von Kristoffer Leitgeb, am 08.05.2015
Biographie
Der stumpfsinnige Naivling, er könnte fast auf die Idee kommen, die elektronische Musik wäre etwas karg. Etwas emotionsbefreit vielleicht und mit wenig dessen, was man andernorts als Natürlichkeit bezeichnen möchte. Gut, dass gerade Österreich da seinen wunderbar netten Beitrag zur Widerlegung solcher Unrichtigkeiten beiträgt. Zwar sicher nicht in Form des ganzen Landes, aber ein mit Ruhm und Jubel überschüttetes Quartett kann manchmal auch wahre Wunder wirken. Wolfgang Frisch, Michael Holzgruber, Markus Kienzl und Wolfgang Schlögl waren es dann, die diese Aufgabe vom Sofa aus in Angriff nahmen und auf der Dub-Welle dahinsurften, ohne auch nur daran zu denken, vom Brett zu fallen.
Dabei war es ein reichlich merkwürdiger Start. Das wie ein Künstlerkollektiv wirkende Viergespann zierte sich nämlich anno 1996 mit dem Beginn. Erst der große Zampano der heimischen Elektronik-Szene, Richard Dorfmeister, tat mit seiner Überredungskunst den entscheidenden Schritt zur späteren Erfolgsgeschichte der Band. Schon der erste Live-Auftritt ließ frohlockende Stimmen laut werden, die in den jungen Österreichern mit das Aktivste sahen, was Dub, Trip-Hop und Downbeat auf der Bühne so zu bieten hatten. Der finale Dominostein, der angestoßen werden musste, stammte abermals von Dorfmeister. Dessen Remix vom ersten Sofa Surfers-Song, Sofa Rockers, machte sogleich weltweit die Runde, stellte das Quartett äußerst medienwirksam vor. Dementsprechend groß war auch die Resonanz, als das Debüt "Transit" 1997 erschien. Ein verspielter, schräger Soundmix traf auf rege Zustimmung, bewegte sich dabei zwischen entspanntem Downbeat und Acid Jazz einerseits, zackigem Breakbeat und mutigen Soundexperimenten in allen möglichen Genres andererseits. An den Charts in Österreich kratzte man vorerst nur, viel wichtiger waren aber die feiernden Fans, die die erste Tournee einbrachte.
Der Individualität und Mobilität verpflichtet, gedachte man in Wien aber nicht, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Das eigene Ziel, sich mit jedem Album neu zu erfinden, jedes Mal neue Zugänge zur Musik und vor allem zum Schaffensprozess zu finden, manifestierte sich schon am Follow-Up "Cargo". Plötzlich war der Breakbeat überall, dominierte ein Album, das in einer düsteren Aura und einer klanglichen Mischung aus Industrial-Charme und Jazz-Atmosphäre erblühte. Alles präziser, alles tiefgehender, alles eigener, war das erfolgreich exekutierte Motto, das letztlich auch dank der Stimme von Elektronik-Poet Victor Oshioke seine Vollendung fand. Der Name war gemacht, die eigene Umtriebigkeit begünstigte bald auch die Anfrage eines Herrn Murnberger, der für den Film 'Komm, Süßer Tod' moderne musikalische Unterstützung suchte. Eine Zusammenarbeit, die nun schon über vier Wolf Haas-Verfilmungen anhält und den Sofa Surfers das Filmgeschäft näherbrachte.
