Taylor Swift - Red

 

Red

 

Taylor Swift

Veröffentlichungsdatum: 22.10.2012

 

Rating: 6 / 10

von Kristoffer Leitgeb & Mathias Haden, 15.11.2014


Safety first. Ohne große Risiken sitzt Swift fest im Sattel und reitet ins geheiligte Mittelmaß.

 

Tu ich da schon wieder wem Unrecht? Man wirft es mir ja ab und an vor. Dabei war doch "Red" für die Country-Queen unserer Zeit - ein Begriff, der bei ihr reiner Euphemismus ist - ein Schritt weg vom Altbekannten, hin in neue Pop-Gefilde mit den ersten Gehversuchen im Elektronischen, im noch wohlbekömmlicheren Allerwelts-Songwriting. Ein Befreiungsschlag sollte es ja schon fast sein und doch verfällt die LP in eine nur sporadisch unterhaltsame Lethargie.

 

Mittlerweile hab ich ihr dann auch gleich doppelt Unrecht getan. Zum Einen: Taylor Swift ist unter denen, die man heute als Popstars bezeichnen mag, beinahe schon eine wirklich begnadete Songwriterin, die sich mit ihrer Formel aus 90% Pop, 10% Country nicht ganz ohne Grund ihre Fanmassen verdient hat. Und sie verfällt gerade hier nicht in Lethargie, will Abwechslung vom ersten bis zum letzten Ton bieten. Womit auch der begrabene Hund ausfindig gemacht werden konnte. Denn ebendiese anvisierte musikalische Bandbreite, die sie zu präsentieren versucht, sie bricht ihr bei Zeiten das Genick. Nicht so allerdings in den Anfangsminuten. State Of Grace heißt ihr Angriff auf die Stadien dieser Welt, in dem die E-Gitarren zwar nicht die Härte vom Vorgänger-Trumpf Better Than Revenge erreichen, dafür aber mit dem prägenden Beat und ihren typischen Storyboard-Lyrics eine kurzweilige Mischung ergeben. Ein Begriff, der dem Titeltrack noch besser sitzt. Wenn diese Dame nämlich eines kann, dann sind es die auf banalste Art großartigen Refrains, die sie in ihre schnelleren Songs packt. Danke dafür.

 

Großer Dank gebührt ihr allerdings zunehmend seltener. Zu wenig passiert vor allem textlich. Die starke Geschichtenbastlerin ist Geschichte, dagegen enden Balladen in aussagebefreiter Fadesse wie beim Ed Sheeran-Gastspiel Everything Has Changed oder I Almost Do, die Up-Beat-Nummern dürfen dann auch einmal zu Pop-Idiotie wie dem bedenklich infantilen Stay Stay Stay mutieren. So verläuft sie sich zwar selten in musischer Grausamkeit - diesem Begriff kommt nur der dümmliche Song 22, eine Hommage an die Untiefen von Katy Perry, Miley Cyrus und der 'neuen' Avril Lavigne, wirklich nahe -, Interesse erweckt aber hier auch kaum etwas. Vor allem die dramatisch-romantischen Balladen verpuffen dank ihrer Inhaltsleere schneller als gewollt, enden im allerbesten Fall wie das ordentliche All Too Well, eher aber wie das unnötig aufgebauschte The Last Time oder das fast einschläfernde Sad Beautiful Tragic.

 

Leichter tut sie sich dann mit der Ehrenrettung doch wieder in schnelleren Gefilden. Das leichten 80er-Charme versprühende Starlight kommt gegen Ende gut an, hat aber auch davor schon weit bessere Unterstützung. Holy Ground mausert sich so beispielsweise mit tollem Beat und den lockeren Gitarrensounds zu den vielleicht vitalsten Minuten hier. Das Ass im Ärmel hat Swift aber viel früher in Form des Mega-Hits We Are Never Ever Getting Back Together ausgespielt. Nachdem ihn eh jeder zur Genüge kennt, belasse ich es beim Urteil, dass das feinstes Pop-Handwerk ist.

 

So und nicht anders wäre er geglückt, der nächste Schritt weg vom Country. Viel zu oft hält die Amerikanerin aber an ihren von echtem Gefühl befreiten Balladen und ihrem Wunsch nach künstlerischer Entfaltung fest. Gut, soll sein, ich werd es ihr sicher nicht verbieten. So ganz zufrieden kann man auch im Lichte des starken Vorgängers "Speak Now" damit aber wohl nicht sein.

