von Mathias Haden, 08.12.2014
Die letzte LP der langlebigsten Bandbesetzung wird zum großen Triumph ihres Gitarristen.
Dass man im Hause Columbia überhaupt noch scharf darauf war, ein neues Byrds-Album unter dem eigenen Banner zu veröffentlichen, verwundert retrospektive betrachtet doch etwas. Schier ewig hatte man das mit Ausnahme der Konstante Roger McGuinn immerzu im Wandel befindende Line-Up der Vögelchen zu wechselhaften kommerziellen Erfolgen mitgeschleppt, mit dem elften Album in nicht einmal sieben Jahren endete das Kapitel aber letztlich. Die Top 10 in den US- und UK-Charts waren der Band ohnehin nur mit dem Debüt Mr. Tambourine Man gegönnt, mit Platz 152 in den Billboard-Charts und ohne Einstieg in jene des UK endete diese fruchtbare Liaison aber mehr als unwürdig.
Dabei hatte die Bandbesetzung, bestehend aus McGuinn, Clarence White, Gene Parsons und Skip Battin und pikanterweise jene, die mit insgesamt fast drei Jahren die langlebigste der Bandgeschichte werden sollte, sich einiges vorgenommen für LP #11. Nach Erscheinen des Vorgängers Byrdmaniax, den der langjährige Produzent der Byrds, Terry Melcher, unter einer dicken Orchesterdecke begraben hatte, machte sich das Quartett wenige Wochen später wieder auf den Weg zurück ins Studio, um auf das von eigener Seite verhasste Produkt wieder einen würdigen Nachfolger folgen zu lassen.
Wer also erneut jenen Melcher im Produzentenstuhl vermutet hat, der immerhin das Gros der Bandalben produziert hat, der ist - wie man so schön sagt - 'schief gewickelt'. Wie sehr das Quartett aber von der Hilfe anderer angewidert war, zeigt allein die Tatsache, dass es den Credit für den Producer gleich selbst einheimst.
Dieser Umstand macht sich auch bemerkbar. Statt orchestraler Überproduktion gibt's wenige Monate später straighten Rock 'n' Roll mit bandtypischen Harmonien. Da man Farther Along aber als flotte Gegenreaktion zum Vorgänger sehen kann, die in einer Woche im Kasten war, bleibt natürlich der eine oder andere künstlerische Aspekt auf der Strecke, wirkt das Gesamtwerk fast schon unterproduziert. Vor allem hat sich in dieser Hektik aber auch die eine oder andere faule Frucht eingeschlichen. B.B. Class Road ist eine lauwarme Ode an die Road Manager dieser Welt und erzählt vom Leben auf Tour. Gene Parsons' gewöhnungsbedürftig tiefangesetzter Gesang ist schwer zu schlucken, der langweilige Text betreibt nicht gerade Schadensbegrenzung. Das Cover von Johnny Otis' So Fine ist ebenfalls nicht essentiell, wirkt in seiner Einfachheit wie eine lockere Aufwärmübung, bestenfalls um die elf Tracks zusammenzubekommen. In diese Richtung geht auch die einzige Singleauskopplung der LP, America's Great National Pastime. Denn obwohl man dieser sozialkritischen Hymne, die den Amis mal wieder den Spiegel vor Augen hält, Sympathie entgegenbringen möchte, hat die musikalisch einfach nicht viel zu bieten. Dazu kommt noch Skip Battins' im Vergleich zu den drei Kollegen doch auffallend schwächeres Gesangsorgan.
Trotzdem ist die elfte LP der Byrds keinesfalls der berühmte Griff ins Klo. Neben einigem starken Songmaterial sind es primär zwei Tracks, die herausstechen; bei beiden hat der geniale Gitarrist Clarence White seine Finger im Spiel. Für das melancholische Bugler verdient sich White, der keine zwei Jahre später (kurz nach der Auflösung der Band) von einem betrunkenen Autofahrer überfahren werden sollte, größte Anerkennung. Auf dieser von Larry Murray verfassten Ballade über einen Jungen und seine Trauer über den Tod seines Hundes liefert er seine stärkste Gesangsperformance als Byrd ab und zeigt auch auf der Mandoline, warum man ihn zu den besten amerikanischen Musikern zählen sollte. Wie gut er mit diesem Instrument wirklich umgehen kann, zeigt sein zweiter großer Auftritt, auf dem von ihm selbst arrangierten Gospelsong Farther Along, den er wiederum selbst einsingt und welcher die Version der Flying Burrito Brothers vom Vorjahr im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen lässt. Ein mehr als würdiger Abschied für Clarence White auf dem letzten Album der Band vor der Reunion der Originalbesetzung.
Aber auch die anderen Vögel zwitschern lauter als noch ein halbes Jahr zuvor. Tiffany Queen ist ordentlicher Rock 'n' Roll, dazu liefert der zuvor kritisierte Battin auf Lazy Waters noch eine starke Leistung ab. Auf den beiden Liebesliedern Antique Sandy und Precious Kate zeigt uns Roger McGuinn mit tollen Performances noch einmal, warum er der einzig konstante Name hinter der Gruppe ist und warum man von dieser auch unter den widrigsten Umständen noch klasse Musik erwarten darf. Abgesehen davon, dass aus seiner Kehle auch die merkwürdigsten Zeilen großartig klingen ("Precious Kate, it's our fate / To meet inside the center of a Californian earthquake"). Am Ende ist es aber wieder jener White, der mit dem Bluegrass-Instrumentalcloser Bristol Steam Convention Blues für klare Verhältnisse sorgt.
Mit Farther Along liefern die Byrds jedenfalls ein maßlos unterschätztes Album ab. Neben einigen Produktionsschwächen und ein paar überflüssiger Songs hört man auf der elften LP eine Band, die auf die eigene Unzufriedenheit über den Vorgänger die richtige Reaktion zeigt und eine passende Antwort parat hat. Auf der knappen halben Stunde zelebriert das Quartett das, was man heute mit dem Begriff 'Americana' in Verbindung bringen würde und verabschiedet sich in souveräner Manier von der Bühne. Dass dieses Album so eine negative Reputation genießt, verwundert zwar, beeindruckt mich aber in keinster Weise. Die nächste Runde gebe ich auf Clarence White aus, Prost!