Stephen Sondheim - Sweeney Todd: The Demon Barber Of Fleet Street

 

Sweeney Todd: The Demon Barber Of Fleet Street

Stephen Sondheim

Veröffentlichungsdatum: 18.12.2007

 

Rating: 8.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 01.08.2015


Mit blutrünstiger Rache und schwarzem Humor bietet das schräge Ensemble bald eine eindrucksvolle Show.

 

Es soll ja nicht nur Anakin Skywalker irgendwann mal auf die dunkle Seite gewechselt sein. Da dürfte es auch andere Gestalten geben, denen der ein oder andere Schicksalsschlag einen Drall in eine gewisse Richtung mitgegeben hat. Und wer es einmal kurz erübrigen kann, wirklich ehrlich zu sich zu sein, der wird zugeben, dass die der Düsternis anheim gefallenen Gestalten oft auch mehr Verständnis in einem hervorrufen als die ewig moralischen, jeglichem Hindernis ungerührt trotzenden Helden. In Wut, Hass und Verzweiflung versteckt sich vielleicht das ein oder andere Körnchen Wahrheit mehr als in den Oden auf die gute Seite - vielleicht 'Herr Der Ringe' mal ausgenommen. Fernab strahlender Heroik ergeben sich auch gleich viel mehr Möglichkeiten für filmische Großtaten und unorthodoxe Themen. Tim Burton, der singt davon viele Lieder, immerhin hat der noch keinen halbwegs normalen Film abgedreht, sondern dafür, oft im Paarlauf mit Johnny Depp, für das Aufleben strangerer Charaktere gesorgt. Ein Musical rund um einen Barbier voll von Rachegelüsten und mehr Kannibalismus, als manchen lieb ist, ist doch da der perfekte Nährboden für Qualität an allen Ecken.

 

Filmisch hat "Sweeney Todd" auch umfassend überzeugt, der Soundtrack steht in der Folge eigentlich nur mehr bedingt auf dem Prüfstand. Wie sehr könnte er auch enttäuschen, nachdem doch zwei Drittel des Films vollgepackt sind mit Musik und Gesang, dafür Dialog quasi eine umfassende Ruhepause bekommt? Musical eben. Oft ist das schwierig, doch Burtons Herangehensweise half dagegen genauso wie das großartige Material, das Stephen Sondheim in den 70ern fürs Original geschrieben hat, und die punktgenaue Performance der Schauspieler. Sondheims Beteiligung ist letztlich nur eine periphere, werden doch seine Stücke von anderen vertont, eingespielt, geprägt. Jonathan Tunick beweist in dieser Rolle als Orchesterleiter gleich zu Beginn mit dem genialen Opening Title sein Talent. Unheilschwangere Orgelklänge erhellen nach kurzem Streicher-Stakkato die Dunkelheit nicht wirklich, stattdessen geleiten sie einen hinunter in die Abgründe des Films. Wenn dann das Orchester in ruhiger Art übernimmt, atmosphärische Töne mit leichten Bläserklängen setzt, ist schon viel gewonnen, der punktgenaue plötzliche Ausbruch rund um die schwelenden Trompeten und die teils schrillen Streichereinsätze ist nur mehr Draufgabe.

 

Allen bis auf den letzten Ton perfektionierten Performances zum Trotz, soll die Bühne in der Folge nicht so sehr dem Orchester gehören. Nichtsdestoweniger sind die tollen Stimmungsfundamente auch später deren Job und den bekommt man vor allem auch mit vielen, vielen Flötentönen in allen Facetten hin. Grazile Schönheit lässt sich in dezenten Arrangements genauso finden, wie der Tragik verpflichtete Schwere, vor allem aber auf ironische und morbide Art verspielte Töne.

All das wäre jedoch schnell weniger Wert ohne die Darbietungen von Johnny Depp, Helena Bonham-Carter oder Alan Rickman. Allesamt kämpfen sie mit dem Schicksal, gesanglich nur bedingt Talent zu besitzen, und trotzdem oder gerade deshalb werden die meisten Songs zu eindrücklichen Momenten, die ihre schräge Ader weder textlich, noch klanglich verstecken. Das einleitende No Place Like London wird dabei gleich zum ersten großartigen Auftritt von Johnny Depp. Dessen Stimme erweist sich als wenig beschlagen und doch schafft er es, punktgenau zu agieren und mit seinem von ständig schwelender Aggression und roher Härte gekennzeichneten Gesang sehr viel zum Richtigen zu wenden. Damit verköpert er schon im Lamento rund um die verlorene Geliebte und das Rattenloch London perfekt die getriebene und rastlose Figur, die Sweeney Todd nun einmal ist.

