von Kristoffer Leitgeb, 22.08.2015
Die neuerdings synthie-affine Taylor verkörpert vor allem eines: Platte Unnatürlichkeit.
Langsam wird's lächerlich. Schon klar, Trends sind auch in der Musik keine Seltenheit, aber irgendwann reicht es dann wirklich. Und zwar wirklich wirklich. Die Rede ist natürlich vom Synthpop. Gegen den ist grundsätzlich nichts einzuwenden, er muss einem aber auch nicht überall seinen elektronischen Hintern entgegenstrecken, wo gerade ein bissl Erfolg ist. Allerspätestens seit den 80ern entkommt man ihm allerdings nicht mehr. In den 90ern noch am ehesten, mittlerweile ist aber endgültig die vollkommene Weltherrschaft der Müll-Synthies ausgerufen, ergo gibt's im Radio auch nichts anderes, außer irgendwer will mal 'abrocken' und traut sich deshalb Nickelback oder Green Day dazwischen zu schmeißen. Wo sind da die Regina Spektors dieser Welt, wo die Adeles, die sich tatsächlich noch trauen, Leute mit Instrumenten zu engagieren, deren Arbeit dann nicht unter fünf Schichten Keyboard und ähnlichem versteckt wird? Die kleine Taylor Swift war ja auch mal so eine, auf ihre Art zumindest. Aber da waren Gitarren, da waren ordentliche Drums, da war ein normaler Bass und dann vielleicht einfach mal nichts mehr. Oh, diese längst vergessenen Tage...
Es dürfte nämlich irgendwie mit dem Zeitpunkt zusammenfallen, an dem die neue Pop-Queen ihre Haare geglättet und sich roten Lippenstift aufgeschmiert hat, dass auch ihr unglaubliches Verlangen nach einem 'wirklichen' Pop-Album durchgebrochen ist. Und so total der real deal ist ja nur mehr die volle Elektronikbandbreite, bei der dann irgendein Typ hinter dem Mischpult mit Sicherheit der Beschäftigtste im Studio ist. Aber wer kann es ihr verdenken, nachdem nicht nur vor gefühlten Äonen die gute, alte Madonna so angefangen hat, sondern auch Lady Gaga und natürlich Lana Del Rey damit alles niederreißen. Vor allem natürlich Lana, die mit ihrem ursupertollen gekünstelten everything unwiderruflich die Maßstäbe für dieses Jahrzehnt des Pop gesetzt hat. Da heißt es aufholen im Swift-Lager, das nervige und austauschbare - Traumkombi - Shake It Off ist also mal ganz sicher der way to go. Ist schon cool mit so ultradynamischem Beat und Trompeten-Imitationen, die Miles Davis im Grab rotieren lassen. Viel mehr ist es außer einer Unzahl verschiedener Stimmspuren, die immer wieder mal unnötig reingeschmissen werden, eh nicht, abgesehen von Swifts selbstgefälligem "Haters gonna hate"-Gedudel. Da lechzt man doch gleich nach der Tanzfläche... oder doch eher nach einer Rückkehr zur Jahre früher noch sympathischen Kritikerabrechnung von Mean.
Inmitten all dieser geballten Authentizität und musikalischen Natürlichkeit fehlt nur mehr der Beweis für das unglaubliche Gefühl für Killer-Hooks und den Killerinstinkt für die tiefgreifenden Gefühle, die der Songwriterin innewohnen. Gut, um ihr nicht Unrecht zu tun, muss man ihr zumindest ersteres mit Abstrichen zugestehen. Bekommt sie ihren neuen, so liebgewonnenen Sound nämlich besser unter Kontrolle, dann springt schon mal gute Arbeit raus. Style spielt da zum Beispiel mit griffiger Gitarrenarbeit und sogar ein paar kurzen Piano-Einsätzen inmitten der Synthie-Meute, bevor sich der überlaute Glitzer-Refrain mit seinen vielen Key-Parts einmischt. Da geht's dann auch ihr plötzlich ganz gut, auch wenn sie mit ihrer an allen Ecken mit Zusatzspuren verstärkten Stimme vergebens um Emotionen ringt. Starke Arrangements müssen da aushelfen, wenn es um Substanz geht. Das gelingt ihr ausgerechnet an der dramatischen Front eher, auch weil dort von Produktionsseite behänder vorgegangen wird, der musikalische Vorschlaghammer weiter weg scheint. Zum Ende macht sie da mit dem Duo I Know Places und dem etwas merkwürdigen Drogen-Abgesang Clean Boden gut. Auch wenn gerade letzterer nach Del Reys Pseudo-Trip-Hop riecht wie hier sonst nichts, gehen Swift die sanften und intensiven Passagen hörbar leichter von den Stimmbändern, wirken auch schlicht weniger verblödet als der Rest.
