von Kristoffer Leitgeb, 26.07.2020
Epische Legendenbildung, deren Heil die orchestrierte Überlebensgröße ist.
Was zusammengehört, findet auch irgendwann zusammen. Glaubt man zumindest. Es stimmt natürlich deswegen noch nicht, aber der Gedanke ist ein tröstlicher für alle jene, die Trost brauchen. Die Realität kennt unzählige Beziehungen, die nie gewesen sind, unzählige perfekt passende Jobs, die man nie bekommen hat, unzählige Kooperationen, die nie zustande gekommen sind und an die vielleicht gar niemand, nicht einmal die Beteiligten, gedacht hätten. Das heißt aber auch, dass zwangsläufig niemand wissen kann, ob da jetzt wirklich etwas zusammengehört hat, insofern ohnehin ein müßiges Gedankenspiel. Nichtsdestotrotz scheint manchmal auch das ungewöhnlichste Duo wie zur Zusammenarbeit geboren und ich spreche hier nicht von Dieter Bohlen und Thomas Anders. Viel eher schon lässt sich das über Tim Burton und Danny Elfman sagen, die Mitte der 80er erstmals kooperiert und dann beinahe nie mehr damit aufgehört haben, weil sich eine selten erlebte Symbiose ergeben hat zwischen dem ungewöhnlichen Regisseur und dem Komponisten, der zumindest auf ungewöhnliche Art in die Filmwelt gekommen ist. Und für beide war "Batman" ein würdiger erster Auftritt auf der größtmöglichen Hollywood-Bühne.
Ein mit ordentlich Tamtam erscheinendes Leinwandspektakel sollte es werden, zu Ehren eines der bekanntesten Superhelden der Comicgeschichte. Irgendwie ist es das auch geworden, wenn auch Tim Burtons überwiegend visuell fokussierter Stil nicht allen gefallen hat und vor allem sein offensichtlich distanzierter Zugang zum Thema verhindert hat, dass er die Geschichte des steinreichen Heinis, der sich als Fledermaus verkleidet, und die behandelte Geschichte allzu ernst nimmt. Wie kann er nur! Während Burtons radikal überzeichnender Stil einen so vereinnahmt, weil er gleichermaßen hyperatmosphärisch und fast karikaturistisch die Plattheit des Superheldenmythos mit großartigem Humor offenlegt, behauptet sich Elfman auf etwas andere Art. Nachdem an Burton und der Welt der Kelch vorbei ging, dass mit dem Gespann aus Prince und Michael Jackson der Film zur reinen Marketingmaschinerie für Warner Bros. verkommt, war der Weg frei für einen dem experimentellen Rock entstiegenen Komponisten, der erstmals ein übervolles Orchester einsetzen durfte und musste. Das Ergebnis ist kompromisslos episch und übersteigert, das allerdings grundlegend auf glorreich stimmige Art. Es lassen sich zahllose Gründe finden, warum Danny Elfmans die Show eröffnender Batman Theme in die Geschichte eingegangen ist und noch so manchen folgenden Soundtrack maßgeblich prägen sollte. Es ist eine großartige Vermählung großspuriger Feierlichkeit und dynamischem Nachdruck, die ihm gelingt und die er aus den omnipräsenten Bläsern und Streichern herausholt. Majestätisch rollen die dahin und hämmern einem das nur wenige Noten ausmachende Thema ein, das noch jeden folgenden Batman-Film prägen sollte.
Wann immer der Soundtrack in dieser Manier erklingt, wartet auch großartige Arbeit auf einen, vorausgesetzt, Elfman bleibt kompromisslos. Batman To The Rescue ist das beste Beispiel dafür, versammelt viele der musikalischen Ideen, die der US-Amerikaner für die schnelleren Momente des Soundtracks bereit hält. Die explosive Bläser-Fanfare zu Beginn mündet schnell in ein kurzes Pizzicato der Streicher, ein druckvolles Stakkato beider Instrumentengruppen und im Laufe von nur vier Minuten in Marching Drums, galoppierenden, tiefen Klavierakkorden, dramatisch-langgezogenen Streichern und einer Armada unterschiedlicher Percussion. Daraus ergibt sich eine ruhelose, abwechslungsreiche, dynamische Vorstellung, die trotzdem noch die epische Größe mitbringt, nach der das Genre lechzt. Ähnliches gilt für Descent Into Mystery, auch wenn da die Stärke noch eher in den düsteren pastoralen Anklängen der ersten, mit Choral ausgestatteten Hälfte liegen. Die Liste der Kompositionen, die in ähnlicher Manier mal erratischer, mal aufgeräumter die hymnischen Qualitäten aus dem Orchester herauskitzeln und gleichzeitig Elfmans Drang zur rastlosen Vielfalt in der Nutzung der verschiedenen Instrumentengruppen illustrieren. Attack Of The Batwing, First Confrontation, Charge Of The Batmobile, selbst das mit dem Klavier, Streichern und Flöten comichaft tänzelnd beginnende Clown Attack gehen ultimativ in diese Richtung und verleihen dem Soundtrack den nötigen Nachdruck, aber auch die nötige nuancierte Abwechslung, um in seiner Gesamtheit zu bestehen.
