von Mathias Haden, 31.10.2014
Die Experimentierfreudigkeit der Briten fördert gemischte Gefühle zu Tage.
Gut, Joe Strummer und seine Jungs waren nie die Punk Rocker, als die sie uns gerne verkauft werden. Bereits mit dem zweiten Album Give 'Em Enough Rope schraubten die Briten den dreckigen und schnörkellosen Punk unter eine üppigere Rockkutte, mit den darauffolgenden Longplayern entfernte man sich immer mehr vom Ursprungssound. Mit Combat Rock, dem fünften Stück, erreichte man schließlich den angestrebten Erfolg in den Charts, bis heute ist es das meistverkaufte der Gruppe. Dass hier aber die Macher von Songs wie White Riot oder Janie Jones stecken, kann man fast nur mehr erahnen.
Ursprünglich als Doppelalbum mit dem Titel 'Rat Patrol from Fort Bragg' geplant, entschied man sich nach internen Differenzen dann doch für einen konventionellen Zweiseiter.
Nachdem die Band auf den vergangenen LPs mit Genres, die von Reggae und Dub bis R&B reichen, experimentiert hatte, geht sie hier vermehrt in Richtung Funk und New Wave. Heute werden Joe Strummer, Mick Jones, Paul Simonon und Topper Headon kultisch verehrt, aber wie schwer es sein musste, eine treue Fanbase aufrecht zu erhalten, wenn man ständig am Absprung zu neuen musikalischen Gefilden war, darüber lässt sich heute nur spekulieren. Besonders im Lager der nicht als sonderlich vielseitig geltenden Punks.
Mit Opener Know Your Rights scheint die Welt aber noch heil, Zeilen wie "You have the right to free speech / As long as / You're not dumb enough to actually try it" lassen eine Rückkehr zu den Wurzeln erhoffen. Das war es aber dann aber auch schon wieder mit dem Punk.
Den bekanntesten Song Should I Stay Or Should I Go kennt man ja aus dem Radio, was für eine solch gesinnte Gruppe nie ein gutes Zeichen ist. Dennoch, der Song mit dem prägnanten Riff erinnert sehr an Train In Vain vom London Calling-Album, hat durchaus seinen Charme und klingt wie ein Überbleibsel älterer Sessions. Erfreuter ist man dann aber doch eher über ein Kaliber wie Straight To Hell, das zwar stilistisch nicht auf das eben genannte Magnum Opus der Band passen würde, die Qualität der Tracks aber durchaus halten kann. Auf diesem umarmen sich ein unvergesslicher Beat und großartiger Text zu einer wunderbaren Symbiose.
Ansonsten wird auf Combat Rock viel probiert, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Zu den gelungenen Kreationen zählen die rhythmische New Wave-Nummer Rock The Casbah, bestverkaufte Single der Band und auf jeder Party gerne gespielt, dazu noch das simple und erfrischend poppige Inoculated City und mit Abstrichen das eingängige Car Jamming.
Dem gegenüber stehen eine Reihe von halbgaren Tracks und ein paar musikalische Nichtigkeiten. Zum Naserümpfen regen sie aber allesamt an. Da wäre etwa der jazzige Closer Death Is A Star, den man als Abschlusstrack so eigentlich mögen müsste, aber auf dem The Clash bislang nie weniger nach The Clash geklungen haben. Auf Overpowered By Funk dominiert ein dicker, einprägsamer Beat, das Gesamtbild und der lächerliche Text führen die Band aber in eine Sackgasse und mit 5 Minuten Laufzeit zehrt der Track besonders dann an den Nerven, wenn mit Futura 2000 ein Rapper ein paar Worte aus dem Repertoire haut.
Fehl am Platz wirkt aber besonders das sanfte Sean Flynn, auf dem sich die unterschiedlichsten Instrumente treffen und dem ganzen einen asiatischen Touch geben.
Dass man die Band zum Besten zählen kann, was das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, kann man vor allem am schwächsten Output erkennen. Da wären das langatmige Ghetto Defendant, mit ungutem Dub-Sound und Spoken Word-Beitrag vom Poeten Allen Ginsberg und das mit zahlreichen 'Taxi Driver'-Zitaten versehene Red Angel Dragnet, das zumindest etwas Power aufweisen kann. Beide sind erträglich und besitzen die eine oder andere angenehme Facette.
Auch kann man textlich nicht viel meckern, wegen Zeilen wie im Refrain von Rock The Casbah ("Sharif don't like / Rocking the Casbah") oder kritischen Statements bezüglich dem Vietnam-Krieg (Straight To Hell, Sean Flynn) hat man die Jungs schon lange ins Herz geschlossen.
Auf Combat Rock setzen die Briten um, was sie in den vergangenen Jahren gelernt haben, bleiben aber hinter den eigenen - zugegeben gewaltigen - Ansprüchen zurück. Zu viele mäßige Füller und zu wenige Glanzlichter à la Straight To Hell oder Inoculated City. Übrig bleibt somit eine LP, die sich hinter alles reiht, was Jones und Konsorten bislang veröffentlicht hatten, aber trotzdem eine zufriedenstellende Ansammlung netter 80s-Pop und Rock-Tunes bereithält, die von Funk-, New Wave- und Reggae-Einflüssen zehren.
Ja, die Raufbolde von The Clash mögen den Punk nun beinahe völlig hinter sich gelassen haben, dennoch stehen sie 1982 immer noch für gute Songwriter und ein kraftvolles Ensemble. Auch wenn die Luft langsam dünn wurde im Bandcamp und sich ein baldiger Umbruch andeutete, erzeugt das Album neben gemischten Gefühlen auch ein respektables Bild einer funktionierenden Einheit.