von Kristoffer Leitgeb, 20.03.2020
Ein verdienter Hit zum Durchstarten und elf andere Pop-Übungen, die keiner wirklich braucht.
Es hilft schon gewaltig, wenn man im Hintergrund einen Förderer - oder auf gut Österreichisch: einen Anschieber - wie Jay-Z hat. Also schon sehr, obwohl mittlerweile ein entsprechender Effekt definitiv ein überschaubarer wäre, verglichen mit 2005. Damals hat das jedoch einiges an Publicity, Ressourcen und Möglichkeiten bedeutet. Ob das jetzt wirklich in größerem Ausmaß dafür verantwortlich ist, dass es Rihanna nicht nur von Barbados herunter geschafft hat, sondern dann auch gleich ein Langzeit-Abo für die Chartspitzen der Welt lösen konnte, bietet Raum für Spekulationen. Der Fakt, dass zur damaligen Zeit aber die eine oder andere junge R&B-Musikerin trotz überzeugend erfolgreicher Debütsingle ziemlich schnell wieder in der Versenkung verschwunden ist, lässt das aber zumindest nicht komplett aus der Luft gegriffen erscheinen. Ultimativ sollte aber dann doch die Musikerin selbst für sich sprechen dürfen. Und wie sie das mit "Music Of The Sun" erstmals tut, ist man sich umso weniger sicher, ob der Erfolg denn so viel mit der Musik zu tun hatte.
Denn was funktioniert eigentlich so wirklich auf diesem Album? Pon De Replay. Das war es dann auch fast schon wieder. Immerhin, die erste Single der Barbadierin ist eine, die einen klaren Weg vorzeichnen konnte und sollte, der Rihanna zeitweilig zur Queen des simplen Dance-Pop hat werden lassen. Pon De Replay ist auch dank des leichten "karibischen" Einschlag, effektiv einer deutlich spürbaren Nähe zum Dancehall, ein klarer Treffer, der zwar bereits im Folgejahr durch das stärkere S.O.S. etwas verblassen sollte, trotzdem aber mit seinem großartigen Rhythmus, dem starken Beat und der Ohrwurm-Garantie die eigentlich deutlichen gesanglichen und produktionstechnischen Schwächen komplett entkräftet. Doch es gab fast auf den Tag genau zwei Jahre davor schon eine andere junge Künstlerin, die mit dem Diwali-Riddim im Gepäck, ein bisschen R&B und ein bisschen Hip-Hop einen großen und schwer zu widerstehenden Hit gelandet hatte, trotzdem aber alsbald komplett verschwunden war und an die sich höchstens in einem Kommentar hier drunter erinnert werden könnte. Warum? Weil sonst nicht viel da war.
Rihanna muss also fast zwangsläufig etwas anders machen, nur dass einem die übrige Tracklist nicht verrät, was das sonderlich sein könnte. "Music Of The Sun" ist in dem Sinne nicht grausig, aber latent entbehrlich und so durchzogen von klanglichen und schlicht stilistischen Fehlern, dass man schwer damit zurechtkommen kann. Etwas überraschend ist der stimmliche Part dabei nur bedingt das Problem. Wobei wohl doch wieder, weil die offenbar limitierten Fähigkeiten der Sängerin allerlei Overdubbing, für ein konstantes, reges Treiben an den Reglern herausfordern. Am besten klingt Rihanna tatsächlich, wenn man sie einfach singen lässt, das passiert nur beinahe nie. Am ehesten verschmerzbar ist das naturgemäß in den schnelleren, lockeren, ohnehin synthetischeren Minuten. Selbst das bedeutet aber nur sehr selten wirklich viel und ausschließlich im Falle des stark ausstaffierten Let Me etwas, das sich ähnlich gut anhört wie die Hitsingle. Da erlebt man auch dank Co-Produktion durch die Norweger von Stargate einen Track, der im Gegensatz zu so ziemlich allem Drumherum noch heute frisch klingt, mit seinem starken Beat und einem großartigen Soundmix zwischen Steel Drums, Shakuhachi und so manch anderem nicht locker lässt. Songs wie Rush oder The La La La mögen sich dagegen sehr um einen aktiven, gar aggressiven Sound bemühen, enden aber dort, wo man wegen des monotonen und letztlich ermüdend undynamischen Gesamtpakets eher auf die Uhr zu schauen beginnt. Und da geht sich erfahrungsgemäß dann nicht mehr viel mehr als biederer Durchschnitt aus.
