Joe Hisaishi - Tenko No Shiro Rapyuta

 
Tenkū no Shiro Rapyuta

 

Joe Hisaishi

Veröffentlichungsdatum: 25.09.1986

 

Rating: 8.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 07.07.2018


Sprudelnde Genialität inmitten des Duells romantischer Klassik mit 80er-RPG-Synthesizern.

 

Es macht den Anschein, als wäre in der weiten Welt des Soundtrackkomponierens mit etwas starreren Rollenbildern umzugehen als in so vielen anderen musikalischen Betätigungsfeldern. Selbst die größten Größen der Filmmusik scheinen sich weniger den stilistischen Wandlungen hingeben zu wollen, als viel mehr ihren ureigenen Sound und Stil zu verfeinern und/oder auszuschlachten. Vielleicht ist das simple verzerrte Wahrnehmung, immerhin hat Hans Zimmer auch schon anderes als die pure orchestrierte Epik geboten und Alexandre Desplat klingt auch nicht immer so, als wäre er im 18. Jahrhundert geblieben und das Klavier die Liebe seines Lebens. Vielleicht stimmt es aber auch und rührt ganz einfach daher, dass das Orchester und klassische Instrumente so weit verbreitet sind, dass Nischen kleiner, seltener und deshalb wertvoller sind, man also eher darauf sitzen bleibt. Ob so oder so, Joe Hisaishi ist schon als Dauerkollaborateur mit Animationsgroßmeister Hayao Miyazaki für ein Nischendasein prädestiniert, pflegt dieses auch seit längerem gekonnt. Doch es gab andere Tage, in denen er nicht einfach nur das Orchester bestmöglich für ein musikalisches Allerlei verwendet, sondern gleich überhaupt ganz andere Pfade eingeschlagen hat. Es waren die Tage der 80er, der fliegenden Insel Laputa und des merkwürdigen Aufeinandertreffens genial-emotionaler Klassik und synthetischer Melodien für alle Gaming-Nostalgiker.

 

Jetzt ist es so, dass "Das Schloss Im Himmel", wie es auf Deutsch präsentiert wurde, ein Baustein von vielen im Kampf zwischen Natur und Technik, friedfertiger Lebenslust und reiner Machtgier oder aber auch einfach zwischen Gut und Böse im Repertoire von Hayao Miyazaki ist. Es ist ihm nur relativ selten eingefallen, seinen Filmen eine andere Kernbotschaft mitzugeben. Insofern hat dieser musikalische Tanz auf diesen sehr gegensätzlichen Hochzeiten seine Berechtigung, hebt den starken Kontrast der beiden Pole des Films durchaus stark hervor. Nur scheint das einerseits nur bedingt das Ziel gewesen zu sein, dafür grast Hisaishi sowohl mit dem Orchester als auch mit dem Keyboard zu gleichmäßig alle Stimmungslagen ab. Andererseits - und das dürfte wichtiger sein - trägt allein diese klangliche Teilung des Scores nur bedingt zur Qualität des Films oder dessen emotionalem Nachwirken bei. Insofern sei die Theorie, dass Botschaft und Musik sehr eng verknüpft sind, einmal beiseite geschoben.

Stattdessen gehen wir davon aus, dass Hisaishi in den 80ern ähnlich viel mit elektronischer und synthetischer Musik zu tun hatte wie der Rest der Welt auch. Da kommt man kaum aus und so klingt dann auch so mancher Track. Das ist an sich kein Achsbruch, spielt dem Japaner aber definitiv nicht in die Karten. Denn er scheint mit dem Keyboard genau zwei Marschrichtungen zu kennen, nämlich die dystopischen Weltuntergangsdissonanzen und die mehr als einen Abstecher in eine Soundmixtur, die sonst eigentlich nur in Adventure-RPG-Games aus dem Fernen Osten zu hören wäre. Das ist aus zwei Gründen kontraproduktiv: Es klingt schon einmal per se nur bedingt großartig, wenn einem in Robot Soldier Industrial-Sounds entgegenschießen, die eher an "Terminator" erinnern oder gar schmalzige Keyboard-Akkorde in Moonlit Sea Of Clouds irgendwo Emotionen auftreiben wollen. Es spießt sich aber gleichzeitig auch irgendwie mit dem orchestralen Part des Soundtracks und sogar untereinander.

