Various Artists - Cars

 

Cars

 

Various Artists

Veröffentlichungsdatum: 06.06.2006

 

Rating: 5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 15.07.2017


Newmans vorhersehbarste Stunde und die Tücken eines ganzen Lebensgefühls in einem Dutzend Songs.

 

Der "Cars"-Soundtrack ist reinstes Teufelswerk! Ein YouTube-Video offenbart selbiges und objektiv betrachtet sind die Indizien für solch eine Behauptung erdrückend. Wie sonst könnte der Releasetag ausgerechnet der 06.06.06 sein? Wie sonst ließe sich das brennende Rot auf dem Cover erklären? Und was machen diese zwei herausfordernd offen zur Schau gestellten Hörner links und rechts vom Disney-Pixar-Logo da?! Die Sache ist glasklar, hier sind dunkle Mächte am Werk. Typisch Disney, immer schon mit bedenklichen Botschaften in ihren Machwerken. Aber eben auch mit Filmen kinderfreundlichster Art, noch dazu voll genug mit popkulturellen Anspielungen, süßlichen Messages und spätestens seit Pixar mit visuellen Meisterleistungen, dass andere Generationen nicht gelangweilt wegschauen müssen. So auch 2006, als der erste Pixar-Film herauskam, der von Fans und Kritikern ein fast einhelliges "Meh" verliehen bekam statt nicht enden wollender Jubelstürme. Zu Unrecht, selbst aus Sicht eines Benzinabstinenten. Nur der Soundtrack, der qualifiziert sich souveränst für dieses Prädikat der Mäßigkeit.

 

Dabei sollte es Randy Newmans kommerziell erfolgreichster Soundtrack werden und der Schnulzenheini der 60er und 70er hat ja genug im Repertoire. Dass das mit dem finanziellen Gewinn keine nennenswerten Rückschlüsse auf musikalische Qualität zulässt, wurde ja bereits hinlänglich erörtert, daher davon nicht zuviel. Mehr gibt es ohnehin über die Ausrichtung des Albums zu sagen. Die folgt dem Thema des Films rund um NASCAR, die ausgestorbene Seele des Heartland entlang der Route 66 und natürlich dem Weg vom egozentrischen Egomanen zum menschelnden Sechszylinder und gerät somit durchaus amerikanisch. Nicht klischeehaft Yankee, aber mit Country, Heartland Rock und der nostalgischen Note der rockigen Seite der 50er. Das zahlt sich zeitweise aus, immerhin bringt schon Sheryl Crows Opener Real Gone mit seinem kernigen Intro-Riff genug vom gewünschten Sound und zusätzlich noch die nötige Energie und eine gewinnende Hook mit. Dass sich Crow mit dem poppigen Country-Rock in ihrer Welt wiederfindet, schadet dabei wohl weniger, wobei keine Hook und keine noch so lockere Rhythm Section wirklich übertünchen kann, was sie sich stimmlich in einigen auserwählten Passagen erlaubt.

 

Soll sein, sie eröffnet immerhin beispielhaft. Gefolgt wird dem relativ selten, auch wenn sich die Rascal Flatts mitsamt ihres ewig unsympathisch klingenden Frontmanns erfolgreich daran versuchen, Tom Cochranes Life Is A Highway am Leben zu erhalten und es nicht zur komplett gesangsfokussierten Farce verkommen zu lassen. Abseits davon klammert man sich an Newman selbst, allerdings nicht wegen dessen orchestrierter Beiträge, sondern wegen dessen Our Town, gesungen von Folk-Altstar James Taylor - der die Frechheit besitzt, nur halb so alt zu klingen, wie er tatsächlich ist - und aller Lob- und tatsächlicher Preisungen wert. Zwar schrammt auch diese Klavierballade wie wohl fast jede andere von Newman am musikalisch altertümlichen Kitsch vorbei, trotzdem kommt in der Ode an das vergessene und verlassene Heimatstädtchen genauso der begnadete Songwriter zum Vorschein, der im US-Amerikaner steckt. Viel dessen wird auch an der kaum zu verbessernden Harmonie zwischen Taylor und der dezenten Hintergrundbeschallung rund um die Akustikgitarre und das Piano liegen, abseits leichter melodramatischer Tendenzen im Refrain ist dem Song aber so oder so wenig anzukreiden. Ein Attribut, das sonst in abgespeckter Form nur mehr Find Yourself vom damals kaum anfechtbaren Country-Frontrunner Brad Paisley verdient. Der gibt sich erfolgreich der Zurückhaltung hin, lässt im Gegensatz zum lästigen Footstomper Behind The Clouds hier wenig zwischen sich und das intime akustische Setting kommen.