 

K-Rating: 5.5 / 10

 


Endlich mal etwas Mut zum Farbenreichtum ins Studio mitgebracht.

 

Des einen Leid, des anderen Freud. Was uns diese aus grammatikalischer Sicht höchst Fragwürdige Bauernweisheit sagen will: Der eine erfreut sich an einer 08/15-Radiokommerznummer wie We Are Never Ever Getting Back Together, den anderen lässt die Lobhudelei um diese Swift’sche Routineübung fragend zurück. Überhaupt könnte sich hier ein spannender Interessenskonflikt andeuten, aber alles zu seiner Zeit.

 

Unter den sechzehn Cuts, die mit Country genau so viel zu tun haben wie die späten Ärzte mit Punk, die es auf Red geschafft haben, gibt es natürlich einiges an Ballast, den man sich ruhigen Gewissens hätte präventiv entledigen können. Freilich sind monotone Herzschmerzkummerkastenbanalitäten wie Sad Beautiful Tragic, bei dem der Titel noch der dramatischste Bestandteil ist, und das lethargisch überflüssige Ed Sheeran-Duett Everything Has Changed genauso Dornen im Auge wie die inoffizielle Fortsetzung vom lächerlichen Fifteen (von Fearless), dem nicht minder garstig kindischen 22. Hier endet das Rosinenpicken allerdings nicht, auch die prominente Single I Knew You Were Trouble mit einer unguten Dosis Elektronik möchte ich an dieser Stelle genauso wenig ungeschoren davonkommen lassen wie den nichtssagenden Titeltrack mit ungutem Refrain und fragwürdigen Erkenntnissen: "Loving him is like driving a new Maserati down a dead end street". Immerhin liefert sie hier aber eine gelungene Gesangsperformance ab.

 

Wo wir aber schon bei textlichen Defiziten angekommen sind: Davon ist das vom Kollegen als "bedenklich infantil" abgetane Stay Stay Stay auch alles andere als befreit. Bemüht man sich aber, nicht allzu sehr den Worten der Sängerin zu lauschen, bleibt ein in seiner Essenz fröhlich beschwingter Pop-Song übrig, der sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Immerhin besser als die leblos künstlichen Versuche, eine ergreifende Dramaturgie zu schaffen wie im Duett mit dem Snow Patrol-Sänger Gary Lightbody in The Last Time.

Bleiben wir also bei der erfreulichen Seite des Albums, die meines bescheidenen Erachtens doch überwiegt. Swift schafft es nämlich erstmals wirklich, so etwas wie Abwechslung und Vielfalt in eine LP einzubringen. So wechselt sich ein U2 inspirierter Rocktrack, bei dem man The Edge schon in Gedanken neben Taylor im Studio stehen sieht und den der Kollege zu meiner Freude als Stand-Out hervorgehoben hat, nämlich State Of Grace, mit einer mit drückender Melancholie und großer Bridge gesegneten Ballade Treacherous ab. Auf All Too Well ruft sie ihr Potenzial ab und trägt diesen aus textlicher Sicht besseren Track mit ihrer Stimme über die fünf-Minuten-Grenze, der vergleichsweise sanftere Closer Begin Again wird ebenfalls zu einem emotionalen Ritt und irgendwo dazwischen steht eine Achtzigerhommage der besseren Art, Gute-Laune-Popper Starlight.

 

Leider macht sich dieser Mut zum Farbenreichtum nur in produktionstechnischer Hinsicht bemerkbar. Textlich macht Taylor Swift am nunmehr vierten Album nicht gerade einen Schritt in die richtige Richtung, die Thematiken (Liebe) werden sich wohl ohnehin nie ändern. Trotzdem ist Red ein Album geworden, dem man seine motivierte und lernwillige Protagonistin anmerkt, dem man durch all seine schwachen Momente hindurch gern zuhört, um die schönen Pop-Momente, die zweifelsfrei vorhanden sind, immer wieder aufs Neue zu entdecken und mit dem man kurz gesagt einfach Spaß haben kann. Und so schlimm ist die Lead-Single trotz furchtbarem Gequatsche zwischendurch dann ja auch nicht, möge also weiter Friede herrschen!

 

M-Rating: 6.5 / 10

 


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