Talking Heads - More Songs About Buildings And Food

 

More Songs About Buildings And Food

 

Talking Heads

Veröffentlichungsdatum: 14.07.1978

 

Rating: 7 / 10

von Kristoffer Leitgeb & Mathias Haden, 15.12.2019


Mit Eno kommt der Fokus, kommt der Rhythmus, dafür verblasst die geniale Schrägheit.

 

Jede Entwicklung erfolgt schrittweise. Die Größe dieser Schritte kann natürlich variieren, aber von A nach D kommt man nicht ohne B und C. Tut man es doch, ist D nicht D, sondern doch nur B. Mit den Talking Heads hängt das insofern zusammen, als dass diese auf "Remain In Light" nur mehr sehr bedingt mit der Band zu tun hatten, die drei Jahre zuvor ein großartiges Debüt in die Welt entlassen hat. Was dazwischen passiert ist, war eine Entwicklung und "More Songs About Buildings And Food" der erste Schritt.

 

Wobei die zweite LP der New Yorker oft selbst der Perfektion nahe gesehen wird und damit kaum noch als Etappe auf dem Weg zu einem großen Ziel taugt. In Wahrheit klingt die LP aber sehr danach, was hauptsächlich an einer Person liegt, nämlich Brian Eno. Die herangebrochene Phase der Kooperation zwischen den Heads und dem Ambient-Pionier und umtriebigen Produzenten sollte aus dem fast chaotischen Sound des Debüts etwas beinahe Geordnetes machen. So ziemlich alles hier ist strukturierter, fokussierter und mit deutlicher erkennbarem rotem Faden, der die Vermengung von Funk, Surf Rock, ein bisschen Punk, einem psychedelischen Hauch mit verfeinert und trotz immer noch deutlicher künstlerischer Streuung insgesamt klanglich vereinheitlicht. Anders gesagt, greift da einer etwas lenkend ein und hilft so mit, ein tanzbareres, mehr dem klaren Rhythmus verpflichtetes Album zu erschaffen. In Anbetracht der Güte einer Rhythm Section mit Chris Frantz an den Drums und vor allem Tina Weymouth am Bass ist das einmal zu begrüßen und die Band trifft damit auch oft genug ins Schwarze. Die dahinrollenden Drums von Opener Thank You For Sending Me An Angel vertragen sich bestens mit dem Keyboard und den spärlich eingestreuten Riffs. With Our Love, Found A Job und Artists Only wiederum sind lockere, funkige Nummern, deren großartiger Bass perfekt durch die im Hintergrund gehaltene Percussion, die knackige Gitarrenarbeit oder warm-schrille Keyboard-Akkorde akzentuiert wird. Und am Höhepunkt all dessen findet man einen Volltreffer wie I'm Not In Love, dessen Mixtur aus genialer Bassline, ähnlich großartigem Main Riff, wuchtigem Beat und David Byrnes energischen Vocals schlicht unwiderstehlich ist, selbst wenn man den stockenden Refrain liebend gerne geändert hätte.

 

Das ist die eine Seite dieser LP, die im Kern immer noch viel dessen bereit hält, was das Debüt so außergewöhnlich gut gemacht hat. Byrne ist unverändert in Hochform, sowohl was seinen erratisch-vielseitigen Gesang als auch die oft skurrilen Texte anbelangt. Genauso ist an der Performance der Band so ziemlich nichts auszusetzen. Doch dieser hinzugekommene Fokus, das Mehr an Keyboard und Synthesizern, scheint dem Album ein bisschen Nachdruck, Spannung und Sprunghaftigkeit gekostet haben. Auch deswegen sind Warning Sign oder Stay Hungry eher passables Füll- als Klassikermaterial. Am deutlichsten wird der stilistische Wandel und damit auch die etwas nachlassende Verführungskraft zum Ende. Al-Green-Cover Take Me To The River war zwar ein Hit, aber auch eine für die Talking Heads merkwürdig unpassende Mischung aus Funk und Soul, deren Orgelklänge so nicht und nicht gefallen wollen. Und The Big Country mag mit seinem Country-esquen Klang als bissige Ode an das ländliche Amerika inhaltlich bemerkenswert sein, soundtechnisch verblasst es aber gegenüber all den wunderbar lebhaften Minuten, die die Talking Heads ausmachen.

