von Kristoffer Leitgeb, 10.11.2013
Viel Talent, wenig Innovation. Ein Debüt ohne Risiko und große Überraschungen.
Tja, Solo-Alben von ehemals erfolgreichen Band-Leadern gibt's eindeutig zu viele. Nicht, dass nicht durchaus gute Arbeit herausschauen kann. Aber wenn man vielleicht einmal von den Werken der Ex-Beatles absieht, bleibt doch immer ein bitterer Beigeschmack. Die Vorzeichen stehen fast immer schlecht. Entweder sind die Fans enttäuscht über die Auflösung der Band und wollen ihre großen Helden zurück, oder das Ganze passiert in einer Band-Pause und dient dann doch nur dazu, das Ego des Frontmanns zu füttern. Bei Serj Tankian geht's dann doch eher um Ersteres. Ja, System Of A Down sind Geschichte und Mr. Tankian macht dann doch beinahe Altbekanntes weiter. Weniger Punk, weniger Kreativität, aber um nichts weniger talentiert.
Das hat schon die Lead-Single bewiesen. Anti-Kriegs-Track Empty Walls bietet letztlich genau das, was man bei der Vorgeschichte erwarten kann. Harte Gitarren, politisch geprägte Texte, die Stimme wandelbar wie immer, wenn auch etwas weicher als in den alten Tagen. Und so passt eigentlich alles. Das Album beginnt in SOAD-Manier ohne die geniale Gitarren-Arbeit von Daron Malakian, aber mit einer mehr als ordentlichen Zurschaustellung der Fähigkeiten von Serj Tankian.
Da kommt er dann auf Dauer nicht mehr so ganz heran. Wobei sich die Fehlersuche, so man sie denn als solche bezeichnen kann, schwierig gestaltet. Sky Is Over beispielsweise wartet nämlich mit sympathischem Klavier-Intro und einem der eingängigsten, weil ziemlich minimalistischen, Refrains in seiner Karriere auf. Und Lie Lie Lie, der in all seiner lockeren Sinnlosigkeit und vor allem dank der Unterstützung durch Klavier und die hohe Stimme der Opernsängerin Ani Maldjian wichtige und gute Abwechslung bietet. Trotzdem fehlt überall etwas. Ein Problem, das in ähnlichem Maße auch das SOAD-Album "Mezmerize" geplagt hat.
Nichtsdestotrotz, das meiste, was einem geboten wird, kann sich sehen lassen. Denn egal, ob es der Kontrabass in Praise The Lord And Pass The Ammunition ist oder aber der ruhige Akustik-Beginn in Baby oder dann doch die heftige Gitarren-/Drum-Kombi, die einem teilweise in The Unthinking Majority und Money entgegenfliegt, all das funktioniert. Und es beweist, wie viel Tankian eigentlich drauf hat, bedenkt man, dass Vieles hier von ihm selbst eingespielt wurde. Die wenigen wirklich schwierigen Momente sind auch die ruhigsten. Denn weder Saving Us, noch der Closer Elect The Dead schaffen es so ganz heraus aus ihrer Tiefschlaf-Phase. Vor allem, weil Tankian sein stimmliches Potenzial nicht so ganz abzurufen scheint.
Überhaupt könnte da einer der größten Fehler liegen. Denn über die Jahre hat man doch eine Menge großartiger Leistungen von ihm am Mikro erleben dürfen. Hier bleibt das zwar nicht gänzlich außen vor, so wirklich umhauen kann er einen aber nicht, egal was er probiert. Dafür entschädigt allerdings so mancher Text. Denn ähnlich wie früher bleibt er fast ausschließlich dabei, sich ausgedehnt um die Missstände dieser Welt zu kümmern. Meist verrät schon der Titel genug, denn The Unthinking Majority, Money oder Praise The Lord And Pass The Ammunition lassen wenig Interpretationsspielraum. Womit er hier vor allem punkten kann, ist die Art, wie er das Ganze präsentiert. Denn die ungemütlichen Wechsel zwischen dem ruhigen, fließenden Gesang in den Strophen und seinen plötzlichen Ausbrüchen in den Refrains kommen leider seltener, aber dann doch noch manchmal. Ansonsten fehlt ab und an allerdings etwas die Aggressivität, die man lange von ihm gewohnt war.
Das wird ersetzt durch konventionellere Stimmeinsätze, die durchaus einen Vorteil haben: Sie machen das Ganze nämlich um Vieles leichter 'erträglich' als früher. Vorbei sind die Tage vom überstrapazierten Geschrei in Jet Pilot oder gar der insgesamt schwer zu schluckenden Performance auf dem Debüt von System Of A Down. Viel eher ist es eine Fortsetzung dessen, was auf den Schwester-Alben "Mezmerize" und "Hypnotize" geboten wurde. Es fehlt lediglich Daron Malakian, der Tankian nicht nur sehr deutlich als Gitarrist abgeht, sondern in kleinerem Maße auch als gesangliche Unterstützung.
Überhaupt möchte man fast glauben, dass der Mastermind hinter der erfolgreichen Metal-Band dann doch eher Malakian war. Denn "Elect The Dead"s Vorteil ist seine leichtere Zugänglichkeit, sicher aber nicht, dass einem hier eine mächtige Idee nach der anderen geboten wird. Das war auch bei SOAD nicht immer so, der Unterschied ist aber doch markant. Denn nach einem Riff wie jenem von B.Y.O.B. sucht man vergeblich und auch eine starke Ballade wie Roulette schaut nicht heraus.
Um nun aber kein schlechte Stimmung zu machen, Serj Tankian präsentiert einem hier sicher keine dreiviertel Stunde lang Langeweile. Sein Solo-Debüt ist kurzweilig, bietet die ein oder andere etwas überraschende Instrumentierung, aber sicher nichts Weltbewegendes. Braucht's in Wahrheit auch nicht, denn er bringt auch so genug Talent mit, um einem all das hier schmackhaft zu machen. Als Fazit bleibt stehen, dass Serj Tankian nicht zur unguten Seite der plötzlich allein fliegenden Frontleute gehört, sondern durchaus weiß, was gut für ihn ist. Schuster, bleib bei deinen Leisten, heißt das Motto und auch wenn so die Schwächen gegenüber der früheren Arbeit nur offensichtlicher werden, ein ordentliches Album schaut dabei allemal heraus.