Das ist aber vergleichsweise immer noch sehr ordentlich, wirft man einen Auge auf den Rest. Unerheblich, ob es mit Here I Go Again oder You Don't Love Me (No, No, No) ausgewiesen karibisch werden soll und also die Reggae-Rhythmen dominieren, oder aber klanglich überladene und tödlich unnatürliche R&B-Balladen warten, das geht sich alles nicht mehr aus. Vielleicht tut ersteres mehr weh, weil es so billig und plakativ klingt, absolut keine Stimmung oder Dynamik aufbauen kann und auch ein Feature von Dancehall-Größe Vybz Kartel absolut nichts zum Gelingen beiträgt. Was der mit Rihanna zusammen auf You Don't Love Me (No, No, No) und damit einem Cover des 94er-Songs von Dawn Penn abliefert, ist symptomatisch dahingehend, dass man sich in den Reggae-Momenten so fühlt, als würde man einer patschert agierenden Cover-Band zuhören.
Die Balladen sind insgesamt weniger schwierig, sieht man vom grausigen There's A Thug In My Life ab, dessen Titel gut zusammenfasst, warum der Song nichts kann, die miserabel glitzernde, kitschig überladene Produktion aber nicht einfängt. So oder so kommt aber keine Begeisterung auf, was beispielsweise damit zu tun hat, dass das etwas schmalzig arrangierte Now I Know trotz verhältnismäßig gar nicht mal schlechter Herzschmerz-Zeilen nicht das passende Setting für Rihannas Stimme ist. Immerhin, es ist dahingehend der naturbelassenste Song des Albums, der ohne diverse Gesangsspuren auskommt und allein deswegen atmosphärisch verhältnismäßig viel kann. Nichtsdestotrotz hätte es da noch einige Jahre für Rihanna gebraucht, um aus diesem passablen Auftritt einen womöglich wirklich großartigen zu machen. Was man sonst noch so findet, kann entweder nichts, das eine Erwähnung verdienen würde, oder heißt The Last Time. Das liegt mit der akustischen Gitarre und den dramatischen, aber im Trio nicht zu dominanten Streichern musikalisch noch am richtigsten. Zwar macht auch dem Song die Geschmacksverirrung auf gesanglicher Ebene im Refrain einen Strich durch die Rechnung, einfach nur, weil man Rihanna plötzlich in fünffacher Ausführung zu hören glaubt. Das macht aber insbesondere die harmonischen Strophen nicht zunichte.
An dieser Stelle mag man vielleicht glauben, dass sich das zu mehr summiert als nur einem solch mageren Rating. "Music Of The Sun" ist aber ultimativ eine sehr magere LP, die den einen großen Hit gleich zu Anfang raushaut, ihn vielleicht noch einmal einigermaßen erreicht und ansonsten an allen Fronten deftige Abstriche macht. Viel zu oft klingt das, was man Rihanna hier auf ihrem Debüt musikalisch zugemutet hat, entweder stilistisch komplett fehlgeleitet oder einfach produktionstechnisch dermaßen aus der Zeit gefallen, dass es schnell unschön werden kann. Manches - relativ wenig - überlebt trotzdem ganz ordentlich, aber es ist ein unbequemes Erlebnis, mit dem man hier in eine synthetische und aklimatische klangliche Landschaft eintaucht. Das ist etwas, das sich mit dem deutlich R&B-konformeren Nachfolger nicht wirklich ändern sollte, erst nach der künstlerischen Emanzipation der barbadischen Pop-Queen ein Ende finden sollte. Rückblickend betrachtet, ist es trotz namhafter Unterstützung ein bisschen eine Überraschung, dass es überhaupt so weit gekommen sollte.