Various Artists - Sister Act

 

Sister Act

 

Various Artists

Veröffentlichungsdatum: 09.06.1992

 

Rating: 6 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 31.08.2019


Ohne Staubschicht der 90er offenbaren sich Motown, melodiesüchtige Komik und permanente Schwächen.

 

Erwiesenermaßen stößt das Verlangen nach einer Unterdrückung subjektiver Vorlieben zum Fokus auf so etwas wie Objektivität spätestens bei der Frage des Humors an seine Grenzen. Insofern bietet sich beinahe keine Komödie als Material für rezensorische Abenteuer an. Von einer musikalischen Warte aus noch viel weniger, weil nur wenige Komödien mit einem Soundtrack gesegnet sind, der es wirklich wert ist, angehört zu werden. Zumindest drängt sich fast keine auf. Außer natürlich, Humor und Musik werden in Form eines Musicalfilms verbunden. Das erleichtert die Sache zwar auf dieser Ebene, führt allerdings dazu, dass so etwas wie "Sister Act" noch einmal einen schwereren Start hat. Musicalfilme sind oft ziemlich schwierig, selbst in ihrer ikonischen Form oft genug. Und dann noch einer mit direktem Draht zu Gott und dem Nonnentum? Na, puh. Wird aber alles ausgebügelt durch ein starkes Skript und eine starke Whoopi, die in den 90ern eigentlich auch den miesesten Film durch ihre sympathische Art retten konnte. Und mit der Musik hat sie es auch gleich noch.

 

Gut, anders ginge es auch nicht, nachdem sie immerhin doch in fünf Songs zu singen hat. Wobei man gleich zweierlei voranschicken muss: Der Soundtrack wird nicht unbedingt von ihr gerettet und er kämpft vom ersten bis zum letzten Track mit veritablen Schwächen. Diese Unzulänglichkeiten sind überdeutlich, allerdings beeindruckenderweise von Song zu Song unterschiedlicher Art. Während man jedem instrumentalen Beitrag von Marc Shaiman anmerkt, dass die Musik in den frühen 90ern gefangen ist, kämpfen die Songs, die Goldberg und ihre gesanglichen Mitstreiterinnen zu bieten haben, mit der Musikalität an sich und wirken fast alle von außen zusammengetragenen Songs isoliert von der Zeitgeistigkeit oder dem Ton des Films.

Aber zurück an den Anfang: Dort macht sich ein Medley breit, das Goldberg noch in der Rolle der billigen Glamour-Diva in irgendeinem Nachtclub platziert. Immerhin bringt das aber die ideale Gelegenheit, das musikalische Fundament, auf dem der Film aufbaut, vorzustellen. Klassischer Rhythm & Blues und Motown sind das, was einem hier geboten wird. Und das zur Eröffnung gar nicht einmal schlecht, zumindest scheint Goldberg in ihrem Metier zu sein und man sich musikalisch nicht zu verrennen. Auch wenn man sich alle Mühe gibt, The Lounge Medley latent amateurhaft oder zumindest unbequem unsauber klingen zu lassen. Das hat insofern seine Berechtigung, als dass es dem Startpunkt der Story entspricht, sorgt aber allerspätestens mit dem in Höchstgeschwindigkeit runtergespielten Cover von I Will Follow Him für unbequeme Eindrücke.

 

In der Folge lernt man jedes Mal aufs Neue die bizarre qualitative Zwiespältigkeit des Soundtracks kennen. Da ist immer Gutes zu hören, das bombardiert wird von Schwierigkeiten. Shaimans Kompositionen beweisen zum Beispiel ein ordentliches Gefühl für Melodien und den nötigen Drive, spielen sich auch durchaus nett mit Klavier und Bläsern, während die E-Gitarre immer mal wieder rau hineinfahren darf. Aber für seinen ersten Beitrag, The Murder, gilt, was auch alle anderen in Richtung Durchschnitt rücken lässt. Das klingt einfach alles so unfassbar angestaubt, dass es in einzelnen Momenten wirklich weh tut. Hemmungslos überproduziert, mit kitschigen Saxophon-Parts und an Phil Collins' schlechteste Angewohnheiten erinnernden Reverb Drums und Bläsersätzen akzentuiert. Glatt und billig mutet das an, auch wenn man - auch hier eine Parallele zu Collins - eingestehen muss, dass Shaiman ein Gefühl für Melodien hat und weiß, wie man die Instrumente miteinander in Einklang bringt. Umso eher ist es schade, dass er das nicht in etwas weniger aufdringlicher Form hinbekommen hat. Wobei man vielleicht auch anmerken muss, dass alles, was nicht direkt diesem synthetischen Pop-Rock verpflichtet ist, erst recht nicht funktioniert. Der klassisch orchestrierte Beginn von Nuns To The Rescue könnte direkt aus "Home Alone" stammen oder ein billiger Abklatsch von John Williams' Arbeit für "Harry Potter" sein. Getting Into The Habit klingt dagegen unter vollem Einsatz des Orchesters nach etwas, das einem zweitklassigen Animationsfilm entstammt, gleichzeitig sprunghaft und sentimental, schmalzig und irgendwie charakterschwach.