 

Dem gegenüber stehen gleich zwei musikalische Fronten, die zwar weniger das Death Valley, aber doch irgendwie die gottverlassene Steppe des Durchschnitts symbolisieren. Während man das bei Chuck Berrys Route 66 und insbesondere dem charmanten Klassiker Sh-Boom der schwer zu schlagenden Brücke zum Rhythm and Blues der 50er anlasten kann, darf John Mayers seelenarmes Cover von Route 66 nicht mehr als Lückenfüller sein. Zur endgültigen Aufgabe zwingt einen dann Hank Williams und dessen My Heart Would Know, das inmitten der Streicherwände umgebender Tracks nicht nur komplett deplatziert wirkt, sondern ganz generell kaum in der ernstzunehmenden Ecke angesiedelt ist. Zu schief klingt da einfach alles.

Bei Randy Newmans Score, der die zweite Hälfte des Albums für sich beansprucht, ist natürlich von Schieflage keine Rede, dafür von umfassender Berechenbarkeit. Der einzige Überraschungsmoment begegnet einem gleich im ersten orchestralen Track, Opening Race, in dem urplötzlich Hard-Rock-Riffs kurzzeitig die Streicher/Bläser-Kombi ablösen. Viel mehr traut sich der Komponist nicht, viel mehr fällt ihm vielleicht auch gar nicht ein. Seine Stücke sind trotz manchem Abbieger in Richtung Country eine fast deckungsgleiche Fortsetzung früherer Arbeiten für Disney. Der weiteste Ausritt heißt Bessie und ist instrumentaler Blues mit leichtem Country-Hauch, der stampfend dahinrobbt und damit bereits einen der erinnerungswürdigsten Momente der zweiten Hälfte bietet. Gegen die epochalen Klänge von den finalen Minuten, den Tracks Pre-Race Pageantry oder The Big Race, ist zwar generell nichts einzuwenden, sie sind aber in ihrer vorhersehbaren musikalischen Ausstaffierung das Äquivalent der Animationsfilmwelt zu Hans Zimmers Übergröße im restlichen Hollywood. Wobei Zimmer besser darin ist als Newman, um Längen besser. Und wie könnte Newman das selbst besser illustrieren als damit, dass er seine besten Minuten abseits des Theme Songs ganz woanders findet? McQueen & Sally heißt ein Track und er mischt den Trademark-Sound des US-Amerikaners, also süßlichen Soft Rock mit verträumter Qualität, mit weitaus dezenteren und harmonischeren Streicherpassagen, die nur kurz raumfüllend das Kommando übernehmen.

 

Und das ist gut so, denn eigentlich spricht wenig dafür, dass "Cars" unbedingt eine Orchester-Beschallung braucht, mit Ausnahme von Disneys sicher vertraglich festgelegter lebenslanger Bindung an ebendiese Form der Filmmusik. Folk und Country, dezenter Rock, das hätte dem Film und dem Soundtrack auch in ihren instrumentalen Momenten besser getan. So ist schade, dass einer der abseits aller Merchandisingvorwürfe besten Pixar-Filme musikalisch nicht viel mehr als das Zutun einiger Genre-Könner zu bieten hat. Wenn selbst die sich auch noch vertun oder aber latent deplatziert wirken, mögen sie dem nostalgischen Touch des Filmes auch noch so sehr gerecht werden, dann bleibt eine höchst durchwachsene LP, die oft das offenbart, was man sich erwartet, selten aber das, was man im Lichte der visuellen Vorlagen bieten hätte können.

 

Anspiel-Tipps:

Real Gone

Our Town

Find Yourself


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