Razorlight - Slipway Fires

 

Slipway Fires

 

Razorlight

Veröffentlichungsdatum: 03.11.2008

 

Rating: 5.5 / 10

von Mathias Haden, 12.10.2013


Licht und Schatten auf dem vorerst letzten Album der Briten.

 

Johnny Borrell war noch nie dafür bekannt, halbe Sachen zu machen. Nach einem kurzen Intermezzo bei den Libertines gründete er 2002 die britische Indie-Rock-Band Razorlight, mit der er in Zweijahreszyklen von 2004-2008 drei Studioalben veröffentlichte und sich so der Welt endlich präsentieren konnte. 2013 kündigte Borrell schließlich eine Pause an, um sich mit seiner Solokarriere zu beschäftigen. Das letzte Album Slipway Fires wurde zu einer richtigen Bewährungsprobe für die Band. Nach musikalisch einwandfreien Anfangsjahren folgte mit dem selbstbetitelten zweiten Album etwas, das Fans der ersten Stunde als 'Selling-Out' an den Mainstream und kommerziellen Erfolg bezeichneten, ihnen dafür mit der Hitsingle America Tausende neuer Zuhörer einspielte. Das Album wurde zum internationalen Erfolg und eröffnete der Band neue Wege. Der für sein großes Ego bekannte Borrell durfte nun seinen Triumph richtig auskosten. Er hatte bewiesen, dass er auch ohne seine Ex-Libertines-Kollegen, die sich bereits 2004 getrennt hatten, Erfolge feiern konnte.

 

Und so finden wir uns Anfang November 2008 wieder. Die Lead-Single Wire To Wire, der würdige Opener des Albums, war seit ein paar Tagen im Umlauf. Diese gefühlvolle, eingängige Powerballade kann durchaus an die Qualität der Vorgängersongs anknüpfen, Borrell liefert mit seinen sehnlichsten Rufen nach Liebe ("Love Me, Wherever You Are") eine beeindruckende gesangliche Leistung ab und lässt auch den härtesten Deathmetaler mit dem Autoradio mitsummen. Dies dürfte jenen Fans, die den Releasetag nicht ohnehin schon am Kalender markiert hatten, genügen, um ein Exemplar des verheißungsvollen dritten Albums zu ergattern.

 

Berechtigt die Erwartungen, ein weiteres Mal von einem ehrgeizigen Musikertalent und seiner Gefolgschaft ein ordentliches Werk geliefert zu bekommen. Dass das nicht der Fall sein wird, wird hier nicht gleich ersichtlich. Nach der gelungenen Vorabsingle ist es vor allem das darauffolgende Hostage Of Love, das durch seinen packenden Rhythmus, und Borrells emotionaler Hingabe in seiner stimmlichen Präsentation echt klasse gelingt und einen der besten Songs der Band darstellt. Schön auch die akustische Gitarre, die dem Song noch eine gewisse Tiefe gibt. Unverständlich, warum diese zweite Single weder kommerziellen, noch kritischen Erfolg erfuhr.

 

Und hier kommt die Sache auch gewaltig ins Stocken. Während die ersten zwei Songs sehr verheißungsvoll den Raum erfüllen, verliert die Band danach den Faden, und dümpelt schließlich zwischen guten, aber unausgegorenen, Ideen und Totalausfällen dahin. Kaum ein Song kann an die Tiefe der Singles anschließen, mieses Songwriting und halbherziger Gesang dominieren die folgenden dreißig Minuten. An sich keine schlechte Kombination, um nicht doch einen Millionenseller unter die Leute zu bringen (in den deutschen und in den UK-Charts #4), von Razorlight und dem stets ambitioniert wirkenden Johnny Borrell dürfte man sich aber doch noch etwas mehr erwarten.

 

Um aber nicht zu sehr zu pauschalisieren: Slipway Fires besitzt schon noch so seine Momente. Das zappelige, einprägsame Burberry Blue Eyes oder der melancholisch ergreifende Closer The House etwa. Hier wirkt Borrell wieder, als wäre er voll bei der Sache. Auch die, an das Debüt der Yeah Yeah Yeahs erinnernde, erste Minute von Tabloid Lover überzeugt. Danach driftet besagter aber in musikalische Nichtigkeit ab, da hilft nicht mal die 15-Sekunden-Gitarrenekstase die vor dem Fade Out des nervigen Refrains erhallt. Auch auf dem erfrischend kurzen 60 Thompson scheint einiges am richtigen Platz zu sein.

 

Den erfreulichen Momenten stehen leider ebensoviele negative Gegenargumente entgegen. Blood For Wild Blood, das sich im Text an die Leadsingle anlehnt, ist an Langeweile und Stumpfsinn kaum zu überbieten, so hart das klingen mag. Auch sonst ziehen sich Licht und Schatten über die gesamte Spielzeit. Dem ambitionierten und interessanten, aber glücklos zusammengesetzten Monster Boots steht mit dem schwachsinnigen North London Trash ein unerfreulicher Kontrast entgegen. Gerade auf letzterem wird eine der primären Schwächen auf dem Album klar, das nicht wie gewohnt konstante Songwriting. Kostprobe gefällig?

 

"I've got a hot body girlfriend

I've got a wallet full of cash

You can bury my body

I'm just North London trash, trash"

 

Erfreulich ist dann doch, dass das bereits als überzeugend eingeschätzte The House den Schlusspunkt bilden darf, und den Gesamteindruck ein bisschen relativiert. Die schöne Ballade wird hier hervorragend auf dem Klavier getragen, und Borrells gefühlvoll vorgetragene Zeilen ("And the face from my mind is fading / I count the wounds for the very first time / Tonight there's gonna be a reckoning / I'm entering the house where my father died") geben dem bewegenden Song eine erfrischend persönliche Note.

 

Mit Slipway Fires kann Razorlight leider nicht die Erwartungen erfüllen und den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung machen. Zu breit die Spannweite zwischen Genie und Wahnsinn. Am Werk ist eine Band, die keinesfalls schlecht musiziert. Sie bespielt lediglich ein Album, dem es an konstant guten Songs fehlt. Viel zu viel wirkt hier überhastet zusammengesetzt, aus dem Studio direkt aufs Band. So verpassen sie es, nach zwei überzeugenden Werken den albumtechnischen Hattrick zu schnüren, und weiter zu etablierten britischen Bands wie Coldplay oder Bloc Party aufzuschließen. Das Ergebnis wird wohl nicht mal den von Selbstzweifeln befreiten Johnny Borrell zufriedenstellen. Vielleicht war das hier dann doch die zu Anfangs angesprochene 'halbe Sache'. Aber naja, er hat ja eine (hoffentlich) erfolgreiche Solokarriere vor sich, dafür von mir natürlich alles Gute lieber Johnny! Dennoch hoffe ich, bald wieder inspirierende Zeilen wie

 

"You are the pulley and I am the winch

I am salvation and you're herald of sin

I'll take you beyond your limits of trust

Ransom yourself, hostage of love"

 

von dir zu lesen. Am besten noch als Leader deiner durchaus talentierten Band namens Razorlight.

 


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