Es blieb nicht der einzige außertourliche kreative Ausbruch, jeder der vier Protagonisten werkte an diversen Nebenprojekten - darunter das bekannte Soloprojekt Schlögls, I-Wolf - und formte so auch die Band selbst immer wieder um. So sehr, dass auf dem 2002 releasten "Encounters" auf einmal Trip-Hop und Hip-Hop auf dem Programm standen. Der unverwechselbare Sofa Surfers-Sound rund um die markanten Live-Drums war noch da, doch die vielen Gastsänger und eine ganz andere Art der Dynamik bezeugten die Veränderung. Platz 24 in den österreichischen Charts war das Ergebnis, der Schritt in den Makrokosmos der USA hätte folgen können, wurde mit einer eigenen Platte für den dortigen Markt eingeläutet. Er kam doch nicht, logistische und finanzielle Probleme verhinderten den Tour-Trip über den Atlantik, stattdessen beehrte man erfolgreich allerlei Festivals und Locations in Europa.
Auf dem vorläufigen Höhepunkt stand aber bereits der bei weitem radikalste Paradigmenwechsel in der eigenen Musik an. Aus dem Quartett wurde ein Septett, ein Gitarrist und eigener Schlagzeuger fanden sich ein, dazu kam Sänger Mani Obeya. Derartig umgerüstet wurde die self-titled LP, auch "Red Album", zu einer Art Elektronik-Indie-Post-Rock, der sich mit spärlichen Soundstrukturen und leicht souligem Gesang vom vorher Geschehenen distanzierte. Die Live-Shows blieben trotzdem erweiterte Jam-Sessions, erregten durch ständige Instrumentwechsel der Mitglieder Aufmerksamkeit. Und auch die Arbeit dahinter, das Studio-Leben war wie früher. Und doch ganz anders. Denn der lockere Jam auf der Suche nach der zündenden Idee, der war nicht immer gegeben. Man arbeitete nunmehr von Anfang bis Ende gemeinsam als Band an den Songs, werkte kaum noch nebenbei in Eigenregie an den Songbausteinen.
Was nur bedingt die Wartezeit bis zu Album #5 "Blindside" erklären mag. Doch die Kreativität fand bei den Mitgliedern zwischendurch andere Weg als die der Bandarbeit, getourt wurde trotzdem weiter fleißig. Bis zur LP dauerte es also, mit ausdrücklich politischen Messages kam sie dann und stellte Obeya noch mehr in den Fokus des Geschehens. Was postwendend mit dem ersten Austrian Music Award in der fragwürdig gewählten Kategorie Electronic/Dance belohnt wurde. Auch wenn die Jungs dort nicht mehr hineinpassten, der Preis blieb ihnen. Genauso wie jener, den auch die bisher letzte LP, "Superluminal", zu verantworten hat. Abgeschottet vom regen Treiben der Stadt versammelte man sich zwischendurch für die neuen Aufnahmen, die letztlich durch ein Theaterprojekt unterbrochen, aber 2012 doch finalisiert wurden. Mit der Überraschung, dass Johnny Sass als zweiter Sänger an Bord kam. Das Ergebnis war die wohl poppigste Arbeit der Band, wohl aber dank der Single Word In A Matchbox auch die erfolgreichste.
Gerade erst um einen Mann mehr, sagte wenig später Wolfgang Schlögl Adieu und verließ die Band nach 18 Jahren. Kennt man die Sofa Surfers aber auch nur ein kleines bisschen, weiß man, die werden bei nächster Gelegenheit schon wieder was Ordentliches aus dem Hut zaubern.
Wertung: Die Sofa Surfers gekonnt einzuschätzen ist quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Schon klar, Elektronik, Dub, Downbeat, Post-Rock. Aber keine zwei Alben der Band klingen ähnlich genug, um irgendjemandem genau zu sagen, wofür denn nun der Name eindeutig steht. Vor allem steht er für Veränderung und ständige Weiterentwicklung. Langeweile kommt also sicher nie auf bei den heimischen Elektronik-Granden, kann aber gut sein, dass man die Jungs von 1997 nicht mehr in denen von 2012 erkennt und umgekehrt.
Hörprobe #1: The Plan -
zweite Single von Debüt "Transit"
Hörprobe #2: Playing The Game -
Leadsingle der LP "Blindside"
Scrambles, Anthems And Odysseys
2015
20
2017