Und von dem gibt's halt doch viel. Den Opener Welcome To New York muss man ihr da ja fast noch als fatales Streichresultat anrechnen, denn ihre billige 80er-Synthiemaschinerie begibt sich da auf langweiligste Kopfschüttel-Pfade. Der Titel fasst es eigentlich schon ausreichend zusammen, mehr ist in der hirnlosen Nummer auf dem Niveau einer Katy Perry wirklich nicht herauszuquetschen. Die groben Fehler finden allerdings in der Masse der nichtssagenden Romanzen statt, die Swift noch immer und austauschbarar denn je auf Lager hat. Dass man hier urplötzlich von der erwachsenen Swift spricht, wenn sich das miserable Out Of The Woods darin übt, Beziehungsproblemen vor allem durch das Wiederholen des Titels auf den Grund zu gehen, birgt gewisse Mysterien. Die werden auch nicht mit Mega-Schmalz a la This Love oder dem mäßigen Blank Space aufgeklärt, immerhin klingt das Gebotene eher nach den schwächelnden Überbleibseln ihrer besseren Tage.
Überhaupt beeindruckend, in welch banalen Welten sich die Amerikanerin mit ihren Songs herumtreibt. Da fällt jede Kritik an der kitschig-kindischen Perspektive von anno dazumal flach, wenn sich als Ersatz fast ausschließlich fade Platitüden wie jene von Out Of The Woods finden. Vorbei die Zeiten der ewig romantischen Geschichtenerzählerin, ein betretenes Hallo für die in der Banalitätenschublade der Liebe kramende Mainstream-Musikerin. Und damit wird aus ihr musikalisch das, was sie auch visuell verkörpert: Ein künstliches Pupperl.
Auf andere Gedanken bringt einen da nur How You Get The Girl. Wer hätte es gedacht, es ist ein offensichtlicher Blick in den Rückspiegel, der sich als größter Gewinn von "1989" entpuppt. Angetrieben vom lockeren Beat und in den Strophen ansonsten netterweise reduziert auf lockere Akustik-Akkorde, wirkt die Sache ungleich lebendiger und natürlicher als das ganze Drumherum. Da kommt dann auch in Swift gleich wieder die alte Texterin durch, die sich Herzensangelegenheiten ein bisserl fürs eigene Wohl zurecht zimmert, damit sie sich auch von der Masse abheben. In der nicht unterzugehen gelingt sonst nur mehr All You Had To Do Was Stay, das sich abgesehen von einer defensiven Herangehensweise an die Synthie-Abteilung vor allem auch vom eingängigen Refrain und den zur Abwechslung nicht ganz so halbgaren Lyrics tragen lässt.
Die generelle Richtung ihrer fünften LP dreht Swift mit diesen paar positiven Ausnahmen aber nicht um. Sie hat sich mit "1989" ganz eindeutig neu erfunden, diese Mission ist ihr auf alle Fälle geglückt. Doch der Preis dafür ist quasi alles, was sie von der stumpfen Masse des Mainstream-Pop abgesondert hat. Stattdessen taucht sie dort ein, opfert dafür jede Chance auf interessante Texte und lockeren Pop, kreiert dafür ein mühsames, lebloses und in musikalisches Plastik gegossenes Album. Warum genau man ihr dafür zugejubelt hat, bleibt fraglich. Aber vielleicht braucht einfach jede Ära auch ihre 'großartige' Pop-Ikone, die nicht mal viel leisten muss, um gut dazustehen. Swift ist eben gerade die klare Genre-Größe, scheint damit Narrenfreiheit zu genießen. Was es über sie aussagt, dass sie die nutzt, um sich perfekt an die heutigen Trends anzupassen und sonst nichts, soll mal dahingestellt bleiben. Es sagt aber auch über die Trends nichts Gutes aus, wenn sowas dabei rauskommt.