von Mathias Haden & Daniel Krislaty, 13.06.2015
Abwechslungsreiches Miss and Hit im Dance-Pop-Gewand.
Wer hätte nach dem Sommerhit Pon De Replay auch nur einen Schilling darauf gewettet, hier den größten Star der Noughties in seinen ersten Gehversuchen erlebt zu haben? Ich jedenfalls nicht, bei Kollegen wie Lady Gaga oder Katy Perry waren deren bevorstehende Triumphzüge gemessen an den gesellschaftlichen Paradigmen für mich jedenfalls wesentlich einfacher vorherzusehen, schlugen meine Hit-Sensoren fleißig Alarm. Bleiben wir aber bei Rihanna, die mit ihrem Durchbruch, dessen karibische Einflüsse noch ziemlich ersichtlich waren, bereits zur nationalen Legende heranreifte, gleichzeitig aber Gefahr lief, schon bald als One-Hit-Wonder aus Barbados in die Geschichtsbücher einzugehen. Natürlich kam alles anders, wie wir wissen, und mit jeder LP wurde die Sängerin souveräner und besser, während ihr Sound immer urbaner wurde und sich bald nahezu jeglicher Einflüsse entledigt hatte, die das Frühwerk ausmachten.
Dies bringt uns auch schon ins Jahr 2010, in dem dieser Trend mit Loud seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen sollte. Angeführt vom pulsierenden Elektrobeat von Lead-Single Only Girl (In The World), zelebriert Rihanna auf dieser LP nun Dance-Pop in seiner bislang reinsten Form. Mit ihrer intensiven Mischung aus knalligem Bass und omnipräsenten Synthesizern wurde auch besagte Single freilich zum Smash-Hit, so ganz kann man sich am hymnenhaften Gesang und der Anbiederung an aggressive Dance-Vibes aber nicht ergötzen. Besser macht es da schon die folgende Single What’s My Name?, eine schwungvolle Feel-Good-Nummer mit zurückgelehnter R&B-Ästhetik und gewinnbringendem Gastauftritt von Rapper Drake.
So gestaltet sich das nunmehr fünfte Album der Pop-Queen zum im wahrsten Sinne des Wortes 'lauten' Miss and Hit. Während die Barbadierin mit Stücken wie Cheers (Drink To That), mit seinem netten Avril Lavigne-Sample und Raining Men (mit Nicki Minaj) zwar wenig dafür tut, den Hunger auf der Welt zu stoppen oder als beschlagene Lyrikerin aufzufallen, schüttelt sie hier immerhin hübsches, tanzbares Pop-Kleinod aus dem Ärmel. Dem gegenüber stehen mit dem brachialen Trance-Raver Complicated oder dem kontroversen Opener S&M, auf dem sich Rihanna einem lodernden Eurodance-Beat hingibt und sich hinter dem elektronischen Beiwerk gesanglich nicht gerade von ihrer besten Seite zeigt, disco-affine Banalitäten zu Buche.
Dieser schmale Grat zwischen erfrischendem Dance-Pop und (er)drückender Partyhymne schlägt sich auch bis zum Schluss auf ziemlich ebenbürtige Art und Weise nieder. Gerade an vorhergegangenen Alben wie A Girl Like Me gemessen, bietet Loud jedoch immerhin ein abwechslungsreiches Programm, das den obligatorischen Blick auf die Uhr nur in seinen zähesten Momenten wie im monotonen Complicated oder in der faden Ballade Fading unausweichlich macht. Dafür geht es mit dem Reggae-Ausflug auf Man Down oder dem famos vorgetragenen California King Bed wieder in die andere Richtung. Eine ziemlich ausgeglichene Angelegenheit also, bei der eine über weite Strecken über den Dingen stehende Protagonistin letztlich aber den positiven Ausschlag gibt. Insofern ist Rihannas fünftes Studioalbum bestimmt kein essenzielles Stück Popkulturerbe, in seiner Funktion als unterhaltsames Dance-Pop-Abenteuer aber durchaus zu empfehlen.
M-Rating: 6 / 10
In ihrer Gesamtheit eine gänzlich öde Partypartie.
