Dem Schlusspunkt einer erfolgreichen Ära fehlt es nebst großen Songs an der nötigen Bolan-Magie.
In Zeiten größtmöglichen Erfolges müssen Entscheidungen gefällt werden. Je nachdem, in welchen Dimensionen bzw. auf welchen Ebenen sich der Erfolg bewegt und wie viele beteiligte Personen der festen Überzeugung sind, an diesem mitnaschen zu müssen, werden Entscheidungen von einer oder mehreren Köpfen getroffen. Man erinnert sich in dieser Hinsicht natürlich gerne an den King himself, der zumindest in Sachen filmischer Laufbahn wenig bis gar nichts mitzureden hatte, von einem Dreh zum nächsten Dreh geschickt wurde und mit jedem platten Film weitere kostbare Zeit und Hirnzellen lassen musste. Nie wieder danach gab es ein ähnlich überlebensgroßes Marketingprodukt wie Elvis Presley, der Wunschschwiegersohn einer ganzen Generation, aus heutiger Sicht ist es auch mehr als unwahrscheinlich, dass diese einmalige Erfolgsgeschichte auch in naher Zukunft reproduzierbar ist. Einer, der dem weitflächigen Impact des King für die Pop-Musik zumindest in einer kurzen Zeitspanne einigermaßen nahe kam, ist Marc Bolan. Der wäre vor kurzem 70 geworden, was tatsächlich ebenso wenig mediale Beachtung fand, wie sein 40. Todestag, ebenfalls im September. Die 2-3 Jahre, in denen er als Frontmann von T. Rex zum Teenage Idol, glitternden Superstar und Glam-Phänomen avancierte und die Pop-Geschichte mitprägen durfte, kann ihm allerdings niemand nehmen.
In diese Phase außerirdischen Anklangs fallen drei Alben. Die beiden ultimativen Bandmonolithen Electric Warrior und The Slider, sowie der kleine, etwas leiser gefeierte Miniklassiker Tanx. Um letzteren geht es heute. Nach den beiden Megasellern musste Bolan die Entscheidung treffen, wie gehabt weiter zu machen oder in eine andere Richtung zu driften. Er entschied sich für eine Mittelvariante mit stilistischer Nähe zur ersten Option und reicherte seinen knackigen, eingängigen Glam-Rock um Elemente aus Soul und Funk an, etwas, dass der Künstler schon viele Jahre im Hinterkopf hatte. Und da hier offensichtlich wenig Risiko im Spiel war, wurde diese Überlegung von allen wesentlichen Seiten abgesegnet. Auf den ersten Blick bietet Tanx ja auch all das, was die vorangegangen Jahre so magisch gemacht hatte. Lässige Rhythmik, treibende Percussions und dieser coole, einmalige Gesang, der Bolan unter zigtausend Sängern heraus strahlen lässt. Gelegentlich mischen sich auch Streicher, Saxophon, ein Klavier oder das Mellotron ins rege Treiben. Oh und natürlich nicht zu vergessen, Bolans höchsteigene Gitarre, die auf Tanx sehr prominent vertreten ist. Denn die insgesamt achte LP seit der Gründung von Tyrannosaurus Rex erreicht immer wieder ungekannte Dimensionen rockiger Härte. Auf Rapids röhrt die Gitarre nur so, lässt dem melodischen Pop-Song in seinem Zentrum aber genug Raum zum Atmen, auch die kurzen, explosiven Shock Rock und Country Honey gehen bei gleicher Rücksicht auf den weichen Kern ordentlich durch die Decke.
Immer wieder dringen die frischen Ansätze, denen Bolan auf der LP nachgehen wollte, durch. Auf Mister Mister schunkeln die dominierenden Saxophon und Klavier erfolgreich zu einem simplen Boogie, während Electric Slim And The Factory Hen jenes Gebiet des Blue Eyed Soul, sprich dem Soul für Weiße, auslotet, das Rivale und Busenfreund David Bowie wenig später für sich entdecken sollte. Und auch der abschließende Höhepunkt Left Hand Luke And The Beggar Boys betritt mit seinem vielstimmigen Frauenchor neues Terrain für T. Rex. Dass diese drei starken Stücke knapp ein Drittel der Gesamtspielzeit ausmachen, ist für den weiteren Verlauf der Besprechung selbstverständlich von Vorteil.
Böse Zungen behaupten ja, jeder T. Rex-Track würde gleich klingen. Und irgendwo hat dieser Vorwurf sicher seine Berechtigung, besonders was die Einfachheit und Dynamik der Stücke anbelangt, doch ist es hier vor allem sein großspurig angelegter Eklektizismus, der dem Album zum Verhängnis wird. Diese Vision vom geradlinigen Glam-Pop, der einerseits immer wieder härtere Riffs auspackt, dann wieder auf einer Klaviermelodie davon schwebt und auf den Spuren von Saxophon und Streichern zum ursprünglichen Motiv findet, bietet zwar für T. Rex-Verhältnisse einiges an Abwechslung, ist gelegentlich aber auch irritierend. Das größere und wesentlichere Argument contra Tanx ist aber, dass sich unter den dreizehn Tracks einiges an Füllmaterial angesammelt hat, das sich aber gar nicht so leicht von den Leistungsträgern destillieren lässt. Ob Mad Donna, das herrlich ausufernd dem Exzess frönt, aber letztlich verdammt banal ist, zu den besseren oder schwächeren Stücken hier zählt, ist tatsächlich so schwer zu sagen, wie den von vielen als Geniestreich bezeichneten Tenement Lady mit seinem eigenwilligen Aufbau richtig einzuordnen. Fakt ist, Classics wie Born To Boogie oder Life Is Strange übertreiben es mit der gelobten Einfachheit, anderes geht wiederum spur- und emotionslos an einem vorbei.
Kritiken über T. Rex sind eigentlich immer eine undankbare Angelegenheit und unter all den Alben der Band nimmt Tanx noch einmal eine Sonderstellung der Undankbarkeit ein. Denn Bolan und seine Kollegen Finn, Currie und Co. machen gar nicht so viel anders als auf den beiden LPs davor, trotzdem fehlt es dem Album an allen Ecken und Enden. Primär natürlich an ganz großen Tracks - die zur selben Zeit veröffentlichten Singles Children Of The Revolution und 20th Century Boy hätten (wie damals bei Ride A White Swan und T. Rex) der LP einen ordentlichen Boost gegeben. Aber auch ein wenig an der klassischen Bolan-Magie, die auch dem einfachsten Song einiges an Strahlkraft verleihen konnte. Dass man dem Glam-König auf der "letzten großen" T. Rex-LP trotzdem bei jeder Silbe an den Lippen hängt, spricht nur für ihn.
Anspiel-Tipps: