Ramones - Pleasant Dreams

 

Pleasant Dreams

 

Ramones

Veröffentlichungsdatum: 20.07.1981

 

Rating: 7.5 / 10

von Mathias Haden, 22.03.2020


Mit den Füßen voraus in die Ramones-Hölle, die Dritte: Dem 60s Pop verfallen - ein Alleingang mit Stil.

 

Als Quasi-Freelancer oder Teilzeitpraktikant oder freundlicher Helfer aus dem Off und gänzlich ohne jegliche Verpflichtung und Schreibvorgaben möchte ich in dieser besonderen Reihe einer ganz speziellen Liebe meinerseits nachgehen: den wunderbaren, unvergessenen und seit kurzem nicht mehr platinlosen Ramones. Der Gedanke dazu ist folgender: In relativ kurzer Zeit möchte ich die auf MusicManiac noch fehlenden, immerhin neun LPs der New Yorker unter das Rezensionsmesser legen und mit passenden Worten bedenken. Dass es hier - wie spitzzüngige und gleichermaßen ahnungslose Kritiker auch über die Musik der Ramones urteilen würden - wenige Überraschungen geben dürfte, ist angesichts der verjährten, aber beinahe immer noch gültigen Top 10 eh klar, geht es doch vorwiegend um eine gar nicht so kleine Würdigung meinerseits der coolsten amerikanischen Band aller Zeiten gegenüber und um nichts anderes. In welcher Reihenfolge die fehlenden Alben, die ich chronologisch anpacken werde, online lesbar sein werden, überlasse ich dem Kollegen, dafür spare ich mir mit dieser copy+paste-Einleitung fortan ein wenig Zeit und Gehirnschmalz. In diesem Sinne an den großen Big Boss und alle anderen: man sieht sich, man liest sich, man hört sich. Nun, man liest sich zumindest.

 

Wer lange nach Erfolg welcher Form auch immer strebt, diesem aber nicht so recht näher kommen will, dem ist der Frust irgendwann mehr als gewiss. Passiert dies im Aufwand eines Kollektivs, kann es auch dazu kommen, dass Streitereien untereinander zur logischen Konsequenz werden. Die Ramones waren Anfang des Jahres 1981 immerhin schon einige Zeit damit beschäftigt, mit ihrem kurzweiligen Rock 'n' Roll die Leute zu erreichen, hatten wenig erfolgreiche Vorstöße in poppigere Gefilde unternehmen und dabei sogar einen enthusiastischen, aber längst kaputten Phil Spector weiter abgetragen und sich selbst damit ebenfalls ausgebrannt. Dazu kam, dass das zu jeder Zeit schwierige Verhältnis innerhalb der Band und vor allem zwischen Joey und Johnny, der Ersterem die Freundin ausgespannt hatte, was dieser ihm bis zu seinem Tod nicht verzeihen sollte, auf einem All Time Low war. Dee Dee hatte wie so oft mit Drogen zu kämpfen, während Marky dem seine Alkoholsucht großspurig auslebte. Nichtsdestotrotz war man im Lager der Ramones immer bereit, auf professioneller Ebene zusammenzuarbeiten, auch wenn man sonst kein Wort mehr wechselte. Gerade nach dem zehrenden Intermezzo mit Spector, der Joey bekanntlich zum großen Star mit Begleitband herausgehoben hatte, lag es daran zu klären, mit welchem Produzent die Reise weitergehen sollte.

 

Ihr Label Sire brachte schließlich Graham Gouldman ins Spiel, der als Frontmann von 10cc kleinen Weltruhm erlangen durfte. Mit ihm hinter den Reglern wird auf Pleasant Dreams der Trend weitergeführt, den seine beiden Vorgänger vorgegeben haben. Man kann sich förmlich vorstellen, wie gequält Johnny im Studio seine Gitarre würgt, aber dadurch, dass die Band zu jener Zeit im großen Clinch war und die üblichen Songwriting-Sessions nicht kollektiv, sondern einzeln für sich ausgefochten wurden, sind hier die beiden primären Songwriter Dee Dee und Joey im Rampenlicht. Besonders Joey lebt seinen Traum vom 60s Bubblegum-Pop im luftigen Punk-Outfit weiter, begünstigt von dem Fakt, dass es Gouldman tatsächlich besser gelingt, den Ramones einen Pop-Sound umzuhängen als Spector. Dass Joey sich auf der sechsten LP bis zu dem Zeitpunkt am besten entfalten konnte, wird auch dadurch deutlich, dass kaum einer seiner 7 (!) geschriebenen Songs wirklich abfällt. Ob mit deutlich Girlgroup-Pop-inspirierten Hymnen wie Don't Go und 7-11 oder dem reduzierten Rocker und Fan-Alltime-Fave The KKK Took My Baby Away (angeblich in Anspielung auf die Ausspannungsaktion von Johnny), praktisch alles scheint ihm aufgehen zu wollen. Beeindruckend ist in meinen Augen ja generell nach wie vor, wie viel dieser Mensch mit seinem Gesang und überhaupt seiner Stimme aus simplen Songs wie She's A Sensation, das zu einem emotionalen Highlight über sich hinauswächst, herausholen konnte. Und dann ist da ja noch dieser schräge, aber großartige Ausritt (und meine persönliche Hymne) It's Not My Place (In The 9 To 5 World), das rhythmisch ausgefeilter als alles davor daherkommt und sogar im Mittelteil bei The Who klauen geht.

 

Alles geht ihm und seinen Kollegen aber doch nicht auf. Während die härteren Töne von Opener We Want The Airwaves zwar interessant sind und einen verwirrenden ersten Eindruck vom sonst überwiegend lighten Album vermitteln, können sie nicht über eine solide, aber nicht gerade großartige Nummer hinwegtäuschen. Genauso wenig wie das etwas blutleere Lamento This Business Is Killing Me nicht von der Tatsache ablenken kann, dass Pleasant Dreams hintenraus dann doch etwas schwächelt. Das liegt auch daran, dass der indisponierte Dee Dee zwar mit den restlichen fünf Stücken prominent vertreten ist, aber nur mit All's Quiet On The Eastern Front einen richtigen Hammer im Repertoire hat und mit den zwei okayen Punk-Nummern You Sound Like You're Sick und You Didn't Mean Anything To Me das Pop-Punk-Verhältnis der LP ausbalanciert, aber nicht viel zu ihrer Güte beiträgt.

 

Nicht nur für Johnny ist Pleasant Dreams seit jeher das ungeliebte Kind im Ramones-Repertoire. Wo sich die "Sell Out"-Kreischer und die Fraktion der Pop-Verweigerer erfreut die Hände reichen, dort ist meistens nicht mehr als glatte Unwahrheiten zu finden. Die sechste LP bietet nämlich eine der interessantesten Zusammenstellungen der New Yorker und einen Joey in Höchstform, was bei den Entstehungsumständen umso bemerkenswerter ist. Seine Präsenz und sein Enthusiasmus sind es auch primär, die eine mit sich selbst beschäftige Band nicht nur aus dem biederen Mittelmaß holen, sondern die LP fast im Alleingang in die bessere Hälfte der Ramones-Veröffentlichungen bugsiert.

 


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