 

"More Songs About Buildings And Food" als Ganzes ist allerdings immer noch stark genug, um stolz seinen Platz in der Diskographie der Band rund um Querkopf David Byrne einzunehmen. Das verhindert wiederum nicht, dass der Eno'sche Einfluss dafür sorgt, dass ein bisschen von der eigenwilligen Magie des Debüts abhanden kommt und die LP stattdessen manchmal zu gesittet und geordnet - für Bandverhältnisse, versteht sich - wirkt, um mit der starken Instrumentalarbeit genauso zu beeindrucken wie in den Jahren davor und danach.

 

K-Rating: 7.5 / 10

 


Noch mehr smarte Songs über Gebäude und Essen.

 

Hallo. Mein Name ist Mathias und ich stecke in der unkomfortablen Situation fest, einem ziemlich großartigen Review Paroli bieten zu müssen. Und dann noch bei diesem Talking Heads-Klassiker, der mich schon immer weniger gekickt hat als die anderen Talking Heads-Klassiker. Hallo. Mein Name ist Mathias und ich werde das Beste draus machen.

 

Wie gesagt war das vielversprechend betitelte und allseits gefeierte More Songs About Buildings And Food noch nie zu 100% meine Tasse Kaffee. Woran das liegt, habe ich bis heute noch nicht herausfinden können. An Brian Eno per se schon einmal nicht, der hat ja immerhin die beiden kommenden Großtaten mitverantwortet. An den Songs per se dürfte es auch nicht scheitern, die sind eigenwillig wie immer und sprudeln vor Kreativität sowie dieser eigenartigen Aura, die nur der Zusammenarbeit zwischen den New Yorkern und dem Briten anhaftet. Smoothe Rhythmen und gediegene Melodien gibt es auch, man lausche nur dem lässig runtergespielten The Good Thing und entschwinde in Erinnerungen an CBGB und die coolste Szene der späten Seventies.

 

Bleibt sonst ja gar nicht so viel übrig und weil auch Byrne, Weymouth, Frantz und Harrison wie gewohnt liefern, ist man schon in der Zwickmühle gelandet, in der ich seit Jahren stecke. Müssen es demnach tatsächlich die Songs sein und siehe da, bei manchen Stücken will ich wirklich immer einen gewissen Nervfaktor raushören. Ein wenig bereits beim herrlich funkigen Found A Job, dessen Gesang über fünf Minuten mir vom ersten Tag weg Schwierigkeiten bereitet hat, aber noch viel mehr bei der vom Kollegen als seltsame Mischung herausgehobenen Interpretation des Soul-Gassenhauers Take Me To The River. Ich gehe sogar soweit, diese dahinschleppende Orgel-Packung mit mühsamer Performance von Byrne und unpassendem Fiepsen das Prädikat Promenadenmischung aufzudrücken.

 

Allerdings ist es letztlich dann doch wieder keine Sache des Songmaterials, weil ich abgesehen davon mit den einzelnen Stücken durchaus d'accord gehe und keine wirklichen Schwachpunkte ausmachen kann, wiewohl ich mir auch beim Herausfiltern der Highlights etwas schwertue. Mein Problem mit More Songs About Buildings And Food dürfte demnach generell darin wurzeln, dass die New Yorker hier ihr smartestes und wohl am meisten verkopftes Album vorlegen. Wo gerade die beiden folgenden LPs ein wunderbares Konglomerat aus legendären Rhythmen, Pop-Appeal und dieser charakteristischen Smartheit offerieren, ist der Intellektuelle Byrne hier fast entfesselt unterwegs, uns mit seinem charmanten, aber über die Dauer einer gesamten Langspielplatte - so vielseitig er auch sein mag - doch ermüdenden Gesang zu beglücken. Wenn am Ende dann The Big Country in seinem Wechselspiel aus Satire und Wehmut musikalisch angeblich verblasst, ist man einerseits nicht ganz unzufrieden, dass diese interessante Platte an ihrem Schlusspunkt angekommen ist und andererseits erfreut darüber, dass die Talking Heads auf LP #2 eben doch auch weniger aufdringlich und fordernd können - und das gar nicht wegen seinem vermeintlichen Country-Twang.

 

Eigentlich müsste ich ja sieben Punkte springen lassen, aber um meinen eigenen Punkt zu untermauern und ein rundes Gesamtergebnis zu gewährleisten verbleibe ich mit adventlich gut gemeinten

 

M-Rating: 6.5 / 10

 


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