The Byrds - Sweetheart Of The Rodeo

 

Sweetheart Of The Rodeo

 

The Byrds

Veröffentlichungsdatum: 30.08.1968

 

Rating: 9.5 / 10

von Mathias Haden, 05.11.2016


Von Cowboys, Pilgern und alten Eichen - die Byrds sind endgültig im wilden Westen angelangt.

 

Erfahrung und Stolz als Konglomerat männlichen Selbstwertgefühls ist prinzipiell keine verdammenswerte Mischung. In der falschen Person vereint, kann besagte Kombination allerdings zu Schwierigkeiten im Austausch mit dieser führen. Besonders mit Fortschreiten des Alters wird es tendenziell immer schwieriger, solche und damit praktisch die meisten Menschen mit selbstgenerierten Meinungen von etwas zu überzeugen - sei es auch mit den schlüssigsten Argumenten. Nicht selten steht der Aussicht auf frische Erkenntnisse oder gar dem eigenen Irrtum eine schier unumgängliche Blockade im Weg, eine aus Selbstschutz, Ignoranz, bloßer Dummheit oder von anderer, granitharter Beschaffenheit. Und dann gibt es da noch Kompromisse. Und so beginnt unsere heutige Geschichte. Wir schreiben das Frühjahr 1968...

 

... in dem Gram Parsons mit zarten 21 Lenzen bei der Audition der Byrds einen Eindruck gut genug hinterließ, um den kürzlich abgewanderten David Crosby ersetzen zu dürfen. Sogar der Häuptling der Band, Roger McGuinn, immerhin schon 25, gleichzeitig aber auch gestandener Bandleader, Sänger und Songwriter, schien der Idee, den Jungen aus Waycross, Georgia dem Line-Up hinzuzufügen, nicht abgeneigt. Rasch wurde jedoch klar, dass mit Parsons nicht nur ein einigermaßen wohlständiger, verwöhnter Bursche, sondern auch eine nicht minder charismatische und vor allem bestimmte Personalie als Vorgänger Crosby an Land gezogen wurde. So kam es, dass der Greenhorn mit inbrünstiger Liebe zu Country-Music innerhalb kürzester Zeit seinen Kollegen, die mit dieser schon am vorigen Album The Notorious Byrd Brothers in Berührung gekommen waren, eine ganze LP in dieser Richtung schmackhaft machen und ihnen damit gleichzeitig deren vorangegangene Pläne ausreden konnte. Selbstverständlich nicht ohne die tatkräftige Hilfe von Bassist Chris Hillman, der ebenfalls auf eine Vorgeschichte im Bereich der Americana verweisen konnte. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.

 

Am 30. August 1968 war Parsons seit zwei Monaten (und damit längst) kein Byrd mehr - was er offiziell ohnehin nie war -, das an besagtem Tag erschienene Sweetheart Of The Rodeo allerdings sein Vermächtnis. Hier endet die Geschichte praktisch, einen kleinen Blick auf und in dieses Album gibt es aber noch. Eines, dessen vorzügliche Meriten bis heute nur selten erreicht wurden. Dies hat mitunter verschiedene Ursachen. Zum einen liegt es natürlich an der unvergleichlichen Präsenz des neuen und zugleich ehemaligen Mitglieds bzw. dem von ihm ausgehenden frischen Wind. Obwohl es für die LP aufgrund rechtlicher Probleme, die den stolzen Häuptling McGuinn nur zu sehr gefreut haben dürften, letztlich nur zu drei gesungenen Songs für Parsons reichte, ist seine Anwesenheit auf jedem der elf Cuts zu spüren. Seinen größten Moment hat der Sänger, der auf der sechsten LP der Byrds auch Gitarre, Piano und Orgel bedienen darf, zweifelsfrei auf seinem von ihm geschriebenen und mitgebrachten Hickory Wind. Darauf findet sich alles, was den Südstaatler ausmacht: seine melancholische, sehnsüchtige, gerne auch brüchige Stimme und mehr Emotion, als man beim Gros seiner Kollegen der populären Musik ausmachen kann. Parsons klingt trotz seiner lebensbejahenden Natur nahezu immer, als wären ihm Zeit seines Lebens nur Trauer und Schmerz widerfahren - aber auch wie jemand, der seine Songs der Musik bzw. der Liebe zu dieser wegen singt und darin Erfüllung findet. Ein artistischer und emotionaler Höhepunkt, nicht nur im Schaffen von G.P. und den Byrds, dieser nostalgische Blick zurück:

 

"I started out younger, had most everything
All the riches and pleasures, what else can life bring?
But it makes me feel better each time you begin
Callin' me home, hickory wind"

 

Die anderen von ihm gesungenen Nummern sind You're Still On My Mind und Life In Prison, aus den Federn von Luke McDaniel und Merle Haggard. Beide schwungvoll, beherzt vorgetragen und in ihren luftigen Arrangements samt leichtfüßigen Piano-Anklängen alles andere als in konservativen Country-Sphären festgefahren.

 

Dies bringt uns zum zweiten wesentlichen Punkt, der Sweetheart Of The Rodeo zu einem eklektischen Meisterwerk macht: sein Sound. Mit Pedal Steel, Banjo und Fiddle zwar tief im Country verwurzelt, gelingt es der Band, mit Elementen aus Rock, Folk, Soul und R&B ein zeitloses Werk zu kreieren, eines der ersten und einflussreichsten unter den als Country-Rock subsumierten. Ob es nun die countryfizierten, obligatorischen Dylan-Nummern You Ain't Going Nowhere oder Nothing Was Delivered sind, die das Album eröffnen und beschließen, der Fiddle-lastige Folk-Klassiker Pretty Boy Floyd oder der von Chris Hillman gesungene Cowboy-Song Blue Canadian Rockies, stets sind die Songs in erdige, vielseitige Arrangements eingebettet, die auch fünfzig Jahre später kein Körnchen Staub angesetzt haben.

 

Dazu kommt noch, dass die ganze Band einen hervorragenden Job macht um im Zusammenspiel glänzt. Neben dem glühenden Parsons blüht auch Hillman im vertrauten Setting auf, während McGuinn um seine Rolle als Frontmann kämpft - und der ebenfalls erst kurz davor auf Michael Clarke folgende Kevin Kelley an den Drums einfach seinen Job erledigt. Dass Sweetheart Of The Rodeo kleine Schönheitsfehler vorweist und somit dem perfekten Rating entgeht, liegt vor allem daran, dass jene drei Songs, die ursprünglich ebenfalls von Parsons gesungen wurden, aus den bereits erwähnten, rechtlichen Gründen keinen Platz am Album fanden, mit McGuinns Gesang überspielt bzw. übersungen wurden, was zumindest das soulige You Don't Miss Your Water einiges von seinem ursprünglichen Charme einbüßen lässt. Was natürlich nichts daran ändert, dass die sechste LP der Byrds eine ganz fantastische, genau genommen ihre beste, darstellt. Mit ein bisschen weniger Stolz und Glück im Bezug auf das Gesetz wäre sie noch makelloser ausgefallen. Gram Parsons hätte heute übrigens seinen 70. Geburtstag gefeiert - und so endet die Geschichte. Dieses Mal wirklich.

 


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