 

Mitverantwortlich dafür ist aber auch die für Hisaishi ungewöhnliche Praxis, diverse unterschiedliche Melodien und Stile zu längeren Tracks zu verbinden. Das macht die Stücke gleichzeitig schwieriger und leichter verdaulich. Im Falle von Robot Soldier kämpft man mit dem Kontrast schwergewichtiger, aggressiver Synth-Wände, die Armageddon-Feeling verbreiten, und dem übrigen, helleren Synthesizer-Stakkato - ungefähr Marke Pokemon-Endkampf -, dessen treibender Drum-Einsatz und schriller Klang für harte Übergänge sorgt. Es geht aber auch deutlich positiver wie im Falle von Morning Brew. Das beginnt mit einer Mischung aus sphärischen Synth-Sounds und allerlei flirrendem Keyboard-Geklimper relativ kitschig, transferiert genau das mit den spielerischen Flöten und friedlichen Streichern, vor allem aber zum Ende mit einem großartigen Trompeten-Solo bestmöglich ins klassische Terrain.

 

Dort gehört er auch eindeutig hin und dort schlägt er die Brücken zwischen Dramatik, Epik, zerbrechlicher Emotion und romantischer Verspieltheit auch mit bekannter Leichtigkeit. Schon das eröffnende The Girl Who Fell From The Sky macht genau das vor und fließt reibungslos vom verträumten Klavierbeginn über einen tänzelnden Flöteneinsatz hin zum zunehmend voller orchestrierten Hauptteil, der das wichtigste Thema des Soundtracks bestens präsentiert. Zwar gelingen andere Standardübungen Hisaishis weniger meisterlich wie das nur mäßig berührende Discouraged Pazu, selbst dann ist aber das feine Händchen des Komponisten überdeutlich. Damit und mit einem entsprechend großen Orchester lassen sich entsprechend mächtige Dinge kreieren, allen voran zwei melodisch idente Choräle, The Collapse Of Laputa und das mit Text ausgestattete Carring You - letzteres übertrumpft auch die von Azumi Inoue gesungene Version, die als Closer dient. Beide der Epik nahe, ohne dabei kitschig zu wirken, vor allem The Collapse Of Laputa außerdem ein beeindruckendes Beispiel für die Genialität von Hisaishis Melodien, die in diesem minimalistischen Gewand umso deutlicher zum Vorschein kommt. Das Stichwort Minimalismus bringt einen dann auch direkt zur über die Jahre vielleicht am deutlichsten hervorgetretenen Stärke des Japaners, nämlich der instrumentalen Klavierballade. Die heißt hier Sheeta's Decision und darf in ihrer zerbrechlichen, nachhallenden Form als Blaupause für alle späteren Stücke dieser Art aus Hisaishis Feder gelten.

 

Will man anderes und das in möglichst stimmiger Art und Weise, tut man sich wohl am ehesten mit der Sprunghaftigkeit von On Board The Tiger Moth einen Gefallen. Das kombiniert in nur zweieinhalb Minuten die besten Einfälle, die Hisaishi auf Synthesizer-Ebene hatte, zeigt auch wie harmonisch sich Streicher, Bläser und die elektronischen Hilfen ergänzen können. Dass der Track dabei vom leider zu kurz eingesetzten, von Tribal Drums angetriebenen Thema immer weiter hin zum schleppenden, den schweren Bläsern überlassenen Finale abbaut, ist schade, macht aber wenig aus.

 

So und nicht anders schaut es am Ende auch mit dem ganzen Soundtrack aus. Was insgesamt ein etwas schwieriges Urteil bedeutet, weil man ziemlich oft etwas zu bemängeln hat, ohne dadurch mehr als einen einzigen Track als wirklich störend wahrzunehmen. Bei Joe Hisaishi wirkt im Endeffekt sogar das Unstimmige stimmig genug, um zuallermindest für ein Höchstmaß an Abwechslung zu sorgen und so viele Facetten von ihm zu präsentieren wie so ziemlich keine seine anderen Arbeiten für Miyazaki. Gerade die Vielfalt ist natürlich eine dankbare Stolperfalle bei Scores aller Art, in die der Japaner aber nicht tappt. Das Orchester dominiert, die Mischung aus Verspieltheit und gefühlsbetonter Dramatik passt vor allem dann tadellos und man kommt nicht um die Erkenntnis, dass die bedienten Stärken von Hisaishi fast alles überstrahlen, was klanglich negative Spuren hinterlassen könnte. So und nicht anders soll es am Ende sein.

 


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