von Mathias Haden, 06.06.2014
Mit eingängigen Melodien und viel Pop-Appeal - Die Briten bestehen die Aufgabe Album #2.
"We wanted to prove ourselves as pop songwriters", äußerte sich Johnny Borrell erst vor wenigen Tagen in einem Interview zum zweiten Album der britischen Band. In selbigem dementierte er übrigens auch die Gerüchte, die Band habe sich aufgelöst und würde jetzt für ein paar Konzerte wieder zusammenfinden: "We never stopped. At some point people in the media decided we'd broken up, then we did a gig and everyone was like, 'You're back!' We only ever took 13 months off … so does that mean we were finished? I dunno." (The Guardian).
Nach drei erfolgreichen Alben war es in den letzten Jahren ziemlich ruhig um das wechselnde Ensemble rund um Frontmann Borrell geworden. 2006 war man allerdings noch am Zenit seines Erfolges, sowohl das selbstbetitelte zweite Werk als auch die bekannteste Single America schossen auf Platz 1 der jeweiligen UK-Charts.
Tatsächlich sticht Razorlight im ohnehin schon sehr zugänglichen Kanon als Pop-lastigstes Werk heraus. Die Melodien gehen besser ins Ohr, die Hooks sind noch catchier und die Produktion weit polierter als am verspielten, vergleichsweise rauen Debüt. Wenig ist übergeblieben vom wilden Draufgänger Borrell, nicht mehr viel zehrt am Sound der kurzzeitigen Ex-Band Libertines und noch weniger erinnert an deren gemeinsame Vorbilder. Das Quartett, zu dieser Zeit bestehend aus Sänger/Gitarrist Borrell, Gitarrist Björn Ågren, Bassist Carl Dalemo und Drummer Andy Burrows, machte sich daran, die Stadien dieser Welt zu erreichen und sich nicht mehr mit Clubs zufriedenzugeben.
Den ambitioniertesten Versuch, dieses Ziel zu erreichen, tätigt die Band mit der oben erwähnten Nummer, der Hymne America. Die tanzt jedem, der das letzte Jahrzehnt nicht gänzlich verschlafen hat, ohnehin im Kopf. Schön melodisch, mit einem Hauch unterschwelliger Kritik am großen Amiland. Passend auch das zurückgelehnte Setting und Borrells starke Performance:
"Yesterday was easy
Happiness came and went
I got the movie script
But I don't know what it meant
I light a cigarette
'Cause I can't get no sleep
There's nothing on the TV
Nothin' on the radio
That means that much to me
There's nothin' on the TV
Nothin' on the radio
That I can believe in"
Und was sagt der Baumeister selbst heute zu seinem beliebtesten Song, auf die Frage, ob die Leute die Message verstanden hätten? "I don't know, it's an immediate song; I don't expect people to pick up on anything beyond the 'oh oh oh!'" (selber Artikel).
Neben der durchaus anspruchsvollen Erfolgssingle gibt es aber noch andere Perlen zu entdecken. I Can't Stop This Feeling I've Got ist so ziemlich die schönste Nummer, die die Briten (in diesem Fall Borrell & Ågren) zu Papier gebracht haben und punktet durch seine cleveren Tempowechseln, starkem Basseinsatz und ordentlicher gesanglichen Leistung als vorzügliche Kollektivleistung. Das beschwingte Before I Fall To Pieces komplettiert mit seinen jangligen Gitarren, dem explosiven Refrain und einem starken Borrell das Spitzenfeld und der passend betitelte Pop Song 2006 verhehlt seine Abstammung in keiner Sekunde, greift R.E.M.s Pop Song 89 auf und bringt ihn auf den neuesten Stand, ruft zum Tanzen auf und überzeugt mit starkem Riff. Auf dem - wie vieles andere hier - von 60s-Pop beeinflussten Who Needs Love? rechnet Borrell mit der Liebe ab, nur um im darauffolgenden Hold On, von Handsclapping und treibenden Gitarren begleitet, wieder nach vorne zu blicken ("But if you hold on, well I will hold on too…")
Razorlight fahren lange gut mit ihrem Konzept. Schlussendlich fehlt es dem Album aber an der Konstanz, die den Vorgänger ausgezeichnet hat. Da gab es einige Kracher und wirklich viel Gutes. Hier halten sich die Glanztaten im Rahmen, der Durchschnitt ist weiterhin auf hohem Niveau, aber die eine oder andere Schwachstelle hat sich dann schon noch eingeschlichen. Viel zu wenig zwingend kommt beispielsweise Kirby's House daher, zwar ohne Frage mit hübscher Melodie und tollem Intro, aber viel zu gleichförmig über die gesamte Dauer. Einen Höhepunkt vertragen könnte auch das flotte Back To The Start, das sich trotz abwechslungsreichem Reggae-Rhythmus nie zur Gänze entfalten kann. Aber auch bei vielen der besseren Tracks hat man manchmal das Gefühl, da würde noch etwas fehlen.
Natürlich muss das Fazit an dieser Stelle wieder mit einem 'sie revolutionieren nicht das Genre, aber...' anfangen, das tun sie wenig überraschend wirklich nicht. Was man aber auf der kurzweiligen zweiten LP zu hören bekommt, lässt einen nicht mehr ruhig sitzen. Zu groß die Verlockung, kurz mit einem Bein mitzuwippen, wenn die Band ihr Gefühl für eingängige Melodien auf den Tisch legt. Nein, Razorlight ist beileibe kein Meisterwerk aber immerhin eine ansehnliche, kollektive Leistung einer Gruppe, die einen guten Job macht, als Pop-Writer durchzugehen und die stets schwierige Mission Album #2 ordentlich bewältigt. Wer eine Schwäche für guten britischen Pop vorweisen kann, der darf hier.. na ihr wisst schon!