 

Was nun an Songs auf dem Soundtrack versammelt wurde, kämpft eigentlich nicht mit diesen Problemen. Lediglich dem anfänglich ordentlichen, aber zunehmend monotonen Dance-Pop in New Jack Swing Manier, Just A Touch Of Love (Everyday) und dem finalen, wiederum drastisch überproduzierten Soul von If My Sister's In Trouble muss man vorwerfen, dass sie in ihrer Zeit gefangen sind und bald drei Jahrzehnte später keinen guten Eindruck mehr hinterlassen. Ansonsten bedient man sich aber auch in ganz anderen Zeiten, nämlich den Tagen des klassischen R&B und Motown, den 50ern und frühen 60ern. Etta James, Dee Dee Sharp und ein Cover des Isley Brothers Klassikers Shout, sowas sollte eigentlich locker hinhauen. Tatsächlich funktioniert merkwürdigerweise nur das von Goldberg, den versammelten Nonnen und ihren Backgroundsängerinnen gecoverte Shout, weil es trotz erratischer und leicht chaotischer Ausformung mit Energie und Lockerheit punkten kann. Die Klassiker dagegen wirken ungewollt lethargisch im Vergleich zum lauten, überdrehten Drumherum. Insbesondere Dee Dee Sharps Gravy passt so gar nicht ins Bild und will sich bis zum Schluss nicht positiv hervortun. Lediglich Fontella Bass' Rescue Me überzeugt mit seinem archetypischen Motown-Charme und findet den Mittelweg aus dem entspannten, geschmeidigen Pop-Appeal der 60er und dem Drive, nach dem Film und Soundtrack verlangen.

 

Doch das eigentliche Herzstück dieses Soundtracks und des ganzen Films wartet bisher, ausreichend gewürdigt zu werden. Denn Whoopi Goldbergs Kulturschock-Episode im Kloster findet bekanntlich ihren Höhepunkt, als sie den dortigen, jeglicher Musikalität entrückten Chor übernehmen soll. Das ist nicht nur vom komödiantischen Standpunkt eine Goldgrube, sondern auch musikalisch lohnend. Nicht aus puristischer Sicht, weil man sich nun nicht auf gesangliche Höchstleistungen freuen kann - außer bei der einen Nonne, dieser schüchternen, die man intelligenterweise in den Gesangsparts von einer wirklichen Sängerin synchronisieren hat lassen. Aber es ist eine großartige Ensembleleistung, die gleichermaßen Spaß macht und trotz oder gerade wegen ihrer technischen Fehler auch stark klingt. Der heimliche Höhepunkt dessen ist natürlich das herrlich schräge My Guy (My God), in dem jeder der Nonnen ihre Zeile gelassen wird und ein Sammelsurium des verschrobenen Sprechgesangs entsteht, aus dem lediglich Goldbergs Rhythmusgefühl heraussticht. Vielleicht braucht es da das Wissen, dass hier Generationen von Schauspielerinnen stehen, viele ältere Semester mit langen Karrieren, die sichtlich und hörbar so viel Spaß wie selten hatten und deren schiefe, dünne Stimmen unglaublich viel zum Charakter dieser Songs beitragen. Aus musikalischer Sicht muss man natürlich trotzdem eher den durchaus stark interpretierten Hail Holy Queen und I Will Follow Him (Chariot) den Vorzug geben. Deren Kombination aus klassisch klerikalem Choral und plötzlichem Übergang in lockeren Motown zündet, beides ergänzt sich verdammt gut, auch wenn nichts dagegen einzuwenden wäre, wenn der großartige Choral von I Will Follow Him irgendwie mit dem starken R&B-Part von Hail Holy Queen gepaart werden könnte, um etwas noch besseres daraus zu machen.

 

Daran, dass diese drei Songs das musikalische Herz nicht nur des Films, sondern auch des Soundtracks selbst sind, merkt man vielleicht, dass die Musikalität des Ganzen nur bedingt im Mittelpunkt steht. Denn nichts auf diesem Planeten kann auf diesem Gebiet Whoopi Goldberg und einen Haufen zusammengesammelter Schauspielerinnen über Fontella Bass oder Etta James stellen. Aber das untypische Ensemble, das der Film einem bietet, macht einfach mehr Spaß, klingt zwar nicht besser, aber unterhaltsamer, lebhafter und auch auf gewinnende Art eigenwillig im Gegensatz zu den Klassikern, deren Überraschungseffekt auf ein Minimum reduziert ist. Natürlich bedeutet all das zusammengefasst, dass hier nichts perfekt passt oder ist, sondern dass man zu jeder Zeit Abstriche machen muss. Wenig enttäuscht oder langweilt direkt, allerdings sind die Misstöne und unbequemen Eindrücke genug, um Vieles bestenfalls ordentlich wirken zu lassen. Was darüber hinausgeht, wurde eigens für den Film aufgenommen und kann gerade deswegen punkten. Allein deswegen ist es schade, dass so manch anderer Moment, den "Sister Act" zu bieten hatte, hier keinen Platz gefunden hat, auch wenn man da mit teils haarsträubenden Stimmeinsätzen konfrontiert wäre. Es wäre dem Film eher gerecht geworden. So oder so bleibt aber ein Soundtrack, der weniger falsch macht, als man glauben würde, und der eigentlich in den richtigen Momenten überzeugt. Es soll schon schlimmeres passiert sein.

 

 


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