Skillet - Awake

 

Awake

 

Skillet

Veröffentlichungsdatum: 25.08.2009

 

Rating: 4.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 24.10.2018


Die simple hymnische Härte bleibt der Rettungsanker inmitten leeren Soft Rocks.

 

So, schwierige Aufgabe: Wir strengen uns jetzt alle ganz gewaltig an und suchen nach drei positiven Eigenschaften von Schlager! Wer möchte denn anfangen, vielleicht die Grille in der ersten Reihe? *zirp zirp zirp* Sehr hilfreich, danke. Sonst noch jemand? Bleibt wieder alles an mir hängen. Na gut, er dürfte immerhin dafür sorgen, dass weniger Rechtsrock und sonstigem politisch ähnlich gelagertem Liedgut gehört wird, weil sicher ein kleiner Teil der Gabalier-Fans ansonsten bei Frei.Wild und schlimmerem andocken würden. Das ist nicht so schlecht. Außerdem floriert im Schlager immer noch der CD-Verkauf, weil die dortigen Fans weniger technikaffin sein dürften und dementsprechend das Streamen nicht so wahnsinnig schätzen. Und drittens schaut neben dem Schlager so etwas wie Christian Rock gleich nicht mehr so schlimm aus. Natürlich ist der oft elendiglich weichgespült und, schlimmer noch, meistens irgendwie christlich und dementsprechend gottesfürchtig und lobpreisend oder solcher Schmarrn. Aber das ist immerhin nicht so grauenhaft dämlich und jenseitig wie Schlager, oder? Das ist zwar so, als würde man HC Strache gratulieren, weil er nicht Johann Gudenus ist, aber das kann man ja auch einmal machen. Oder man ist einfach froh darüber, dass Bands wie Skillet irgendwann die Religion aus ihrer Musik heraushalten und dementsprechend schlicht Rockbands sind. Wobei eine LP wie "Awake" anschaulich macht, warum das doch nicht wahnsinnig viel wert ist.

 

Das ist auch relativ leicht zusammengefasst: Die meisten Künstler aus dem Sektor sind nämlich auch ohne Worship in der Musik immer noch christlich und glaubensfest genug, um schon einmal der Musik kaum Kanten zu verpassen, aber auch absolut nichts Substanzielles zu sagen zu haben. Das klingt jetzt klischeehaft und unfair, aber erfahrungsgemäß bleibt bei einer Christian-Rock-Band ohne das Christian nicht viel mehr als ein Haufen in Songform gegossene Selbstzweifel, die umgehend mit einer banalen Motivationshymne weggewischt werden sollen. Zur Verteidigung von Skillet muss man anmerken, dass es zumindest zwei Alben lang auch so funktioniert hat, weil man ganz einfach musikalisch knackig genug unterwegs war, um die eher formelhaften Lyrics ausreichend abfedern zu können. Herausgekommen ist dann eben ordentlicher Alternative Rock und entsprechender Metal, nie und nimmer makellos, aber auf Albumlänge immer noch mit reichlich Unterhaltungswert. Warum genau man dem abgeschworen hat, nachdem man für "Awake" eigentlich ein Mehr an Härte angekündigt hatte, ist nicht wirklich zu klären. Immerhin eine Spur gibt es aber und die führt über den durchschlagenden Erfolg des Vorgängers. Wo nämlich der Erfolg ist, kommt allzu oft die gefahrlose Mäßigkeit schnell hinterher. Und so gräbt sich die Band durch eine LP voller Balladen und Mid-Tempo-Rocker, die weniger Charakter haben als das, was Nickelback oder The Fray auf dem Gebiet so anzubieten haben.

 

Wer dahinter ein Kompliment vermutet, der irrt gewaltig. Tatsächlich ist es nicht einmal so, dass Songs wie Forgiven oder Lucy wirklich mies klingen würden. Aber sie nähern sich einem schon so zaghaft, nur um dann eine überproduzierte Masse schleppender Riffs und Drums vor einem auszubreiten, die noch dazu mit kitschigen Streichern und Klavierparts garniert wird. Das geht sich einfach nicht aus, wenn nicht genial gesungen und getextet wird. Nichts davon kann Cooper, was ihn in kein wahnsinnig schlechtes Licht rücken, sondern einfach nur seine - von ihm wahrscheinlich als "gottgegeben" vermuteten - Limits einfangen soll. Seine Stimme passt zur Band und füllt die auf Übergröße aufgeblasenen Refrains überraschend gut aus, sodass er mitnichten neben dem voluminösen Sound untergehen würde. Aber melodischer Gesang mit Tiefe, das gibt es von seiner Seite genauso wenig wie Lyrics ohne einen Haufen Plattitüden. Dementsprechend braucht er vor allem eines hinter sich, nämlich Riffs, Riffs und noch mehr Riffs. Möglichst nicht in der Variante, wo man außer einer krachend-röhrenden Wand nichts mehr hört, sondern eher in Form melodischer Hooks, die sich vielleicht überhaupt gleich in einen muskelbepackten Refrain verwandeln. Und wenn Songs wie Believe, One Day Too Late oder das schon schwachbrüstig betitelte Should've When You Could've etwas nicht sind, dann sowas.

