von Kristoffer Leitgeb, 19.01.2017
Amateurhaft, durchgedreht und nur selten mit Anflügen schräger Genialität. Ein Album wie sein Cover.
Wenn manche Leute den Namen Red Hot Chili Peppers oder aber gar noch vom Album "Blood Sugar Sex Magik" hören, dann ist deren erster verfügbares Adjektiv: Nervig. Was diese Unkundigen nicht wissen, ist, dass diese Band Jahre vorher ein ganz anderes Gesicht gezeigt hat und dementsprechend viel nerviger war, als sie es später je sein konnte. Verantwortlich dafür war, dass 1984 ein paar Dinge zusammengekommen sind, die die Herkulesaufgabe eines gekonnt gezimmerten Debütalbums ziemlich unmöglich gemacht haben. Es waren nämlich einmal vier musikbegeisterte Jungerwachsene, die von der Studioarbeit noch keinen Dunst hatten, musikalisch so roh waren, dass man noch nicht ganz wusste, ob Diamanten oder doch nur Bernstein, und vom vollwertigen Komponieren auch nicht viel wussten. Und dann sagen noch dazu zwei der vier Adieu, um sich einer anderen Band zu widmen. Alles in allem perfekte Bedingungen, um einen miesen Start hinzulegen.
Die Gegenwehr von Seiten des frisch zusammengestellten Quartetts kann daran auch nur bedingt etwas ändern. Anthony Kiedis klingt zumindest schon damals nicht anders, als er es bis in frühen 90er hinein getan hat. Und Flea war auch schon damals ein cooler Bassist, der beim spartanischen Erstauftritt wichtiger denn ja anmutet. Es hakt allerdings gewaltig, weil mit den Neuankömmlingen Cliff Martinez und Jack Sherman kaum eine einheitliche Richtung für den Zehnerpack an Songs möglich scheint, weil Andy Gill irgendwie nicht das zusammenproduziert, was die Peppers haben wollten, und weil strukturell einfach nichts wirklich da ist. Aus Teilen der LP strömt der Hauch späterer Großtaten, es sind allerdings seltene Vergnügen. True Men Don't Kill Coyotes ist zwar textlich so schwachsinnig, wie der Titel es erahnen lässt, zeigt einem gleich ganz zu Anfang aber auch die Rhythm Section in guter Form und als unverzichtbaren Lebensspender der LP. Zwar sind die vielseitigen Feinheiten eines Chad Smith noch in weiter Ferne, Cliff Martinez - immerhin davor mit Cpt. Beefheart und den Dickies unterwegs - lässt aber dank seiner Funk-Kenntnisse sofort die Harmonie mit Flea erkennen. Am besten kommt das wahrscheinlich im manischen Get Up And Jump zur Geltung, dessen sich überschlagender Sound mitsamt kurzer Trompeten-Einsätze und knackig-kurzer Riffs ein starker Blick in die Zukunft ist. Am flüssigsten wirkt die Maschinerie allerdings trotzdem auf dem behäbigeren, bereits dezent mit dem Hard Rock und Metal liebäugelnden Buckle Down. Was damit zu tun haben könnte, dass sich in der besser ausskizzierten Melodie auch Kiedis besser zurechtfindet, anstatt mit seinem unverfeinerten Rap durch die Lücken im musikalischen Hintergrundschauspiel zu hecheln. Kurzzeitig ist also so etwas wie Gleichschritt zu vernehmen, inklusive halbwegs stimmiger Backgroundgesänge sogar, und man hat trotz unvorteilhaft dünnem Gitarrensound eine ordentliche Hook und ein ansehnliches Solo im Gepäck.
Dafür, dass der Rest weniger hergibt, haben Kiedis & Co. unter anderem Andy Gill verantwortlich gemacht. Der soll die LP zu glatt produziert haben. Jetzt ist gegen sauberen Klang nichts einzuwenden und doch bekommt man zumindest zeitweilig das Gefühl, an der Produktionsfront dürfte kein Einverständnis geherrscht haben über die Vorgehensweise. Alles ein bisschen dünn, alles mit relativ wenig Punch gesegnet, mit der markanten Ausnahme der Drums, die in typischer 80er-Manier den akustischen Rückraum dominieren und mit abgehacktem, leicht reverbbeladenem Klang oft zu präsent wirken. Es mag damit zu tun haben, dass Songs wie Baby Appeal oder Out In L.A. einem trotz ehrenwerter Bemühungen der Bandmitglieder nicht viel mehr als einen leicht genervten Schulterzucker abringen. Andererseits sollte man nicht ganz außer Acht lassen, dass albumumspannend auch von Musikerseite eine Plan- und Inhaltslosigkeit zum Vorschein kommt, die nette Basslines oder technisch gut runtergespielte Soli etwas sinnlos wirken lässt. Umso mehr, weil die Songstrukturen und stilistische Entscheidungen der Band gelegentlich in die Quere kommen. Das generell ein bisschen verstörende Mommy, Where's Daddy? steht allein auf weiter Flur da als unerwarteter und unvorteilhafter Ausritt in Richtung markanter Jazz- und Blues-Einflüsse. Keine Eigenschaft der Band schreit danach, dass man dorthin gehen sollte, genauso wie auch niemand nach einem Hank Williams-Cover schreit. Das ist dann immerhin unscheinbar genug, um nur unterzugehen, lässt aber trotzdem genug Platz für die Frage, warum sich überhaupt irgendwer für den kleinsten Schritt hin zu einem countryesken Stil erwärmen konnte.
Abseits davon bleibt einem nur mehr der Blick auf das tatsächlich mit Potenzial gesegnete Green Heaven, dessen anfangs sympathische Kombination aus schwergewichtigen Riffs und trocken-drückendem Bass nur bedingt die Laufzeit überlebt. Kiedis findet sich mit seinen ersten politischen Zeilen und deren Unförmigkeit nicht wirklich in dem von hoher Geschwindigkeit Abstand nehmenden Ganzen zurecht. Man kombiniere das mit einem Mangel an Abweichungen von der kurzlebigen Hook und aus einem potenziellen Haupttreffer wird schleunigst ein simpler passabler Moment.
Was aber auf dem Debüt der Chili Peppers schon fast für das Podium reicht. Denn das Gros der Tracks zeigt einem eine Version der Band, die nicht nur wenig Charme versprüht, sondern dank suboptimaler Produktion und dem Unwissen darüber, wie die eigenen musikalischen Qualitäten richtig zu kanalisieren wären, auch technisch und klanglich wenig überzeugt. Von der Energie, die man bei den Jungspunden erwarten würde, landet zumindest über diese Aufnahmen nicht viel beim Hörer. Gleichzeitig ist, wenig überraschend, die textliche und stilistische Tiefe des Albums noch sehr überschaubar. Und so muss man dann über "The Red Hot Chili Peppers" beinahe sagen, es ist eine LP, die ihre Daseinsberechtigung eher in der erfolgreichen Zukunft der Protagonisten zu suchen hat als im eigenen Material. Fast eine zu vernachlässigende Kuriosität in der Vita der Kalifornier, auch wenn sie den ersten Schritt zum späteren Ruhm markiert.