von Kristoffer Leitgeb, 25.03.2016
Variantenreich und doch spannungsfrei stellt das Elektronik-Debüt die Frage, wie relaxt man sein darf.
Der so beliebte Zustand der Entspannung lässt sich, wie jeder weiß, auf verschiedensten Wegen erreichen. Ein paar G'stopfte denken dabei ans prasselnde Kaminfeuer und ein Glas Chardonnay, andernorts hat man einen Nachmittag in der Natur oder vor dem Fernseher, wo man sich eben eher wohlfühlt, im Kopf. Und die Freunde bunter, psychedelischer Fantasiewelten denken wohl gern an das Inhalieren eines überteuerten Unkrauts, nur um damit die eigene Fantasielosigkeit bei der Bewältigung von Stress und Trubel zu unterstreichen. Den Musikliebhabern bleibt für selbiges aber ohnehin ein gigantisches Reservoir potenziell gemütlicher Songs und Alben, noch dazu in fast jedem Genre mit Ausnahme des Punk - wer tatsächlich dort eines gefunden hat, möge sich melden! Die Sofa Surfers haben mit Punk aber eh nichts am Hut, stattdessen steht ihr Debüt in der Tradition von Kruder & Dorfmeister und all jenen, die quasi die Lounge Music ins Elektronik-Zeitalter verfrachtet haben. Also dann: Zurücklehnen und entspannen...
Jetzt wo alle voll gechillt sind, kann ich auch problemlos verlauten lassen, dass das mit dem Relaxen nicht ganz so meins ist, was zu dezenten Anlaufschwierigkeiten mit "Transit" geführt hat. Nicht umsonst ist es Opener Bon Voyage, der in jazziger Langsamkeit lange vor sich hin schwebt, nicht vergönnt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Unspektakulär kann schon auch großartig klingen, mit Beat nahe an der letalen Schläfrigkeit und prüden elektronischen Blips wird daraus aber weniger. Der plötzlich einsetzende Breakbeat-Sound hilft da genauso wenig, auch weil die beiden Parts dank abruptem Übergang voneinander isoliert wirken und jede wirkliche Veränderung scheuen. Natürlich, man könnte auf die subtilen Manipulationen verweisen, aber es gibt eine Subtilität unter der Wahrnehmungsgrenze, hier ist sie nicht mehr weit davon entfernt.
Folgerichtig punktet Fiaker (Driving Home To Hasenearl) als unterschwellig aggressives und dynamisch-monotones Percussion-Stückerl viel eher. Trotz ähnlicher Gleichförmigkeit bringen die schwelenden Synthies und vor allem der stark herausgearbeitete Beat genug Leben in den Track, um ihn mit zum Erinnerungswürdigsten zu machen, was die LP abwirft.
Das wiederum kommt noch keiner Verurteilung gleich. Was die Österreicher auf ihrem Debüt nämlich auszeichnet, ist die Fähigkeit, mit fast jedem Track neues musikalisches Terrain zu erschließen. Flat mutet da mit dominantem Kontrabass-Klängen, unharmonischen Klavier-Einsätzen und schrägen Bläser-Parts fast schon als Verbeugung vor dem Free Jazz an, Internac Ional ist dagegen mit Steel Drums und karibischem Feeling in den Sphären von Dub und Reggae daheim. Mit Tse-Tse Fly wiederum versucht man sich an einem Gemisch aus Breakbeat und Soul, letzterer verkörpert von Gastsängerin Nanette Dillard, während Life In Malmö dank im positiven Sinne monoton dröhnender Synths und allerlei Sound-Bits rund um den harmonisch eingebauten Drum-Part weit näher an klassischen Trip-Hop heranrückt. Allen diesen Tracks ist gemein, dass sie in der Theorie Spannung, Dynamik und Ideenreichtum verkörpern, am Ende aber nur letzteres übrig bleibt. Die vielen Wege, die das Ensemble beschreitet, imponieren zwar kurzfristig, in der Umsetzung mangelt es aber an der Fähigkeit, für klare Konturen und ausgereifte Songkonzepte zu sorgen. Oft bleibt man im Stadium der netten Hörprobe hängen, vermengt ausgewachsene Sechsminüter mit interessanten, aber halbgaren Tracks, die nicht viel mehr als ein Interlude darstellen.
Je länger, desto besser, könnte man also meinen und tatsächlich verbirgt sich darin ein Teil der Wahrheit. Im Hinblick auf offensichtliche Abnutzungerscheinungen der einförmigen Beats mutet es merkwürdig an, doch gerade ausgedehnte Momente wie das vielschichtige Monoscopolis überzeugen am meisten. Ausgezeichnet eröffnet von eingefügtem Freestyle-Getrommel, zeigt sich hier deutlich, wie wichtig für die Sofa Surfers auch in dezenten Minuten lebhafte Drums sind. Das Zusammenspiel aus den sanften Wellen, die die sphärischen Elektronik-Klänge schlagen, und der Energie der Percussion, noch verstärkt zum Ende hin durch einen pulsierenden synthetischen Beat, funktioniert flüssig und reibungslos.
Dead Men Tell No Tales geht andere Wege, ist aber als atmosphärisches Kernelement des Albums auch der Vorbote für den düsteren Follow-Up "Cargo". Schon der Titel suggeriert es und tatsächlich blitzt bei dem Track von den ersten Sekunden weg immer ein bisschen Ennio Morricone ums Eck. Weniger episch als der Großmeister der Soundtracks natürlich, dafür mit coolerem Unterton. Tonangebend ist nämlich neben der omnipräsenten Percussion, die sich hier mit Congas und unterschiedlichstem Background-Geraschel vielfältiger als überall sonst gibt, insbesondere die Mundharmonika. Die wird verstärkt von verstimmten Trompeten-Klängen und Ziehharmonika-Samples und was herauskommt, ist ein merkwürdig beklemmendes Geräusch-Potpourri, dem man mit einfachen Genre-Begriffen nicht beikommt.
Es geht natürlich auch anders. Allerdings fragt man sich wirklich nur einmal, ausgerechnet bei dem auf der Tracklist ausgelassenen und dementsprechend unbenannten Track 13, warum das da jetzt unbedingt drauf musste. Andererseits ist, was sich sonst abspielt, im Lichte der darin verpackten Ideen teilweise schon beeindruckend unbeeindruckend. Das Genre-Hopping macht es dann eben nicht allein, soviel beweisen Tse-Tse Fly, das klanglich überladene Daktari oder der Akustik-Closer No More Bonjour. "Darf's ein bisserl mehr sein?", klingt es einem da in den Ohren, wenn man diesen eindruckslos an einem vorbeiziehenden Minuten begegnet.
In diesen Fällen merkt man umso mehr, dass die Sofa Surfers mit ihrem in Wahrheit so breit gefächerten Downbeat-Debüt auf einem sehr schmalen Grat herumspazieren, der gediegene Entspannung von schierer Fadesse trennt. Da regiert dann die Subjektivität bei der Beurteilung, wenn es darum geht, wie sehr man nun die unterschiedlichen Ansätze honorieren will. Es könnte einem kaum eine andere Hohlphrase eher einschießen, als dass das Sextett auf dem Erstwerk "Transit" schon immer wieder sein volles Potenzial und Talent angedeutet hat. Vielleicht sind 67 Minuten dann doch zu viel, um einfach nur anzudeuten, aber mit Blick zurück auf ein paar wirklich gelungene Ausreißer sei ihnen der 'benefit of the doubt' vergönnt. Besser als Unkraut zu rauchen ist es sowieso...