Mitunter nimmt das Ausmaße an, wo man eine gequält kernige Version so mancher in der Beliebigkeit gefangener Yellowcard-Ballade zu hören glaubt. Und das ist schwierig zu verarbeiten, wenn die Reaktion nicht ein gelangweiltes Schulterzucken in Verbindung mit dezentem Unwohlsein ob der seichten Profillosigkeit des Ganzen sein soll. Eher bizarr ist das, weil man mit Howard Benson eigentlich einen Produzenten gefunden hat, der durchaus auch für die harten Töne zuständig ist. Der hat immerhin den polierten Hardcore-Sound von "Three Cheers For Sweet Revenge" zu verantworten und anno dazumal Motörhead oder T.S.O.L. produziert. Gut, er hat dann irgendwann auch Papa Roach ins musikalische Niemandsland begleitet, den Pop-Punk der All-American Rejects mitgestaltet und sogar Kelly Clarkson produziert, aber trotzdem.

 

So oder so, Skillet wissen hier wenig damit anzufangen, dass die Gitarren hart und laut dahinröhren und Coopers Stimme weiterhin alles andere als sanftmütig klingt. Zu viel Kitsch und zu viel inkonsequenten Semi-Rock bietet man da an, während sich die Minuten, in denen man ein bisschen Wut in die gebotene Lautstärke ummünzt, viel zu selten zum Vorschein kommen. Wenn das allerdings passiert, dann spürt man auch sofort, dass die Band eigentlich dort ihre Heimat hat und eine Souveränität vor sich herträgt, die keine Ausfälle zulässt. Das ist nicht gleichbedeutend mit glorreichem Liedgut, zumindest kann man aber sagen, dass It's Not Me It's You oder Sometimes trotz ungeschönter Monotonie ihrem Auftrag gerecht werden, ein bisschen Dampf abzulassen, und so stadionbereiten, durchdringenden Hard Rock bieten. Zwar wäre dann auch ein wenig mehr Explosivität bei Drummerin Korey Cooper und vor allem aufseiten der Gitarre von Ben Kasica wünschenswert, aber auch die eher gemächliche Gangart macht ungleich mehr her, wenn sie sich so schwergewichtig und drückend präsentiert wie in diesen Fällen. Vorne weg bleiben einem trotzdem nur die beiden Platin-Singles Hero und Monster, was weniger damit zu tun hat, dass die um so viel konsequenter wären. Im Gegenteil, dahingehend wird man eher feststellen müssen, dass die Tracks durchaus für die Charts gemacht sind. Nebensächlich ist das allein deswegen, weil sich dadurch auch gleich die besten Hooks des Albums hier versammeln und sowohl gesanglich als auch instrumental weit eher erinnerungswürdiges Material herauskommt als sonstwo. Zumindest Monster muss man das zugestehen, auch wenn man gern darüber streiten darf, ob der Song die Grenze der geradlinigen Einfachheit hin zum dümmlich Plumpen schon überschritten hat. Ich sage nein, dementsprechend bleibt ein Riff, der sich leicht genießen lässt und ein Refrain, der endlich die Energie und Kraft ausstrahlt, die man sich eigentlich auf der ganzen LP erwartet hätte.

 

Das ist es dann aber auch schon, mehr kommt nicht. Und das ist ein bisschen wenig, weil man eben doch ziemlich viel Zeit damit verbringt, durch einen Haufen austauschbarer und konturarmer Balladen durchzutauchen, um dann doch noch den nächsten ordentlichen Rocksong zu erleben. Damit kommt "Awake" weder generell noch in der Albumsammlung von Skillet gut weg, weil man den Eindruck nicht los wird, dass die US-Amerikaner entweder inspirationslos dahingearbeitet haben oder in ein musikalisches Gebiet vordringen wollten, in dem sie nicht viel zu suchen haben. Dafür mangelt es letztlich zu sehr an Substanz in den Texten, aber auch am handwerklichen Rüstzeug. Deswegen sind ruhige Minuten immer ein durchwachsenes Unterfangen für die Band und das hier nicht mehr nur auf die Art, dass man bei Zeiten untragbarem Kitsch begegnen würde, sondern viel mehr in Form einer umfassenden Ereignislosigkeit, die nur durch die Standardzutaten des Pseudo-Emotionalen ausgeglichen werden soll. Das führt auf direktem Weg zur prüden Langeweile und lässt enttäuschend wenig Platz für die mitreißende Seite der Band.

 

Anspiel-Tipps:

- Hero

- Monster

- Sometimes


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