aufkeimendem Drive im Refrain
unterlegt, ist auch auf der richtigen Fährte. Man verlässt sie in der Folge nicht ungern, aber selten. Hauptsächlich deswegen, weil sich die Band zu zurückhaltenderen Momenten bewegen lässt,
damit Hansards ausdrucksstarker Stimme eine rundum stimmige Kulisse bereitet. Der Höhepunkt dessen kommt sehr bald mit Seven Day Mile und gibt sich in der Ruhe kraftvoll, sucht und
findet Emotionen fernab entbehrlicher Dramatik. Getragen vom unaufdringlichen Beat und kaum wahrnehmbaren Akustik-Zupfern, verstärkt durch spärliche Violin-Einsätze, wird der Song auch wegen
gezügelter Ausbrüche aus der Ruhe zum perfekten Moment friedlichster Hoffnung, befeuert von unverkennbarer Melancholie.
Es ist nicht der einzige ruhige Track, der sich einprägt. Der Ode an Jeff Buckley, Neath The Beeches, gelingt das wegen der
störrischen Rhythmen etwas weniger, auch wenn Hansards Stimme mehr und mehr zum zittrigen Flüstern verkommt. Plateau strahlt dagegen rundum Harmonie aus, wird zum Paradebeispiel der
hauptrollenlosen Stärke der Band, in der die für sich genommen mickrigen Parts an der Violine, den Drums und der elektrischen bzw. akustischen Gitarre ein wertvolles Ganzes ergeben. Der Gesang
bringt dann noch das nötige Gefühl mit, ohne dabei auf die Tränendrüse zu drücken oder den Bogen zu überspannen. Stattdessen lässt Hansard hier eine verzweifelte Müdigkeit durchscheinen, die ihn
zum Vorboten eines Damien Rice macht.
Es geht aber schon auch anders. Rock ist im Repertoire fest verankert, die leicht Grunge-inspirierte Variante von The Stars Are Underground markiert aber auch einen Tiefpunkt der LP, verkommt zum seichten Gitarren-Rocker, der wirkungslos verpufft und fast schon auf große Stadien schielt. Lauter muss aber nicht gleich schlechter bedeuten, so viel lässt sich zumindest bei Pavement Tune heraushören. Die Riffs wirken frischer, irgendwo gefundene Energie wird freigesetzt und in einen Track umgewandelt, der es fast zum Ohrwurm bringen könnte, überhaupt mit dem lockeren Refrain. Wobei locker nicht so wirklich auf die LP passt. Ein bisschen konformer wirkt da schon Hollocaine. Und das, obwohl der Track bald in ein von Sprachschnipseln, Distortion und schrillen Violin-Klängen dominiertes Durcheinander mündet, das der sonst vorherrschenden Ruhe einiges entgegensetzt.
Aber die Ruhe ist ja eine Tugend, da darf sie auch gerne die Hauptrolle spielen. Alles andere würde die Frames und "Dance The Devil..." ohnehin unweigerlich ihrer Seele berauben. Die balanciert in Wahrheit irgendwo dazwischen. Zwischen Pop und Indie, zwischen folkigem Herzausschütten und rockiger Auflockerung und zwischen gekonnter Umsetzung und klanglicher Berechenbarkeit. Man nimmt die Stärken gerne, lebt mit den Schwächen und erfreut sich all dessen, was das Gespann fehlerlos oder zumindest beinahe ohne Makel vollbringt. Die LP steht ja ohnehin in einer großen Tradition entspannender Akustik-Klänge mit emotions- und weisheitsbeladener Aura. Sollte man mit Blick auf die unübersehbaren Aussetzer von Hansard und seinen Kollegen trotzdem an der Qualität zweifeln, kann man sich wenigstens darauf verlassen, dass sie selbst die Erklärung für Performancelöcher haben: "Always never seems to work."