 

Er wird in der Folge nicht der einzige bleiben, der seiner Rolle gerecht wird. Bonham-Carter als verschrobene Gastwirtin macht sich da mit ihrer hohen, dünnen Stimme und den Worst Pies In London genauso gut, wie es dem pompösen Sacha Baron Cohen gelingt, wenn er mit Italo-Akzent in Operettengebiet abdriftet. Dessen Auftritt in The Contest ist überhaupt an Verspieltheit und verstecktem Humor kaum zu überbieten. Rickman dagegen präsentiert sich mit kernig-tiefem Organ als erfolgreicher Counterpart zu Depp. Bevor nun hier endloses Namedropping stattfindet, sei zusammenfassend gesagt, dass sich hier trotz fast immer offensichtlicher gesanglicher Schwächen keiner wirklich im Ton vergreift. Dem nebenher agierenden, jungen Liebespaar mangelt es in den etwas süßlichen Ausflüchten aus der Morbidität an wirklicher Anziehungskraft, genauso wie man mit der Stimme des kleinen Toby seine Probleme haben könnte, auch wenn sich der bei seinen Einsätzen in Pirelli's Miracle Elixir und God, That's Good! als beschlagener erweist, als es die meisten seiner älteren Kollegen von sich behaupten können.

 

In diesem Dickicht verschiedenster Stimmen und Typen, angefangen bei der großartigen Verrückten, die sich in Alms! Alms! verewigt, bis zum gehobenen Gebaren von Judge Turpin a.k.a. Alan Rickman, wird nun die Beschreibung zur schwierigen Aufgabe. Denn auch die Songs bieten alles, was man sich wünschen kann. Das drückende, klanglich abgemagerte Poor Thing bietet mit seinen Stakkato-Streichern zum Ende die eindrückliche Hintergrundgeschichte zu Sweeney Todds Rachefeldzug, das zum Medley geformte Epiphany dokumentiert dazu die ganze Zerrissenheit des Charakters. Gleichzeitig sprüht die LP aber vor Galgenhumor, der vor allem Bonham-Carters Auftritte durchzieht. Das großartige Duett A Little Priest gibt sich da ganz offen der Frage hin, wer denn nun zum Verspeisen am besten geeignet wäre. Und was machen wir mit den romantischen Anwandlungen, die sich hier und dort in den Weg schmeißen? Die schräge Liebesbekundung By The Sea mag da noch ins Gesamtbild passen, immerhin sind die kindischen Träumereien darin nicht mehr als ein einziger Witz. Doch das Duell von Rickman und Depp in Pretty Women wird mit seinem unaufhörlich friedlich-fröhlichen Ton endgültig zum klanglichen Ausbruch.

 

Also eh alles da und all das mag chaotisch wirken. Allerdings verstecken sich allerlei Stärken hinter diesem Soundtrack, die nur wenige andere haben. Die Omnipräsenz der Nummern im Film sorgt so für den wichtigen roten Faden, der auch diesen Haufen verschiedener Stimmungen und Themen zusammenhält. Langeweile kommt natürlich trotzdem keine auf, dafür steckt in den meisten Minuten ohnehin viel zu viel atmosphärische Kraft. Oder aber es versteckt sich der ein oder andere Lacher in manch großartiger Zeile, die Sondheim zusammengezimmert hat. Zusammengefasst wird das große Ganze ohnehin ausreichend im abschließenden Final Scene, das sich von allem vorher gebotenen ein bisschen etwas nimmt und es in diese zehn Minuten hineinpackt.

 

Insgesamt bedeutet das einfach sehr viel starkes Material. Schwachstellen gibt es natürlich, die ein oder andere Delle hat die LP in ihrer Länge mitbekommen. Doch diese Vereinigung aus Sondheims großartigen Kompositionen, Burtons Gefühl für schrägen schwarzen Humor in der Interpretation und die charakterstarken Darbietungen der einzelnen Darsteller sorgt dafür, dass aus "Sweeney Todd" auch abseits der Leinwand ein ziemlich eindrucksvolles Schauspiel wird. Getragen davon, dass Johnny Depp und Helena Bonham-Carter diese bis dahin brach liegende Qualität als Sänger an ihnen zeigen, sind diese Songs einfach zu einzigartig, als dass man sie einfach so abtun könnte.

 


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