Dass trotzdem nicht einfach so alles geht, beweisen vor allem auch die ruhigeren Minuten, denen es letztlich genau an den Feinheiten und der Abwechslung mangelt, die man sich erhofft. Flowers oder der Love Theme muten dagegen in ihrer streichergetragenen Schwere unbequem süßlich an, The Bat Cave ist eine unterwältigende, lahmende Übung in Atmosphäre und Spannung und Finale überlebt den zaghaften Beginn nicht gut genug, um wirklich wirksamen in die übersteigerte, kitschige Helden-Fanfare zu münden. Das sind Darbietungen, aus denen man wenig mitnimmt und die damit zwangsläufig (unter-)durchschnittlichen Leerlauf bedeuten, wie überhaupt das Album Phasen kennt, in denen man nach einem in die Nähe der Eröffnung reichenden Höhepunkt lechzt.
Stattdessen bekommt man interessante, aber allein aufgrund ihres Nutzens für den Film wegen nicht derart beeindruckende Kompositionen. Sowohl die in ein kurzes Orchester-Crescendo mündende Spieluhrmelodie von The Joker's Poem als auch die atmosphärisch starke, minimalistische Percussions- und Bläsercollage Roasted Dude erfüllen ihren Zweck, unterlegen die Filmszenen gelungen, sind aber im Albumformat zwangsläufig zum Lückenfüllerdasein degradiert. Ziemlich überzeugend für Lückenfüller zwar, nichtsdestotrotz allerdings genau das. Auf der anderen Seite braucht es genau diese Kontrastpunkte, um die aufdringliche Epik der eher im Gedächtnis bleibenden Kompositionen passend auszugleichen.
Und wenn man Danny Elfman im Lichte dieser Stücke etwas nicht vorwerfen kann, dann mangelnder Variantenreichtum. 30 Jahre später kommt man nicht umhin, im einen oder anderen Moment einige seiner späteren Arbeiten wiederzuerkennen, seien es die exzentrischen Spielereien von "Mars Attacks", die düsteren Horror-Übungen von "Sleepy Hollow" oder auch nur die Titelmelodie der "Simpsons", an die man sich schnell einmal erinnert fühlt, wenn man die Kombination aus Blechbläsern und Flöten in Roof Fight hört. Das ist aber eher ein Beweis mehr für die Bedeutung des Soundtracks, dessen grundlegend melodramatische, über alle Maßen cineastische Ausrichtung mit ihren diversen Abzweigungen den Grundstein für sehr viel in Elfmans Karriere gelegt hat. Und, nicht zu vergessen, es klingt auch einfach verdammt cool, wenn im unheilvollen Up To The Cathedral Orgelklänge auf drückende Klavierakkorde und winselnde Streicher treffen oder wenn Waltz To The Death in überschwänglicher, sporadisch ins Düstere abdriftende Art den finalen Tanz des Joker feiert.
Solche Kompositionen haben Qualitäten, die die Jahre überdauern. Und da man sie hier oft genug findet, gilt das zwangsläufig auch für den "Batman"-Soundtrack, der nicht perfekt ist, sich hier und da mehr oder weniger deutlich in die falsche Richtung bewegt, ultimativ aber ein gelungenes, episches Gegenstück zu Tim Burtons Film ist. Elfmans Arbeit ist dabei ähnlich übersteigert, ähnlich dramatisch, wohl aber auch spürbar näher an einer musikalischen Aufarbeitung eines Heldenmythos dran, als es die visuelle Arbeit war. Zusammen wurde daraus ein wunderbar theatralisches, exzentrisches Ganzes, das nicht davor zurückscheut, im passenden Maße lächerlich absurd zu sein, gleichzeitig aber vor allem musikalisch auch atmosphärisches Gewicht mitbringt. Auf dieser Ebene ist es Elfman eindrucksvoll gelungen, einen Sound zu formen, der den Wünschen des Studios nach Musik im Stile Richard Wagners - zumindest war das laut Elfman selbst die Vorgabe - gerecht wurde. Und selbst wenn es dem Studio nicht gepasst hätte, was Danny Elfman hier so fabriziert hat, dass jedermann auch drei Jahrzehnte später noch auf Anhieb das musikalische Thema des Batman im Kopf hat, ist niemandem zu verdanken außer ihm.