von Kristoffer Leitgeb, 08.05.2020
Diesem Anfang wohnt eine Ende inne. Eines mit Schrecken, billiger Elektronik und Fadesse pur.
Einmal geht noch! Zugegebenermaßen, die bisherige Bilanz der Black Eyed Peas lässt Zweifel daran, dass das hier wirklich nötig ist, durchaus gerechtfertigt erscheinen. Man könnte fast glauben, es wurde schon genug über die nimmermüden US-amerikanischen Schrottproduzenten geschrieben. Nur fühlt sich ein Abschluss dieser vor Jahren von mir eigentlich für beendet erklärten Saga nicht richtig an, wenn nicht auch der vermeintliche Tiefpunkt dieser Band seinen Platz hier findet. Einfach, damit ein Bild entsteht, wie schlecht das wirklich noch werden kann. Viel schlimmer sollte ja dann doch nicht gehen, weil die Band generell und der Vorgänger "The E.N.D." im Speziellen ja doch eher unterwältigender Natur war. Penetrant, dümmlich, geschmacklos und wirklich unbequem synthetisch, um es einigermaßen zusammenzufassen. Zur Überraschung von absolut niemandem setzt sich das hier weitestgehend unverändert fort und doch ist "The Beginning" noch einmal ein Abstieg.
Die Wurzel dessen ist in der musikalischen Basis des Albums zu suchen und noch präziser in der frappanten Ähnlichkeit dieser zum Sound des Vorgängers. Nachdem es die Band trotz mitunter katastrophaler Qualität immerhin geschafft hat, sich ein Jahrzehnt lang mit jedem neuen Album in eine andere Richtung zu bewegen, beginnen die 10er-Jahre quasi exakt so, wie die 00er aufgehört haben. Das bedingt aber auch, dass hier nichts neu, interessant oder überraschend klingt. "The E.N.D." mag nicht gut gewesen sein, aber es war relativ ambitioniert, wenn auch auf eine verdammt fehlgeleitete Art. Hier ist jedoch davon eigentlich keine Spur mehr, sodass man weder etwas genuin Ausgefallenes und mit eigenem Charakter Ausgestattetes wie Boom Boom Pow bekommt, noch etwas, das die aufdringliche elektronische Dauerkanonade so kontrolliert chaotisch gestaltet wie Rock That Body. Also weder ein nice try noch ein genuiner, unterhaltsamer Treffer ist hier darunter.
Stattdessen ist bereits die Leadsingle The Time (Dirty Bit) sehr gut darin, nicht interessant, aber sehr anstrengend zu sein. In Verbindung mit Songlängen, die sehr gerne die 4-Minuten-Marke hinter sich lassen, ist das absolut tödlich. Denn die Inspirationslosigkeit, die aus diesem ultrafaden Mischmasch des "Dirty Dancing"-Hits mit plumpen Lärm für den nächsten Dancefloor spricht, ist bedenklich. Dem bekannten 80er-Song wird der Refrain entwendet, sodass will.i.am und Fergie autogetunt und von schrillen Synths und plattem Beat umgeben ein bisschen nebeneinander singen können. Der Rest ist ebender banale Knüppelbeat mit ein bisschen Swooosh hier, ein bisschen kratziger Elektronik hier, sodass man an einem Punkt landet, an dem man die gewöhnungsbedürftige, aber immerhin erbarmungslos unterhaltsame Party Rock Anthem umso mehr zu schätzen weiß. Einfach nur, weil da mit den gleichen elektronischen Zeitgeist-Erscheinungen dynamisch, eingängig und ohne sich selbst ernst zu nehmen gespielt wird, während rund um will.i.am nichts als die müde Fadesse kommerzieller Berechenbarkeit trieft.
In diesem Sinne sind die lebenden Toten, als die einem das Quartett hier entgegenkommt, immerhin auf einem sehr konstanten Trip. "The Beginning" ist durchgehend so lähmend ideenlos, variantenarm und ermüdend energiebefreit, dass es sich kaum lohnt, gesondert darauf einzugehen, dass Fergies Autotune-Vocals in Love You Long Time besonders anstrengend sind, dass The Best One Yet (The Boy) selbst für einen mit David Guetta aufgenommenen Song wirklich ganz wenig tut oder dass Light Up The Night immerhin so etwas wie einen Refrain hinbekommt. Der beeindruckt jetzt zwar nicht, ist aber immerhin fast nicht anstrengend. Womöglich kann man trotzdem noch so etwas wie Varianten feststellen, sie kommen nur großteils auf die mieseste Art. Whenever versucht sich in gewohnter Manier als einigermaßen stimmungsvolles, amouröses Duett, versagt aber komplett, speziell im Vergleich mit Meet Me Halfway, das den Job am Vorgänger erledigen musste. Whenever ist effektiv ein Katy-Perry-Song mit härterem Beat, schwach klingender Fergie, tonlosem will.i.am und einer tödlich kitschigen Mischung aus erdrückender Elektronik hier, akustischen Gitarren und Klavier da. Just Can't Get Enough bietet einem zwar das Front-Duo in ungewohnter harmonischer und organischer Eintracht, versammelt rundum aber ein klangliches Chaos irgendwo zwischen Streichern, flimmernden Synths und einem eindeutigen Percussion-Überhang. Und man bekommt noch eine Minute schriller Elektronik mit einem bisschen fadem Rap obendrauf, um einen ganz futuristisch in die Scooter'schen 90er zurück zu katapultieren.
