von Mathias Haden, 01.11.2015
Nicht das vielzitierte Wunderwerk, aber eine inkommensurable Ansammlung großer Kompositionen.
Ladies and Gentlemen, begrüßen Sie mit mir, live aus Los Angeles, Kalifornien, die Doors! Hier vorne mit dem hedonistischen Schmunzeln natürlich Sänger Jim Morrison, etwas weiter dahinter John Densmore an den Drums, Robby Krieger an der Lead-Gitarre und Ray Manzarek an allem anderen, auf dem es sich spielen lässt - vorwiegend aber den Keyboards. Als dieses Quartett vor nun fast 50 Jahren aus den Ritzen L.A.s hervorkroch, um mit seinem selbstbetitelten Debüt die zu jener Zeit psychedelisch phosphoreszierende Szene gehörig aufzumischen, war es rasch um die Freunde des Rock geschehen. Noch heute machen sie keinen Hehl daraus, dass die erste LP der Amis der große Meilenstein des Genres war, immer noch jodeln sie mit fast schon unheimlicher Vergnügtheit mit, wenn Manzareks Orgel im unverwechselbaren Light My Fire wie ein wütender Taifun herumwirbelt - wann konnte man so etwas schon mal von einem Rock-Song behaupten - und nach wie vor lassen sie ihren Gefühlen bei Morrisons sagenhaftem Auftritt in The End freien Lauf.
Aber was soll man nun sagen, recht haben sie wohl. Nimmt man die Klassiker der LP, zu der auch noch der brachiale Opener Break On Through (To The Other Side) und die lässig beschwingte Alkoholikerhymne Alabama Song (Whiskey Bar) zählen, hat man tatsächlich etwas beisammen, das man ohne Zweifel unter der Essenz des 60s-Rock kategorisieren muss - Punkt. Warum ist freilich schnell erklärt. Wer es nämlich schafft, die unheilvollsten Töne, die Orgel und Tamburin hergeben, mit einer elfminütigen Geschichte (The End) erfolgreich zu verschmelzen, diese dann noch mit ödipalen Elementen und irrwitzigen Szenerien anreichert, der hat nicht nur meinen Respekt, der verdient sich sogar den einen oder anderen Lifetime Achievement Award. Bei den anderen verhält es sich zwar ähnlich, aber nicht ganz so überwältigend. Das von Krieger geschriebene Light My Fire ist mit seinen Jazz-Einflüssen und den bereits gelobten Orgelsoli ein beeindruckendes Unikat, Break On Through (To The Other Side) kokettiert mit seiner unglaublichen Wucht und einem Morrison, dessen Stimme sich regelrecht überschlägt, die den Hörer schon nach wenigen Augenblicken ins Album hineinziehen und Bertolt Brechts Alabama Song (Whiskey Bar) wird in seiner instrumentellen Vielfalt auch im Nu zum fein arrangierten Leckerbissen.
Den Klassikerstatus hat die LP mit diesen repräsentativen Tunes schon eingetütet, aber was nun? Am besten mit ein paar starken Tracks ummanteln, dann die Korken knallen lassen. Auf der ersten LP-Seite gelingt das mit dem feinen Trio Soul Kitchen, das mit einer starken Rhythmusabteilung stampfenden Rock zelebriert, dem zurückhaltend eindringlichen Crystal Ship und dem unglaublich coolen Twentieth Century Fox auch ganz prima, auf der zweiten dann schon deutlich weniger. Dann nämlich, wenn der sich ohnehin gerne in sexuellen Anspielungen verlierende Sänger dem hedonistischen Gehabe endgültig seinen Lauf lässt. Besonders Willie Dixons Blues-Klassiker Back Door Man gerät in Morrisons lustvollen Händen schnell zur ungemütlichen Metapher für Analverkehr, wie auch seine Bandkollegen in den folgenden Jahren immer wieder bestätigten. Neben dem abschließenden The End bleibt dann auch reichlich wenig Meisterliches übrig, selbst wenn die Ergebnisse natürlich nicht schlecht sind. Na gut, das gar nicht so mysteriöse End Of The Night ist mit seinen gemächlichen Keyboardspritzern nicht besonders gut gealtert, dafür gibt Take It As It Comes kurz vor Schluss zumindest noch richtig Gas.
Es gibt viele Adjektive, mit denen das selbstbetitelte Debüt der Doors in den Dekaden seit seinem Erscheinen 1967 bereits bedacht wurde. Mit einigen davon konnte ich mich in den letzten Jahren gut arrangieren, so manches hat im Lauf der Zeit an seiner Adäquatheit eingebüßt - mit dem gern genannten 'perfekt' konnte ich mich aber niemals anfreunden. The Doors hat seine großen Kompositionen, seine Momente des ungezügelten Überschwangs und natürlich ein paar exzellente Musiker, die auch den schwächeren Stücken ordentlich Leben einhauchen. Aber - und das ist nach 48 Jahren nun endlich kein Geheimnis mehr - es gibt sie eben doch, diese schwächeren Stücke, die das angebliche Wunderwerk plötzlich wieder zurück auf die Erde holen. Da es sich dort aber oftmals ganz gut leben lässt, kommt auch das legendäre Debüt als erhabene Ansammlung an exzellenten Tracks gut zurecht, die ist es nämlich auch. Und weil ich hier bereits am Ende meines Plädoyers angekommen bin und sich selten ein Song so für ein paar finale Zeilen angeboten hat, würde ich gerne mit ein paar Schmankerl aus The End aufwarten. Und da dieser zwar keine Zeile zu viel hat und überhaupt einen großartigen Text aufweisen kann, seine einzelnen, dem Kontext entrissenen Passagen aber kaum repräsentativ wirken, dann doch die klassischen aus dem Refrain:
"This is the end, beautiful friend
This is the end, my only friend
The end of our elaborate plans
The end of everything that stands
The end."