Wer kennt das nicht, wenn in Diskotheken oder auch in Bars allseits bekannte Liedchen zu bassdurchsetzten Biestern werden? Schließlich sollen auch die geistlosesten Partypeople den Dancefloor unsicher machen und idealerweise noch die wenig erhaltenen Zeilen des beinahe bis zur Unkenntlichkeit gescholtenen Tracks aus vollster Kehle in die Nacht herausbrüllen können. Meinetwegen, wem's gefällt. Hier beginnt unsere Geschichte, die von der jungen und stimmgewaltigen R&B- und Pop-Hoffnung Rihanna erzählt, die sich für ihren fünften Albumwurf etwas ganz Besonderes überlegt hat. Mit einer Handvoll als Single-Flagschiffe ins Chartrennen geschickten Dance-Pop-Bauchklatscher plant die Amerikanerin nämlich den DJs around the globe den Job abspenstig zu machen und setzt dabei vorbildlich auf stumpfsinnige Beats und noch stumpfsinnigere Refrain-Parolen.
Dabei muss gar nicht lange gesucht werden, bevor sich das erste vor Selbstbewusstsein strotzende Ungetüm seinen Weg in die Hörkanäle bahnt und das Blut zum Kochen bringt. Der heftige Beats-Brummer S&M, dem man sich am besten mit tanzerprobten Sneakers nähert, eröffnet die ungewollte Sause und schenkt dem Bassregler der Stereoanlage bloß ein müdes Lächeln. Wie bereits weiter oben zu lesen, findet die sonst stimmlich eindrückliche Rihanna dazu gesanglich kaum statt und macht den Fehlstart der austauschbaren Fast-Food-Nummer perfekt. Als großer Bruder im Geiste gibt die Stimmungskanone Only Girl (In the World) gleich ohne Rücksicht auf Verluste mit dem Charme eines Presslufthammers und der Botschaft einer Kondomverpackung Techno-Stoff. Dass bezeichnenderweise das beste Lied ohne fremde Mitwirkung ausgerechnet darauf mit sanften Melodien folgt, ist schade und wirkt fadenscheinig kopflos. Letztendlich nimmt jedoch auch California King Bed ein eher ungutes Ende, wenn die immer weiter elektrifizierte Atmosphäre von einem ziemlich deplatziert wirkenden, sowie künstlich effekthaschenden Gitarrensolo schlafen gelegt wird. Die parasitäre Avril Lavigne-Vergewaltigung Cheers (Drink to That), welche sich um den immer gleichen Sample-Ausruf mit inspirationslosem Pop-Klamauk klammert, sucht hingegen verzweifelt und vergeblich nach einer Existenzberechtigung und lässt darauf die eigentlich belanglose und unglaubwürdige Herzschmerzfarce mit Namen Fading zumindest als Verschnaufpause erträglich erscheinen.
Dafür fährt die zweite Hälfte der LP mit den musikalischen Schmankerln auf… nicht. Man Down, welches sich für mich in einem Reggae-Irrgarten aus Wortfetzen total verliert, vermisst die Abgründe von Loud ein letztes Mal neu, während der Auftritt von Nicki Minaj Raining Man zumindest bis knapp unter den Durschnitt hebt. Auch der Rip-Off von Trittbrettfahrer Love the Way You Lie Part II, das in seiner ursprünglichen Form auf Eminems Recovery erschienen und hier passend ideenlos bzw. auf ähnlichen Erfolg abzielend 'Part II' benannt ist, weiß nicht wirklich mehr mit sich anzufangen, als auf das Original zu verweisen. Maximaler Erfolg mit minimalem Aufwand.
Nein, ich kann mich der Empfehlung meines geschätzten Kollegen nicht anschließen. Zu oft stoßen mir der scheinbar ratlose Selbstzweck einiger Dance-Pop-Elemente und das Schicksal der Texte als unbedeutendes Anhängsel bitterböse auf. Was mit Ushers DJ Got Us Fallin' in Love den noch halbwitzigen Anfang nahm und hier im großen Stil abstoßende Schule machte, markiert seit jeher einen unrühmliches Pop-Kapitel, an dessen Erinnerung der Nachhall jener Zeit vollkommen ausreichen sollte.
D-Rating: 4 / 10