von Kristoffer Leitgeb, 13.02.2016
Vier Oberösterreicher auf dem Weg aus nebligen Tälern mit den Indie-Göttern auf ihrer Seite.
Veränderungen oder gar Erneuerungen sind nicht gerade mein Spezialgebiet. Klar, beidem hängt eine gewisse Natürlichkeit und vielleicht gar Unweigerlichkeit an. Das ist allerdings bei Erdbeben auch so und denen möchte ich auch nicht unbedingt beiwohnen. Deshalb ein kurzes Hoch auf all die halsbrecherisch verrückten Leutchen, die sich einem Erdbeben gestellt haben oder sich gar zu verändern wagten. Also auch auf Seraphim, die dezent in Krisenstimmung waren die letzten Jahre, dafür aber mit neuem Line-Up, neuem Esprit und neuen Songs zurückkommen. Letzteres ist thematisch besonders günstig und bringt einen zur neuen EP "Debris", die erwachsener, geordneter und persönlicher sein soll als alles bisher Dagewesene.
Wobei, ehrlich gesagt, der Vorher/Nachher-Vergleich mir nicht so ganz möglich sein wird, aber wir glauben es ihnen einfach mal. Das Quartett leistet auch genug Überzeugungsarbeit dafür, zumindest mit dem eröffnenden Ilvy, der neuen Single. Dank des Titels muss man zwar zuerst Erinnerungen an 'Wickie und die starken Männer' auf die Seite schieben, dann ist aber gleich Platz für ganz anderes. Man startet mit ziemlich lässiger Rhythm Section, treibenden Drums, schwelendem Bass. All das überlebt auch ein sehr frühes Ruhepäuschen nach wenigen Sekunden, trifft zusätzlich noch auf präzise eingestreute Riffs mit Feinschliff und freundlicherweise dezente Synths. Weil sich dazu noch Sänger Gregor Ollmann wunderbar unösterreichisch anhört, gewinnt einen der Opener trotz gemächlicher Gangart schleunigst für sich. So nebenbei werden auch gleich ein paar Vergleiche nötig: Seraphim klingen so, wie die Killers klingen könnten, wären die Amis nicht nach dem ersten Album falsch abgebogen. Irgendwie klingen sie auch ein bisschen so wie ein Mischling aus den White Stripes und Two Door Cinema Club, ohne dabei die Exzentrik ersterer mitzuschleppen.
Ähnliche Assoziationen lässt eigentlich auch We Are Venom zu, auch wenn dessen Refrain mit dem offensichtlichen Stadiondrang des glatten Indie Rock nicht ganz so gut zurechtkommt wie der Opener. Wett gemacht wird das vor allem durch ein paar äußerst knackige Riffs und die starke Bass-Line der Strophen, die sich dort mit den Vocals um die Hauptrolle duelliert. Dass man vor allem hier aus den gebotenen Zeilen nicht wirklich schlau wird, macht weniger, auch wenn sich die Deutungsmöglichkeiten auftürmen.
Eindeutiger sollte da Way Back Away sein, immerhin sind Balladen ohne Sinn so wie Schnitzel ohne Panier. Das Kunststück gelingt, der Song wird trotz etwas unrunder Gesangsperformance zur ordentlichen Liebesg'schicht, die gut um Kitsch und Emotionslosigkeit, kryptische Zeilen und zu viele Plattitüden herumkurvt. Stattdessen kommt auch dank des hellen Sounds im Refrain und der gitarrenlastigen Bridge eine durchaus runde Sache heraus, die lediglich im Vergleich zu Ilvy etwas blass wirkt, ansonsten aber keine Misstöne einstreut.
Nun sollten EPs grundsätzlich den Vorteil haben, dass sie einem großen Qualitätsabfall allein durch die gestauchte Tracklist vorbeugen. Und trotzdem landet dabei ganz gerne am Ende ein Track, den man sich auch sparen hätte können. Seraphim geht es nicht anders, das abschließende Artefacts scheitert sehr klar an der Aufgabe, für einen emotionalen Höhepunkt zu sorgen. Das Tempo ist da komplett weg, was die Schwächen des Gesangs offenlegt und die Stärken der Band neutralisiert. So bleibt eine zäh vor sich hinfließende Übung in herkömmlicher Pop-Rock-Manier, wie sie auch die Makemakes in aufgebauschterer Version für Österreich beim Song Contest gezeigt haben.
Aber drei von vier ist ja keine Schande. Was in den verlassenen Untiefen des Mühlviertels als Erneuerungsprozess begonnen wurde, hat die Linzer Band immerhin so weit gebracht, dass man Vergleiche mit großen Namen des Indie Rock nicht zu scheuen braucht. Mit der würdigen Single Ilvy gelingt sogar ein kleines Schmuckstück - inklusive ziemlich starkem Video -, auch wenn man allein wegen des durchaus altbekannten Indie-Sounds nicht von außerirdisch starken Darbietungen reden kann. Das macht allerdings herrlich wenig, Seraphim enttäuschen auf "Debris" nicht.