Es ist also alles etwas deprimierend, auch wenn wir noch gar nicht bei den wirklichen Tiefpunkten waren. Die findet man mit dem entsprechend betitelten XOXOXO, einem der fragwürdigsten, irgendwie als romantisch zu identifizierenden Songs aller Zeiten, der das Kunststück hinbekommt, von einem steril-harten Anfang mit will.i.am-Solo ausgehend immer schlechter zu werden. Und das ist schon ein verdammt bescheidener Ausgangspunkt. Noch schwieriger wird nur Do It Like This, das aufgesplittet in einen müde dahinstolpernden, am Computer komplett zerstückelten Teil und einen überdrehten, monoton dahinstampfenden Teil beweist, dass sie hier beides nicht hinbekommen. Effektiv ist hier also alles so wie beim letzten Mal, nur eine Kategorie schwächer, mit der letztlich kaum ins Gewicht fallenden Ausnahme, dass hier nichts so grausam miserabel ist, wie es Ring-A-Ling auf "The E.N.D." war. Das allein hilft allerdings nicht, die unpackbare Inspirationslosigkeit, die hier bei jedem Song in viel zu vielen Minuten zum Vorschein kommt, in relevantem Maß auszugleichen. Interessanterweise ist es damit nur so, dass viel hier dann doch gerade noch so durchgeht, ohne einem Schmerzen zu verursachen. Vielleicht ist das aber auch der beste Beweis dafür, dass sie es nicht einmal mehr versucht haben.
Dem wäre nur in zwei Fällen zu widersprechen und selbst da wird deutlich, wie wenig wirklich herausschaut. Als einer dieser beiden einsamen, positiven Eindrücke steht Fashion Beats da, weil es dank der Hilfe von Nile Rodgers und Bernard Edwards einen ordentlich funkigen Disco-Touch mitbekommt und trotz der wenig animierenden Stimmen trotzdem ein bisschen schillernden Daft-Punk-Flair mitbringt. Wirkliche Feinheiten bekommt man in dem überlangen Song zwar trotzdem nicht serviert, aber das hört sich zur Abwechslung mal sehr ordentlich. Ein größeres Lob steht ausschließlich Don't Stop The Party zu, das als Single dennoch ein relativer Flop war. Trotzdem ist es der einzige Track, der seine trancigen Elektronikwände in einigermaßen energischer und dynamischer Manier präsentiert und trotz gewohnt dämlicher Rhymes von will.i.am nie den Eindruck erweckt, er oder Fergie würde nicht perfekt in den Song passen. Es ist der eine Song, in dem die überbordende Editier- und Zerstückelungsfreude des Frontmanns sich zur Abwechslung im richtigen Maß hält und die durchaus starke Hook des Songs nicht zerstört. Dass das auf dem längsten Track des Albums passiert, ist Glück und Unglück zugleich, denn mit zwei Minuten weniger hätte man es vermieden, die Einförmigkeit des synthetischen Soundmantels gar so in den Vordergrund zu rücken.
Letztlich zeichnet diese Eintönigkeit aber "The Beginning" als Ganzes aus und so ist es nur passend, dass auch der eine starke Song nicht davon verschont bleibt. Immerhin entgeht er aber dieser alles verschlingenden langweiligen, müden Ideenlosigkeit, die einen durch den Rest des Albums begleitet. Auf eine gewisse Art ist die LP damit ungefährlicher als das Partneralbum aus dem Jahr davor, weil von Risiken keine Spur ist. Andererseits ist von einem Sound die Rede, der schon grundsätzlich ziemlich verfehlt ist und hier noch einmal eine zusätzliche unwillkommene Komponente bekommt, indem er unfassbar gleichförmig in ungesunde Längen gezogen wird. Deswegen hat man eigentlich schon nach zwei Songs genug gehört, wobei man auch nach dem Überleben eines kompletten Durchlaufs nicht genug zu hören bekommen hat, um einen frühen Abbruch falsch erscheinen zu lassen. Ja, für zwei Tracks erholt sich das Album mittendrin einmal, aber das reicht hoffentlich für niemanden.