von Mathias Haden, 12.02.2015
Längst bekannte Fehler lassen den Schritt in bessere Sphären kleiner ausfallen als erhofft.
Ganze sechs Studioalben haben Gary Lightbody und seine Crew heute (Stand Februar 2015) schon in die Läden gebracht. Bezeichnend eigentlich, dass der Name Snow Patrol dennoch nur einen einzelnen Song pulsieren lässt. Ich will den Briten aber nicht Unrecht tun. Natürlich kennt man noch genug andere aus dem Radio oder aus den Soundtracks melodramatischer TV-Dramen; nicht viele andere Gruppen mit einem ähnlichen Oeuvre und Verkaufszahlen lassen sich allerdings auf diese eine Single, in diesem Fall das statische Chasing Cars, reduzieren. Über Nacht wurden Snow Patrol zur neuen Stadionhoffnung, die dazugehörige LP Eyes Open verkaufte sich über 5 Millionen Mal.
Aber was nun? Die Gunst der Menschheit hatte man längst errungen, anders lassen sich die Verkäufe des lauwarmen Megasellers nämlich nicht erklären. Am besten also am Zenit der Karriere eine längere Pause einlegen, mit fetter Tour, und auf ewig am Erfolg zehren - oder wie das britische Quintett relativ rasch ins Studio zurück und knappe zwei Jahre später die nächste LP veröffentlichen. Diese heißt A Hundred Million Suns und verdeutlicht ganz gut, in welche Richtung die Reise weiter gehen wird. Bono und Chris Martin ließen ja schon beim letzten Mal grüßen, nun gibt es das nächste pathetische Album.
Dafür haben Lightbody und Konsorten etwas mit dem Klang experimentiert. Das Line-Up an Studiomusikern ist zwar nicht (noch) länger geworden, dafür gibt es zwischendurch ein paar Neuerungen wie ein bisschen Glockenspiel und vermehrte Elektronik zu begutachten. Dazu gibt es das bislang ambitionierteste Stück der Band, das sechzehnminütige Rock-Epos The Lightning Strike. Dass diese aus drei einzelnen Songs bestehende Komposition nicht ganz aufgeht, wie sich die fünf das vorgestellt haben, wundert kaum - ein bisschen mehr hätte es aber schon sein dürfen. Was im ersten Part (What If This Storm Ends?) noch unheilvoll mit flimmernden Keyboardklängen beginnt, mündet recht schnell in eine tränende Kitschbombe, überproduziert, überlang und trotz lyrischer Schwächen einfach eine Nummer zu groß für eine Band, die ihre besten Momente in einigermaßen bescheideneren Indie-Pop-Rock-Hymnen hatte - und auch hier hat.
Denn schon der Opener bietet genau das, was man von den Schotten hören will. Zurückhaltender Beginn mit dezenten Keyboards, ehe die Gitarren übernehmen und schließlich in einen packenden Refrain fließen lassen: "A fire a fire, you can only take what you can carry / A pulse your pulse, it's the only thing I can remember". Und während die Gitarrenwände immer lauter und dominanter werden, zeigt auch Lightbody, warum er zumindest als charakteristische Stimme von Snow Patrol nicht wegzudenken ist. Lead-Single Take Back The City knüpft an diese Erfolgsformel an, bittet einleitend diesmal allerdings mit beschwingten Akustikgitarren zum lockeren Tanz, ehe es in urbane Euphoriestürme mündet und vollends zum nächtlichen Aufbruch ausruft. Der beste Rocker der LP ist aber Please Just Take These Photos From My Hands, das entgegen seiner schwungvollen Natur mit seinem emotionalen Text eher bittere Tränen über verblichene Erinnerungen ins Gedächtnis ruft; ein Sog aus nostalgischer Melancholie und schmerzvoller Erkenntnis:
"When all this actual life played out
Where the hell on Earth was I?
I rack my brains but it won't come
Through water damaged bloodshot eyes
The fleeting triumphs, brazen lies
All seem to mingle into one"
Lobende Worte also, die ich auch hier für die kraftvolleren Bemühungen der Band übrig habe. Wie schon beim Vorgänger gibt es aber auch auf der fünften LP zahlreiche Balladen, die mal mehr, mal weniger zünden wollen. Bleiben wir aber bei 'weniger', denn hier ist wieder unglaublich viel Kitsch mit an Bord. Mit dieser Metapher fahre ich übrigens nicht schlecht, gerade das schnulzige Lifeboats ("And when I wake you're there I'm saved / Your love is life piled tight and high set against the sky") ist ein Dorn im Auge, da helfen auch die präsenten Streicher rein gar nichts. Im Anschluss folgt das nicht minder brave The Golden Floor, ohne Höhepunkt und ohne jemals einen Hauch von Interesse zu erzeugen, zieht es (unglaublich) langsam vorbei…
Zwischen den beiden Fronten der eingeschlafenen Balladen und der munteren Rocknummern halten sich die Tracks überwiegend im Zaum, reichen von mäßig (Set Down Your Glass) bis ansprechend (Disaster Button); ihre vom Pathos angehauchte Silhouette lassen sie aber alle nicht zurück.
Als gestandene Arenahelden melden sich die Schotten um Gary Lightbody zurück. Das Gefühl für einnehmenden Pop-Rock ist dem Quintett augenscheinlich geblieben, dafür setzen sie weiterhin erfolgslos auf die zum Scheitern verurteilte Aktie der Weltschmerzballade. Der Frontmann singt wie einer, der mit dem Erfolg umgehen kann, die Kollegen und Studiomusiker leisten anständige Arbeit. Insgesamt ist A Hundred Million Suns trotz seiner Überlänge von knapp einer Stunde marginal schmackhafter als der Vorgänger, von der wärmenden Güte hundert Millionen Sonnen ist man allerdings noch Lichtjahre entfernt.
Anspiel-Tipps: